RB Salzburg in der Champions League:Der Nächste aus der Trainerschmiede

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Bald in Deutschland? Matthias Jaissle bei einem Champions-League-Spiel mit Salzburg gegen Sevilla. (Foto: Mathias Mandl/GEPA pictures/Imago)

Matthias Jaissle hat seine erfolgreichen Salzburger Vorgänger im ersten Halbjahr in den Schatten gestellt und den Verein erstmals ins Achtelfinale der Champions League geführt. Dort begegnet er nun dem FC Bayern - nicht zum ersten Mal.

Von Felix Haselsteiner

Im Moment seines bisher größten Erfolges verschwand Matthias Jaissle erst mal. Red Bull Salzburg hatte im letzten Gruppenspiel den FC Sevilla 1:0 besiegt und zog erstmals in der Vereinsgeschichte ins Achtelfinale der Champions League ein. Das war ein Moment, auf den der gesamte Klub und auch der Getränkekonzern im Hintergrund seit dessen Einstieg 2005 hingearbeitet hatten. Entsprechend euphorisiert lagen sich Spieler und Mitarbeiter im leeren Walser Stadion in den Armen.

Ganz kurz gesellte sich auch der Cheftrainer Jaissle dazu, gut erkennbar an seinem eleganten beigen Wintermantel. Dann aber zog er sich für ein paar Minuten zurück. Denn bei aller Freude für den Verein und seine jungen Spieler, die "Historisches" erreicht hatten, wie Jaissle heute sagt: Dieser Sprung in die K.-o.-Phase war auch der Erfolg eines erst 33 Jahre alten Trainers, dessen Fußballkarriere bislang mehr Tief- als Höhepunkte hatte. Da darf man dann auch mal einen Moment innehalten.

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Kurz vor Ende der Winterpause spricht Jaissle im Videotelefonat über eine Last, die im Moment dieses Sevilla-Siegs von ihm abgefallen sei: "In der Champions League habe ich mir den Druck selber auferlegt", sagt er. Wie es bei RB Salzburg läuft, hat er schnell verstanden: Die Serienmeisterschaft in Österreichs vergleichsweise schwacher Liga ist längst so normal geworden, dass bereits ein Salzburger Unentschieden als Sensation gilt. Was zählt, ist die Champions League, deshalb seien bei den Qualifikationsspielen zu Saisonbeginn alle im Verein "wirklich angespannt" gewesen, so Jaissle - zumal kaum ein Verein besser weiß, wie es sich anfühlt, an der Zulassung zur Königsklasse zu scheitern.

Zwei 2:1-Siege im Playoff gegen Brøndby IF aus Dänemark reichten diesmal, um den Weg für Salzburg zu ebnen. Sie waren eingebettet in die beste Startbilanz, die ein neuer RB-Trainer je schaffte: Von den ersten 21 Spielen unter Jaissle gewann Salzburg 18 (plus drei Unentschieden). Dass der 33-Jährige direkt mit seinen Vorgängern Jesse Marsch und Marco Rose verglichen werden würde, war klar. Dass er sie in den Schatten stellen würde - mit dem jüngsten Kader der Klubgeschichte -, war nicht unbedingt zu erwarten.

Jaissle übernahm von Marsch zwar die offensive Mentalität, nicht aber die defensive Naivität

Als Jaissle im Vorsommer das Amt vom nach Leipzig gewechselten (und dort schnell gescheiterten) Marsch übernahm, sahen manche eher eine problematische Saison auf Salzburg zukommen. Gerade mal ein halbes Jahr hatte der gebürtige Nürtinger Jaissle zuvor Salzburgs zweite Mannschaft, den FC Liefering, trainiert, davor war er eineinhalb Jahre Trainer der U 18. Wie Marco Rose durchlief er klassisch die RB-Trainerschule, Talent sprach Jaissle niemand ab. Aber derart geschröpft worden wie im Transfersommer 2021 war der Kader von Salzburg, das seit Jahren Talente-Lieferant für Europas Topligen ist, lange nicht mehr: Torjäger Patson Daka (Leicester), Mittelfeldchef Enock Mwepu (Brighton & Hove Albion) und der langjährige Abwehrhäuptling André Ramalho (Eindhoven) standen dem neuen Coach nicht mehr zur Verfügung. Zudem erlitt Mwepus verbliebener Stellvertreter Sékou Koïta einen Kreuzbandriss.

Dass Salzburg dennoch in der Erfolgsspur blieb, lag gewiss an Karim Adeyemi, Noah Okafor und anderen Hochbegabten im Team, die konstant auf hohem Niveau spielten. Der deutsche Jung-Nationalspieler Adeyemi, 20, längst als Sommerzugang in Dortmund gehandelt, führt mit 14 Treffern Österreichs Torschützenliste an. Doch auch Jaissle trug erheblich zum Gelingen bei. Er übernahm von Marsch zwar die offensive Mentalität, nicht aber die defensive Naivität. "Ich gewichte alle Phasen des Spiels gleich", sagt er, "bei aller offensiven Denkweise: Wir brauchen diese Balance in unserem Spiel." Das Wort Balance brachte Jaissle direkt den Vergleich mit einem seiner Vorgänger ein, allerdings nicht mit einem aus der modernen RB-Schule, die 2012 mit der Ankunft von Ralf Rangnick begann. Der Vergleich lautet stattdessen: Salzburg kassiert in dieser Saison bislang so wenige Gegentore wie zuletzt unter einem gewissen Huub Stevens (Trainer 2009-2011).

Dass Salzburg in der Erfolgsspur blieb, lag gewiss auch an Karim Adeyemi (r.) und anderen Hochbegabten im Team. (Foto: Lisa Leutner/dpa)

Wenn Jaissle von "seinem" Fußball erzählt, klingt er erst mal wie die meisten Trainer seiner Generation, er spricht von Restverteidigung, von einer Handschrift, die er einbringen wolle - und davon, wie er die Spieler im Training einbindet. Fürs Gegenpressing etwa brauche es kurze Wege zum Ball. "Dabei war mir aber auch wichtig, dass sie es nicht nur umsetzen, sondern auch verstehen, weil sie es dann lieber machen", betont Jaissle. Diesen Ansatz kennt Jaissle von jenem Trainer, der ihn, den ehemaligen Innenverteidiger, am stärksten geprägt hat: Auch bei Rangnick, sagt Jaissle, sei es nie darum gegangen, einfach nur Spielzüge umzusetzen: "Bei Ralf hat vieles Sinn ergeben, daher haben immer alle mitgezogen." Er selbst habe oft nach dem Warum gefragt: "Sicher bin ich meinem Trainer da auch ab und zu auf den Sack gegangen."

Das Karriereende mit 26 sei ein "Schock" gewesen, war aber auch sein Einstieg in die Zukunft

Unter Rangnick gehörte Jaissle zu jener talentierten Elf der TSG Hoffenheim, die nach dem Bundesliga-Aufstieg furios Herbstmeister wurde. Als Verteidiger bestritt er während dieses Höhenflugs mal ein großes Spiel gegen den FC Bayern, und Jaissle kann nur hoffen, dass es diesmal - mit Salzburg im Königsklassen-Achtelfinale gegen den Kollegen Julian Nagelsmann - weniger unglücklich läuft als damals im Dezember 2008. Hoffenheim kassierte, mit Jaissle in der Abwehr, beim Spitzenspiel in München kurz vor Spielende das 1:2, es war der Anfang eines Absturzes. Für Jaissle persönlich war der Crash besonders hart: Kurz darauf riss er sich ein Kreuzband, hinzu kamen später ein Meniskuseinriss und eine Achillessehnenverletzung, wegen der er 2014 die Karriere beenden musste - mit erst 26.

Das sei ein "riesiger Schock" gewesen, sagt er, aber er wusste, dass er dem Fußball erhalten bleiben wollte. "In Leipzig hatte ich die Möglichkeit, über ein Trainee-Programm in alle Bereiche reinzuschnuppern", erzählt Jaissle - gleich bei der ersten Station, der U 16, blieb er allerdings hängen.

Seine Karriere-Erlebnisse lässt er nun in die Trainerarbeit einfließen, vor allem im Umgang mit den Spielern: "Wenn man diese Höhen mal erlebt hat und dann folgen solche Tiefpunkte, wo man komplett auf sich alleine gestellt ist und sich rauskämpfen muss, dann ist das ein hilfreicher Erfahrungswert", sagt er. Verletzte Spieler wie Koïta holt Jaissle daher auch mal zum Training dazu, damit sie sich nicht alleingelassen fühlen - weil er weiß, wie das ist.

Jaissle definiert seine Trainerrolle etwas anders als Kollegen, er sieht sich nicht nur als Kaderchef: "Als Trainer sollte man Spieler bestmöglich begleiten, auch über das aktuelle Arbeitsverhältnis hinaus, so interpretiere ich den Beruf zumindest." Ihn beschäftigt auch, wie die nächsten Schritte seiner Juwele Adeyemi und Okafor aussehen: "Natürlich sind da Angebote, das hat sich jeder auch erarbeitet. Die Jungs sollen aber auch wertschätzen, dass es gut läuft - und dass es nicht selbstverständlich ist, unter diesen Bedingungen hier zu arbeiten."

Wenn Jaissle selbst so weitermacht, wird es nicht lange dauern, bis sich auch bei ihm andere Vereine melden - keiner seiner Salzburger Vorgänger war länger als zwei Jahre im Amt. Jaissle sieht das gelassen, er kennt aus Spielerzeiten die Härte des Geschäfts: "Mir wurden damals von Beraterseite sehr früh ambitionierte Ziele gesetzt", sagt er im Rückblick, für ihn sei "alles möglich" gewesen. Jaissle landete dann aber weder in der Premier League noch in der Nationalelf, sondern für kurze Zeit sogar bei den Ausgemusterten in Hoffenheims berüchtigter "Trainingsgruppe 2".

Die Lehren daraus hat er gezogen: "Ich habe damals gemerkt, dass es keinen Sinn ergibt, einen Karriereplan zu schmieden. Denn eine Karriere ist in diesem Geschäft so nicht planbar. Weder als Spieler, noch als Trainer." Aber jetzt geht's erst mal gegen die Bayern.

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