Krise bei Mainz 05:Wenig Argumente für Trainer Siewert

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Nächster Nackenschlag: Jan Siewert (rechts) hat mit Mainz seit fünf Spielen nicht mehr gewonnen. (Foto: Thomas Frey/Imago)

Erst rätselhaft spannungsarm, dann "absurd" im Pech: Nach dem 0:1 gegen Aufsteiger Heidenheim schwindet bei den Profis von Mainz 05 das Vertrauen in Interimstrainer Jan Siewert.

Von Frank Hellmann, Mainz

Glücklicherweise kam die Stadionregie beim FSV Mainz 05 gar nicht auf die Idee, die Eindrücke eines ernüchternden Bundesligaspiels noch mit irgendwelchen Stimmungsliedern zu übertönen. Aus den Lautsprechern kam nach Schlusspfiff so wenig wie die ersten zwölf Minuten nach Anpfiff aus dem Fanblock. So schwappte recht unverfälscht zwar kein gellendes Pfeifkonzert, aber hörbarer Unmut nach der unnötigen Heimniederlage gegen den 1. FC Heidenheim (0:1) von den Rängen auf den Rasen. Als Alarmzeichen für einen Tabellenvorletzten, dass es so nicht im neuen Jahr weitergehen kann.

Der Aufsteiger von der schwäbischen Ostalb schien in Person seiner Institution Frank Schmidt selbst nicht genau zu wissen, wie eine solch hausbackene Vorstellung mit dem ersten Dreier in fremden Erstligagefilden belohnt werden konnte. Der Mainzer Interimscoach Jan Siewert klagte derweil darüber, es sei "absurd, dass der Ball nicht reingeht". Er habe doch "jeden Offensivspieler, der im Kader war, auf den Platz gebracht" - darunter die Debütanten Marcus Müller und David Mamutovic aus der zu Saisonbeginn noch von ihm betreuten zweiten Mannschaft.

"Sie bezahlen schließlich Eintritt": Sportdirektor Schmidt hört von den Fans, was niemand sonst hört

In einer verhängnisvollen Mixtur aus Verletzungs- und Abschlusspech haben sich unter seiner Regie nun fünf sieglose und drei torlose Partien hintereinander angesammelt. Und auch der fußballerische Fortschritt verflüchtigt sich mit der Notbesetzung gerade. Siewert, 41, beharrte trotzdem darauf, seine Mannschaft gehe weiter "gegen alle Nackenschläge" an. Der "bis auf Weiteres" zu den Profis beförderte U23-Coach wollte in seinem Kreis auf dem Rasen auch eher Applaus von der Tribüne gehört haben.

Sportdirektor Martin Schmidt litt nicht unter solch schwerwiegenden Wahrnehmungsstörungen. "Dass die Fans ungeduldig werden", sagte der Schweizer, sei ihr gutes Recht: "Sie bezahlen schließlich Eintritt." Auch für den 56-Jährigen war "kaum zu glauben, dass wir kein Tor geschossen haben, so dominant wie wir das Spiel geführt haben". Die fehlende Effizienz ist für ihn Kopfsache, denn: "Mehr Herz wie in der zweiten Halbzeit kann ein Team nicht auf dem Platz lassen."

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Darin war freilich eine ordentliche Portion vorweihnachtliche Schönfärberei verpackt, der sich die Hauptprotagonisten nicht hingaben. Stürmer Marco Richter am Sky-Mikrofon etwa: "Heute ist so ein Tag, da fehlen selbst mir die Worte. Wir haben diesen Abstiegskampf hier gar nicht angenommen, vor allem in der ersten Halbzeit. Dann kassieren wir ein Slapstick-Tor."

Tatsächlich fiel der Ball nach einem gar nicht so gut getretenen Freistoß des Heidenheimer Spezialisten Jan-Niklas Beste über Umwege Marvin Pieringer vor die Füße, dessen Schuss rutschte dem Mainzer Torhüter Daniel Batz durch die Beine und prallte vom Verteidiger Phillipp Mwene über die Linie (12.). Auch Kapitän Dominik Kohr monierte die fehlende Körperspannung. Man verliere das Spiel, "weil man die erste Halbzeit verschläft und in der zweiten Halbzeit trotz Moral kein Tor schießt". Zwar folgte noch ein Plädoyer für Siewerts Weiterbeschäftigung ("arbeite gern mit Jan zusammen"), doch die Argumente werden dünner.

Die Bosse könnten nach der Partie in Dortmund über Siewerts Zukunft entscheiden

Gut möglich, dass Vorstand Christian Heidel, der mächtige Boss am Bruchweg, bald einen dritten Fußballlehrer für den Rest der Spielzeit vorstellt. Schmidt rutschte nebenher bereits heraus, dass "vielleicht irgendwann ein anderer" die Blockaden bei den Spielern lösen müsse. Nach der Auswärtspartie bei Borussia Dortmund (Dienstag 20.30 Uhr) werde über Siewerts Zukunft gesprochen, erklärte Schmidt. Auch er scheint nicht mehr überzeugt davon zu sein, dass das Eigengewächs denselben Werdegang wie einst er selbst durchläuft: erst Reserve-, dann Interims-, dann Cheftrainer bei den 05ern.

Ob die Dienstreise nach Dortmund noch die Betrachtung ändert? "Dass da was möglich ist, haben wir schon mal gezeigt", erinnerte der aktuelle Coach an jenes für die BVB-Gemeinde so folgenschwere 2:2-Remis vom 27. Mai, als die noch von Bo Svensson betreuten Rheinhessen mit ihrem couragierten Auftritt ein schwarz-gelbes Tränenmeer erzeugten. Ihr Sportsgeist kam in den Analysen des irren Meisterschaftsfinales 2023 oft ein bisschen zu kurz. Kohr möchte den Coup auf Wiedervorlage bringen. Seine - gar nicht mal so gewagte These - vor dem letzten Spiel des Jahres: "Der Druck ist bei Dortmund."

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