Fußball und Technik:Schiedsrichter blicken endlich durch

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Lange wehrten die Unparteiischen jede technische Hilfe ab. Es ist gut, dass sich das nun ändert.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

In all den Turbulenzen, die den Fußball derzeit aufwühlen, ging eine Nachricht unter, die einer Revolution gleichkommt. Jenseits der überwölbenden Botschaften aus Zürich und Frankfurt am Main, über Fifa und DFB, von Blatter bis Beckenbauer, vollzogen die deutschen Schiedsrichter einen erstaunlichen Kurswechsel. Bis in den Sommer hinein galt in dieser Zunft nur eine Richtlinie, absolut verteidigt von Schiedsrichter-Boss Heribert Fandel: Torlinientechnik ja! Videobeweis nein!

Doch dann kam der Herbst, und mit ihm nahmen die Seltsamkeiten in den Strafräumen zu. Kickende Schauspielschüler fielen leicht wie die Blätter. Inflationär viele Abseitstore fanden widerrechtlich Anerkennung. Und als Slapstick-Highlight präsentierte Hannovers Leon Andreasen ein maradoneskes Handspiel, das mit einem 1:0-Sieg in Köln prämiert wurde. Trotz bester DFB-Ausbildung sahen die Fachkräfte an der Pfeife alles andere als gut aus.

Rasanz im Spiel nimmt zu

Die zunehmende Rasanz im Spiel führt zu neuen Grenzerfahrungen, weshalb Fandel nun genug hat. Nicht nur, dass der Videobeweis einiges hätte klären können, meinte er jüngst, die als eher konservativ bekannte deutsche Zunft solle sogar "an der Spitze der Entwicklung stehen".

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Vorne dran sind gerade die Niederländer, die ein Videosystem erproben, bei dem ein fünfter Schiedsrichter das Spiel am Rand über einen Monitor verfolgt. Binnen 15 Sekunden muss er seine Entscheidungshilfe übermitteln; die Angst, dass dem Fußball die Rasanz genommen wird, wäre somit ausgeräumt. Beim International Football Association Board (FAB), das weltweit die Regeln festlegt, soll im März über den Antrag der Niederlande entschieden werden, das System offiziell einzusetzen.

Entscheidungshilfe für alle Skeptiker kam am Sonntagabend aus Berlin. Sekundenschnell hatte Schiedsrichter Winkmann dort zweifelsfrei festgelegt, dass der einzige Schuss der Hertha aufs Hoffenheimer Tor zum 1:0-Sieg genügte. Nicht nach Augenschein, sondern mit Hilfe der Torlinien-Technik. Die hatte ihm via Armbanduhr signalisiert, dass der Ball drin war; dass er die weiße Linie überschritten hatte, die im dichten Schneetreiben nur zu erahnen war.

Erst seit Sommer gibt es in der Bundesliga diese Sehhilfe, nach jahrzehntelanger Debatte. Spätestens im ersten Berliner Flockenwirbel hat sich also bestätigt, dass die Torlinientechnik keine jener Innovationen ist, die teuer eingeführt werden und am Ende doch keiner braucht.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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