Fußball:Schlammschlacht in DFB-Affäre ungebremst

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Wolfgang Niersbach ist bei der Museumseröffnung nicht wirklich feierlich zumute. (Foto: Bernd Thissen)

Dortmund (dpa) - Die Verschnaufpause für Wolfgang Niersbach währte nicht lange. Am Ende der Eröffnungsgala des Deutschen Fußballmuseums wirkte der angeschlagene DFB-Präsident zumindest für kurze Zeit ähnlich locker wie in vergangenen, unbeschwerten Tagen.

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Dortmund (dpa) - Die Verschnaufpause für Wolfgang Niersbach währte nicht lange. Am Ende der Eröffnungsgala des Deutschen Fußballmuseums wirkte der angeschlagene DFB-Präsident zumindest für kurze Zeit ähnlich locker wie in vergangenen, unbeschwerten Tagen.

Nachdem er am Freitagabend in Dortmund auf die vielen ungeklärten Fragen um die WM 2006 nur kurz eingegangen war, holt ihn die Affäre schnell wieder ein.

Bei seiner Sitzung am 4. November fordert der Sportausschuss des Deutschen Bundestags Aufklärung. Auf eine Einladung an Niersbach habe sie noch keine Antwort erhalten, berichtete Vorsitzende Dagmar Freitag. Niersbachs Zukunft als Funktionär sei „ungewiss“, sagte die SPD-Politikerin bei WDR2 (Samstag). „Es ist im Moment sehr schwer vorstellbar, dass man aus solch einer Affäre, wenn es sich als solche herausstellt, unbeschadet herauskommen sollte. Aber es wäre falsch, es alleine auf die Person Wolfgang Niersbach zu konzentrieren, die Diskussion muss deutlich weiter gehen.“

Die vielen Solidaritätsbekundungen der Prominenten auf dem Roten Teppich Richtung Museum dürften den angeschlagenen DFB-Chef zuvor zwar moralisch etwas aufgebaut haben, ihm für die kommenden schweren Tage und Wochen aber wenig helfen. In der zur Schlammschlacht ausgearteten Auseinandersetzung mit Vorgänger Theo Zwanziger, der Niersbach in der jüngsten Ausgabe des „Spiegel“ der Lüge bezichtigt und von der Existenz einer schwarzen Kasse in der deutschen WM-Bewerbung berichtet hatte, geht die Diskussion ungebremst weiter.

Der frühere DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt wies die Darstellung Zwanzigers über den Empfänger der umstrittenen Millionen-Zahlung im Vorfeld der WM 2006 zurück. Zwanziger hatte berichtet, dass Schmidt ihm in einem Telefonat diese Woche gesagt habe, dass die 6,7 Millionen Euro des früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus an das frühere FIFA-Exekutivmitglied Mohamed bin Hammam gegangen seien.

„Es ist ungeheuerlich, dass Theo Zwanziger den Inhalt eines privaten Telefonats an die Öffentlichkeit bringt“, sagte der damalige Organisationskomitee-Vize Schmidt der „Bild“-Zeitung (Samstag). „Der Name bin Hammam ist möglicherweise gefallen. Aber ich werde nicht behaupten, dass er Empfänger des Geldes ist. Ich weiß es einfach nicht.“

Auch die Rolle von Franz Beckenbauer, der laut Niersbach 2002 mit FIFA-Präsident Joseph Blatter die Millionen-Zahlung ausgehandelt haben soll, sorgt für reichlich Fragen. „Es dauert in der Regel lange, bis nationale Heroes stürzen“, sagte SPD-Politikerin Freitag. „Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass auch die Person von Franz Beckenbauer massive Kratzer abbekommt. Das, was im Vorfeld der WM passiert ist, muss geklärt werden. Da darf auch vor großen Personen kein Halt gemacht werden.“

Der entscheidende Punkt bleibt, was es mit den 6,7 Millionen auf sich hat. Trotz entschiedener Dementi des DFB steht weiterhin der Vorwurf im Raum, dass damit Funktionäre der FIFA bestochen wurden. Der „Spiegel“ zitierte aus einem Dossier, das Zwanzigers Anwalt Hans-Jörg Metz für den früheren DFB-Chef angelegt haben soll: Dr. Zwanziger hatte von Günter Netzer, einem engen Dreyfus-Vertrauten, im Herbst 2012 beiläufig erfahren, der Schuldschein über 10 Millionen Schweizer Franken sei für die vier Stimmen der Asiaten im FIFA-Exekutivkomitee verwendet worden. Netzer hatte diese Aussagen bestritten.

In dem Nachrichtenmagazin berichtet Zwanziger darüber hinaus, dass Niersbach in die Rückzahlung des Geldes an Louis-Dreyfus eingebunden gewesen sei. Zugleich erklärte er, dass eine entsprechende Notiz aus dem November 2004 Niersbachs Handschrift trage.

Dennoch schlugen sich bei der Gala in Dortmund viele Ehrengäste auf die Seite des aktuellen DFB-Chefs. „Wir haben eine Schreckensherrschaft mit Theo Zwanziger im DFB bis vor dreieinhalb Jahren erlebt, die haben wir Gott sei Dank hinter uns. Theo Zwanziger ist für uns, für mich, für die Mitarbeiter, die voll hinter Wolfgang Niersbach stehen, allenfalls noch eine Fußnote in unserer Chronik“, sagte DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock und fand die deutlichsten Worte: „Wir hatten unter Zwanziger eine Angst- und Krisenkultur beim DFB. Man muss festhalten, dass er die Vorwürfe, die er erhebt, noch in seiner Amtszeit hätte angehen können.“

Auch Bundestrainer Joachim Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff stärkten dem aktuellen Verbandschef demonstrativ den Rücken. „Natürlich geben diese Ereignisse Anlass zum Nachdenken“, kommentierte der Weltmeister-Coach, „aber ich stehe hundertprozentig zu Wolfgang Niersbach.“

Bierhoff nutzte die große Medienpräsenz vor dem futuristischen und 36 Millionen Euro teuren Neubau in der Nähe des Dortmunder Hauptbahnhofs zu Vorwürfen in Richtung Zwanziger: „Seltsam ist, dass Zwanziger das nicht schon während seiner Amtszeit angegangen ist. Aber vielleicht hatte er andere Interessen zu verfolgen.“ Auf das Fehlen von Beckenbauer, der angesichts der jüngsten Schlagzeilen das Gala-Rampenlicht gemieden hatte, gingen Löw und Bierhoff jedoch mit keinem Wort ein.

Ähnlichen Beistand hatte Niersbach schon auf der DFB-Präsidiumssitzung wenige Stunden zuvor in einem Dortmunder Hotel erfahren. Gerüchte von einem drohenden Rücktritt bewahrheiteten sich nicht. Auf die Frage, ob es in der rund dreistündigen Besprechung entsprechende Forderungen gegeben habe, antwortete Ligapräsident Reinhard Rauball mit einem klaren „Nein“: „Wir werden gemeinsam mit Wolfgang Niersbach den Weg der lückenlosen Aufklärung gehen.“

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