Fußball-Fundstück:"In sportlicher Verbundenheit"

Lesezeit: 1 min

Der kleine Brief, den der ehemalige Bundestrainer Sepp Herberger 1960 an seinen chilenischen Amtskollegen geschrieben hat. Der SZ-Reporter Javier Cáceres hat ihn zufällig in einem Antiquariat aufgestöbert. (Foto: Javier Cáceres)

1960 schrieb Bundestrainer Sepp Herberger seinem chilenischen Amtskollegen eine Grußbotschaft - ein SZ-Reporter entdeckte sie Jahrzehnte später in einem Antiquariat in Santiago. Was das Fundstück über die Nationalmannschaft verrät - früher und heute.

Von Holger Gertz

Hier ein Juwel, das dem Sportreporter Javier Cáceres in die Hände gefallen ist, als er vor geraumer Zeit in einem Antiquariat in Santiago de Chile nach Fußballbüchern fragte. In einem lag, versteckt zwischen den hinteren Seiten, diese Grußbotschaft des früheren Bundestrainers Sepp Herberger an seinen chilenischen Amtskollegen Fernando Riera, und man kann nur vermuten, dass der Antiquar dieses Dokument übersehen hat, als er das Buch ins Verkaufsregal stellte. Vielleicht war er aber auch einfach kein Fußballkenner, solche Leute soll es ja geben.

Allen, die Fußballfreunde sind, erschließt sich dagegen der Stellenwert, den die deutsche Nationalmannschaft damals hatte, denn wenn Herberger einem chilenischen Kollegen "in sportlicher Verbundenheit" ein Autogrammblatt widmete, dann wurde so ein Papier zu einem Dokument der Völkerverständigung.

SZ PlusMeinungDFB-Team
:Die Leute zürnen nicht mal mehr

Die Nationalmannschaft steckt in der Krise - und vielen Fans scheint das egal zu sein. Es ist der vielleicht gefährlichste Aspekt in einem Abwärtstrend, der längst eine umfassende Eigendynamik angenommen hat.

Kommentar von Philipp Selldorf

Die Handschrift Herbergers: vom Notizbuchbefüllen in Schwung gehalten, kalligraphisch anspruchsvoll. Die Signaturen der Fußballer darunter: in Reih und Glied, aber offenbar mit verschiedenen Kugelschreibern aufgebracht. Das Datum: 23. März 1960.

Die Signaturen der Spieler: hingemalt und auch heute noch zu entziffern

An jenem Tag fand das Länderspiel Deutschland - Chile statt, Spielort Stuttgart, Endstand 2:1. Offenbar hat Chef Herberger in den Stunden vor Anpfiff, vielleicht nach dem gemeinsamen Mittagessen mit dem Team, noch Gelegenheit gefunden, seine Männer zum Signieren anzuhalten. Sie haben sich die Zeit genommen, das dauert schließlich, bis die Herren Haller, Schnellinger, Brülls, Stollenwerk und alle anderen ihre Namen hingemalt haben, so lesbar, dass man sie auch 63 Jahre später noch entziffern kann.

Dass der amtierende Bundestrainer Flick jemandem etwas "in sportlicher Verbundenheit" widmet, noch dazu handschriftlich, ist schwer vorstellbar. Und dass sich aus der momentan spielenden Elf keiner so richtig aus dem Mittelmaß abhebt, wird schon durch die Unterschriften deutlich, wie sie heute üblich sind: nachlässig hingeschmiert, ein paar lieblose Bögen mit fettem Edding, da sieht eine Signatur wie die andere aus. Aber es will eh kein Mensch mehr Autogramme, sondern nur noch Selfies, die purzeln dann aber nicht Jahrzehnte später in einem Antiquariat aus einem vergessenen Buch heraus, sehr zur Freude des Käufers, der zu schätzen weiß, was ihm da geschenkt worden ist.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMarc-André ter Stegen im Interview
:"Es ist mein Anspruch, die Nummer eins zu bleiben"

Marc-André ter Stegen erklärt, warum er seinen Platz im deutschen Nationaltor auch nach Manuel Neuers Rückkehr behalten möchte und wie die Abwehrprobleme der Nationalmannschaft behoben werden können.

Interview von Christof Kneer und Philipp Selldorf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: