Fußball-Nationalmannschaft:Kombination mit Gewinnaussicht

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Ein Tor geschossen, eins vorgelegt: Jule Brand (rechts neben Hayley Raso) bei ihrem erfolgreichen Debüt für das deutsche Fußballnationalteam gegen Australien. (Foto: Oliver Zimmermann/imago)

Gegen Australien setzt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg unerwartet viele junge Spielerinnen ein. Vor allem die 18-jährige Jule Brand sticht heraus. Bei der Kaderplanung für die EM 2022 dürfte es dem deutschen Team an Talenten jedenfalls nicht fehlen.

Von Anna Dreher, Wiesbaden/München

Die letzten Sekunden verstrichen, und Jule Brand blickte etwas nervös um sich. Lina Magull trabte ihr und Linda Dallmann entgegen, und als Magull nach ihrer Auswechslung für Dallmann mit Brand abklatschte, lächelte die 18-Jährige so, als habe ihr diese Berührung Zuversicht gegeben. Knapp eine Stunde hatte das deutsche Fußballnationalteam der Frauen gegen Australien gespielt, als Brand das Spielfeld im Wiesbadener Stadion betrat. In diesem Moment schien jede Nervosität von ihr abzufallen, und dass dieser Nachmittag noch ein ziemlich guter für ihre Mannschaft werden würde, hatte viel damit zu tun.

Was folgte, war eine Zahlenreihe, die der Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wie eine Los-Kombination mit hoher Gewinnaussicht vorgekommen sein muss: 59, 63, 64. In der 59. Minute hatte sie Brand eingewechselt. In der 63. Minute schoss Brand ein Tor. In der 64. Minute gab Brand die Vorlage zum nächsten Treffer - bei ihrer ersten Nominierung in ihrem ersten Länderspiel. "Wir wussten, da kommt viel Tempo auf uns zu", sagte Voss-Tecklenburg nach dem 5:2 (1:0) und schaute dabei ganz vergnügt. "Trotzdem ist es nicht selbstverständlich, dass sie gleich den Ball fordert, nach innen geht und dann auch noch cool abschließt."

Gegen Australien geben drei Spielerinnen ihr Debüt, neun haben fünf Länderspiele oder weniger

Die Offensivspielerin von der TSG Hoffenheim war die große Entdeckung dieses Länderspiels, aber nicht die einzige. Es wurde ein Nachmittag der nächsten Generation, was die Bundestrainerin vor allem hinsichtlich der EM 2022 gefreut haben dürfte. Durch das Verpassen der Olympischen Spiele in diesem Sommer bleibt ihr unfreiwillig viel Zeit, das nächste große Turnier vorzubereiten, was mit einer gesteigerten Erwartungshaltung einhergeht. Zumal die Auftritte auf der großen Bühne zuletzt dem eigenen Anspruch nicht gerecht wurden und auf Jahre großer Erfolge eine durchwachsene Phase folgte. Und nun zeigte sich gegen Australien auf unerwartete Weise, dass sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zumindest keine Sorgen darum machen muss, dass es bei der Suche nach einer optimalen Mischung aus Routiniers und Talenten an Letzteren fehlen könnte.

Brand, die 23-jährige Jana Feldkamp (SGS Essen) sowie die 26-jährige Fabienne Dongus (Hoffenheim) waren die Debütantinnen. Sjoeke Nüsken von Eintracht Frankfurt absolvierte ihr zweites Länderspiel. Auch Feldkamp und Nüsken prägten sich mit ihren Auftritten über 90 Minuten ein: Feldkamp in der Innenverteidigung, Nüsken mit Kapitänin Sara Däbritz im Zentrum und als abgezockte Torschützin zum 1:0 (11.). Voss-Tecklenburg zeigte sich beeindruckt von Feldkamps "Spielkompetenz, Ruhe und Abgeklärtheit". Und die 20 Jahre alte Nüsken, die in die Partie reingeworfen worden sei, habe das "sehr, sehr gut gelöst".

Die Bundestrainerin setzte am Samstag insgesamt neun Spielerinnen ein, die inklusive dieser Partie nun fünf oder weniger Länderspiele in ihrer Bilanz stehen haben. Die personifizierte Zukunft der DFB-Frauen also. Die als "sehr interessanter Spielertyp" gelobte Paulina Krumbiegel (3 Länderspiele) und Tabea Waßmuth (5/beide Hoffenheim) durften beginnen, Sandra Starke (4/SC Freiburg), Sophia Kleinherne (5) und Laura Freigang (5/beide Frankfurt) wurden eingewechselt. Freigang erzielte das 4:0, ihr sechster Treffer für das Nationalteam.

Wichtige Rolle: Sjoeke Nüsken (Nummer 25) bildet bei ihrem zweiten Länderspiel das Zentrum mit Kapitänin Sara Däbritz (Nummer 13) - und trifft im Länderspiel gegen Australien zum 1:0. (Foto: Oliver Zimmermann /Foto2Press/Imago)

Dass so viele Neue eine Chance bekamen, war in dieser Form allerdings nicht geplant gewesen. Am Morgen war das Team von einem positiven Corona-Test der symptomfreien Felicitas Rauch überrascht worden, die umgehend isoliert wurde. Weil das Gesundheitsamt Offenbach aufgrund der festen Sitzordnung bei den Mahlzeiten Lena Oberdorf, Sara Doorsoun und Svenja Huth als Kontaktpersonen der Kategorie 1 einstufte, gingen auch sie in Quarantäne. Erst um 13.15 Uhr, knapp drei Stunden vor dem Anpfiff, stand fest, dass die Partie ausgetragen werden würde. Das brachte zunächst Abläufe und dann die Aufstellung durcheinander.

"Ich bin sehr beeindruckt von der Leistung, das hat die Mannschaft auf herausragende Art gemacht", fand Voss-Tecklenburg. Natürlich hatte der erfreuliche Arbeitstag auch viel damit zu tun, dass sich ohne erfahrene Kräfte wie Dzsenifer Marozsan, Melanie Leupolz (beide nicht angereist) und Alexandra Popp (angeschlagen) in Innenverteidigerin Marina Hegering, Däbritz und Magull in der Offensive eine souveräne Achse fand. Wie auch damit, dass die Australierinnen zuletzt vor 13 Monaten gespielt hatten. Dennoch war es bemerkenswert, wie fokussiert und gut abgestimmt das deutsche Team sich zeigte.

"Wir hatten uns vorgenommen, für alle zu spielen", sagte Brand später. Erst seit vergangenen Sommer ist sie in der Bundesliga aktiv, und bevor sie wusste, dass sie am Samstag erstmals das Nationaltrikot tragen würde, sagte sie in einem DFB-Video ganz offen: "Ich habe nicht damit gerechnet, dass noch ein Anruf kommt. Als es dann soweit war, war ich überrascht, mein Herz hat richtig schnell geschlagen und ich war richtig aufgeregt". Am Dienstag (16 Uhr, ZDF) könnte sie gegen Norwegen schon die nächste Chance erhalten. Es ist davon auszugehen, dass auch danach wieder ein Anruf kommt.

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