Fußball: Nationalmannschaft:Ungewisse Reise ins Land der Feuer

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Das WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan flößt der deutschen Nationalmannschaft Respekt ein.

Christian Zaschke, Baku

So eine Reise hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft noch nie gemacht. Gut, sie hat schon andere aufregende Reisen unternommen, in den entferntesten Winkeln der Welt hat sie ihre Kunst dargeboten, aber die Reise, die am Montag begann, ist eine ins Neuland: In Aserbaidschan haben die Deutschen noch nie gespielt. Entsprechend interessiert blickte die Delegation des Deutschen Fußball-Bundes aus dem Fenster, als sich der Charterflieger am Montagnachmittag nach vier Stunden Flugzeit allmählich der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku näherte.

Joachim Löw während der Trainingseinheit in Baku. (Foto: Foto: dpa)

Sie blickten auf ein braunes Land, dann blickten sie aufs Wasser - Baku liegt am Kaspischen Meer. Vor großer Hitze waren sie gewarnt worden, wüstenheiß sei es im Sommer, schwierigste Bedingungen also bei diesem WM-Qualifikationsspiel am Mittwoch - da war es für die Spieler eine angenehme Überraschung, von einem milden Wind, ein wenig Regen und moderaten Temperaturen begrüßt zu werden.

Aserbaidschan ist ein überaus interessantes Land, es liegt zwischen West und Ost, jahrhundertelang haben beide Kulturen gewirkt. Dem Bildungsreisenden verspricht es den ältesten Altar der Welt und einen Feuertempel, der den schönen Namen Ateschgah trägt. Die deutsche Nationalmannschaft hat allerdings keine Zeit für die Kultur des Landes, von der Spielkultur einmal abgesehen. Wie es um die bestellt ist, darüber hat sich Scout Urs Siegenthaler mehrmals ein Bild gemacht, was zeigt: Bundestrainer Joachim Löw nimmt den Gegner ernst. Er nimmt ihn sogar sehr ernst.

Das mag auf den ersten Blick ein bisschen übertrieben anmuten, da die Mannschaft von Aserbaidschan nun wirklich nicht zur Weltspitze gehört. Aber genau an diesem Punkt hat Löw die Gefahr ausgemacht: Wenn man sich irgendwo blamieren kann, dann hier. Zumal die Aserbaidschaner von Berti Vogts trainiert werden, dem Mann also, der das Diktum prägte, nach dem es keine Kleinen mehr im Fußball gebe.

Während das Flugzeug sich am Montag beständig gen Südosten bewegte, räsonierte Löw: "Das hat ja was von einem Pokalspiel, wenn ein Bundesligist ein Auswärtsspiel bei einem Klub eine Liga drunter hat, so ungefähr ist die Situation." Das mit dem Auswärtsspiel stimmt zweifellos, wie der deutsche Tross feststellen konnte, als er durch eine Gegend fuhr, die aus Ölfeldern und immer neuen Ölfeldern besteht.

"Das Land des Feuers" nennt sich Aserbaidschan wegen des Öls, das überall ist, an Land und im Wasser. Ob aber Löws Einschätzung stimmt, der Gegner sei lediglich eine Liga tiefer anzusiedeln, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls trägt er glaubwürdig eine leise Sorge vor sich her. "Wir sind der Favorit, das weiß jeder", sagt er, um gleich hinterherzuschieben: "Aber auch solche Mannschaften müssen erst niedergekämpft und -gespielt werden.

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Über das Personal fürs Niederkämpfen hat sich Löw viele Gedanken gemacht. Es gefällt ihm nicht, so früh in der Saison ein wichtiges Spiel bestreiten zu müssen, weil er nicht sehen konnte, wer in Form ist. Tatsächlich haben die Deutschen noch nie ein WM- oder EM-Qualifikationsspiel bestritten, als erst ein Bundesliga-Spieltag absolviert war.

"Dass der Rhythmus noch nicht in dem Maße da ist, ist klar", sagte Löw, immer noch in leicht besorgtem Tonfall. Seine Unruhe ist insofern zu verstehen, als er die Pflichtaufgabe so schnell wie möglich hinter sich bringen möchte. Zudem muss er sich über mehrere mögliche Aufstellungen Gedanken machen.

Ob Miroslav Klose rechtzeitig vollkommen fit wird, ist noch unklar; er leidet an einer Knochenhautentzündung. Einzige Alternative im Sturm wäre der Stuttgarter Cacau, da Lukas Podolski verletzt fehlt. Löw erwägt deshalb, eventuell Mesut Özil als hängende Spitze einzusetzen; das ist allerdings eher ein Gedankenspiel, um sich selbst zu versichern, dass Kloses Ausfall zu kompensieren wäre.

Was Löw beruhigen könnte, ist ein Blick auf die Statistik der WM-Qualifikationsgruppe 4. Die besagt, dass Aserbaidschan in fünf Spielen noch kein Tor erzielt hat. Löw sieht aber natürlich das Beunruhigende am Zahlenwerk: Das Team hat erst fünf Tore kassiert, die höchste Niederlage war ein 0:2 gegen Russland. "Immer dann waren sie gleichwertig, wenn der Gegner gedacht hat: Wir schaffen das schon", sagte Löw.

Er wird also auf keinen Fall eine B-Elf aufbieten, Kapitän Michael Ballack und Thomas Hitzlsperger sollen die Abwehr beschützen, in der Philipp Lahm auf seiner bevorzugten rechten Seite spielen darf. Mangels Alternative musste er in der Vergangenheit meist links spielen, "aber jetzt haben wir mit Marcell Jansen und Marcel Schäfer Alternativen für die Zukunft", sagte Löw. Arne Friedrich, der meist rechts spielte, darf dafür wie bei Hertha BSC als Innenverteidiger wirken.

Alle spielen also auf ihrer Wunschposition, und dennoch sagte Franz Beckenbauer: "Um die Aufgabe, in Aserbaidschan zu diesem Zeitpunkt zu spielen, beneide ich keinen." Der Gegner, der Löw und Beckenbauer so viel Respekt einflößt, steht übrigens auf Platz 137 der Weltrangliste, vor Neukaledonien, hinter Äthiopien.

© SZ vom 11.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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