Boateng bei Olympique Lyon:800 Millionen Euro von Onkel John aus Missouri

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Peter Bosz und Jérôme Boateng: Zwei, die nicht zueinander fanden in Lyon. (Foto: Frederic Chambert /Imago)

Die vergangene Saison verlief enttäuschend, nun träumt Lyon plötzlich vom Champions-League-Triumph - dank eines amerikanischen Investors. Für Jérôme Boateng ist in den neuen Plänen wohl kein Platz.

Von Stefan Galler

Jean-Michel Aulas ist ein Mann, der polarisiert. Der 73 Jahre alte Präsident von Olympique Lyon wird nicht selten mit Uli Hoeneß verglichen, er kämpft mit allen Mitteln für das Wohl seines Klubs, dem er seit 1987 vorsteht und der seither sieben Mal französischer Meister wurde - in Serie, zwischen 2002 und 2008. Dabei schießt er rhetorisch schon mal übers Ziel hinaus; via Twitter polemisiert Aulas gegen andere Klubs, Spielerberater, den Verband, vor allem gegen die Schiedsrichter. Wie im vergangenen November, als er nach dem Spielabbruch gegen Marseille nach einem Flaschenwurf gegen Dimitri Payet - ohne die eigenen Fans in die Pflicht zu nehmen - erklärte, Payet hätte weiterspielen können. Der Treffer sei doch gar nicht so hart gewesen.

Und Aulas hat trotz seines fortgeschrittenen Alters noch lange nicht genug. Regelmäßig betont er, nicht zurücktreten zu wollen, bis die Lyonnais einen Europapokal gewonnen haben. Die Männermannschaft wohlgemerkt, denn bei den Frauen ist OL zuletzt zum achten Mal in den vergangenen zwölf Jahren Champions-League-Sieger geworden. Die Chancen, dass Aulas sein großes Ziel jedenfalls noch erreicht und damit einen Grund bekommt, sein Amt aufzugeben, haben sich in den vergangenen Tagen verbessert.

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Ein reicher Onkel aus Amerika ist beim Rhône-Klub eingestiegen: John Textor aus Missouri, ehemaliger Freestyle-Skateboarder und mittlerweile erfolgreicher Geschäftsmann. Der 56-Jährige ist bereits mit 40 Prozent am englischen Klub Crystal Palace, mit 80 Prozent am belgischen Zweitligisten Molenbeek und mit 90 Prozent am brasilianischen Traditionsverein Botafogo beteiligt. Nun hat er sich 66 Prozent der Anteile von Olympique gesichert und pumpt laut dem Magazin Forbes mehr als 800 Millionen Euro in den Klub. Davon sollen 90 Millionen noch in diesem Sommer in den Kader investiert werden.

Zu Boatengs bisweilen lustlosen Auftritten gesellten sich heftige Kontroversen mit Mitspielern

Eine Kampfansage des neuen starken Mannes an die nationale und kontinentale Konkurrenz ließ nicht lange auf sich warten. Bei einer Pressekonferenz mit Aulas, der weiterhin rund 28 Prozent der Klubanteile hält und für die kommenden drei Jahre als Präsident weitermachen wird, gab Textor am Dienstag die Linie vor: "Jean-Michel will zurück auf die europäische Bühne und ich will die Champions League gewinnen. Ich hoffe, wir können davon träumen." In Richtung der großen Konkurrenz von Paris Saint-Germain sagte der Amerikaner: "Ich mag das PSG-Modell nicht. Ich hoffe, wir können sie in der nächsten Saison schlagen."

Fraglich erschien bisher, wer die mögliche Renaissance von OL sportlich verantworten soll. Unter Trainer Peter Bosz verpasste der Klub in der abgelaufenen Saison die internationalen Plätze deutlich und beendete die Ligue 1 auf Rang acht, satte 25 Punkte hinter Meister Paris. Immerhin stieß der Niederländer mit seiner Auswahl bis ins Viertelfinale der Europa League vor, dort scheiterte man nach einer indiskutablen Leistung im Rückspiel an West Ham United, vor eigenem Publikum. Während nun Investor Textor alle sportlichen Entscheidungen weiterhin seinem Kompagnon Aulas überlassen will, scheint dieser entschlossen zu sein, weiterhin auf den früheren Dortmund- und Leverkusen-Coach zu setzen. Bosz werde auch in der neuen Saison "da sein", erklärte Aulas nun.

Damit dürfte auch klar sein, dass der frühere Nationalspieler Jérôme Boateng, 33, nach einer missratenen Saison keine Zukunft mehr im Klub hat, trotz eines Vertrags bis 2023 - denn das Verhältnis zwischen dem ehemaligen Bayern-Verteidiger und Bosz gilt als stark belastet. 18 Mal stand Boateng in der Liga in der ersten Elf, nur neunmal spielte er über die volle Distanz, dreimal blieb er 90 Minuten auf der Bank, einige Male gehörte er aus Leistungsgründen gar nicht zum Aufgebot. Zu seinen bisweilen lustlosen Auftritten und offensichtlichen körperlichen Defiziten gesellten sich heftige Kontroversen mit Mitspielern, die teilweise auf dem Platz ausgetragen wurden. Boatengs Berater Tolga Dirican dementierte zuletzt Kontakte zum türkischen Meister Trabzonspor, der Interesse an Boateng angemeldet hatte.

Ungeachtet der ungeklärten Situation von Boateng und von Spielmacher Lucas Paquetá, der mit Newcastle United in Verbindung gebracht wird, rüstet Lyon nun also dank der Finanzspritze aus den USA auf. Die spektakuläre Rückkehr des früheren Kapitäns Alexandre Lacazette, 31, vom FC Arsenal steht bereits fest. Mit Corentin Tolisso (zuletzt FC Bayern) und Samuel Umtiti (FC Barcelona) stehen angeblich zwei weitere Ex-Lyonnais auf der Wunschliste des Klubs.

Und auch die eigenen Talente haben bei Olympique, wo unter anderem die Karriere von Karim Benzema ihren Anfang nahm, einen hohen Stellenwert. Deshalb ist man besonders stolz, den Vertrag mit Mittelfeldspieler Maxence Caqueret, 22, verlängert zu haben, obwohl der AC Mailand angeklopft hatte. Auch Top-Talent Rayan Cherki, 18, soll unbedingt gehalten werden - die nötigen finanziellen Ressourcen können jetzt ja zweifelsohne fließen.

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