Fußball in der Türkei:Süperlig-Profis warten auf ihr Geld

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Leere Stadien, Geldprobleme: Der türkische Fußball hat ein Problem. Im Bild die Galatasaray-Spieler Öztekin (l.) und Bruma. (Foto: AFP)

Die türkische Liga plagt ein gravierendes Finanzproblem - auch weil die Klubs die fürstlichen Saläre ihrer Spieler in Euro oder Dollar bezahlen.

Von Tobias Schächter

Wer nur die Heldengeschichten der Süperlig sieht, wurde am Wochenende in der Türkei zum Beispiel durch Wesley Sneijder gut bedient. Der niederländische Nationalspieler war mit einem Tor und drei Vorlagen der Star beim 5:1 von Galatasaray Istanbul gegen Alanyaspor. Der Tabellendritte ist damit auch ohne den verletzten Lukas Podolski dem Überraschungs-Tabellenführer Basaksehir FK auf drei Punkte näher gerückt.

Wer aber genauer hinschaut, der konnte erneut erkennen, wie stark der Glanz an der Fassade des türkischen Fußballs bröckelt. Galatasarays Sieg gegen Alanya wollten nur 12 500 in der für 52 600 Zuschauer konzipierten Arena sehen. Und Tabellenführer Basaksehir wurde beim 1:1 in Andana durch eine krasse Fehlentscheidung des Schiedsrichtergespanns um den Sieg gebracht. Der Referee hatte zunächst auf Tor von Marcio Mossoro (72.) entschieden - es wäre das 2:1 für Basaksehir gewesen. Nach langen Diskussionen mit dem Linienrichter zog der Schiedsrichter seine Entscheidung überraschend zurück und brachte Trainer Abdullah Avci und seine Elf so um die Punkte - dabei stand der Torschütze eindeutig nicht im Abseits. Zufall? "Gab es einen Video-Schiedsrichter irgendwo in der Ecke? Ich habe keinen gesehen", ätzte der sonst so besonnene Avci über das seltsame Fehlurteil.

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Medipol Basaksehir FK ist ein Plastikklub, der enge Verbindungen zur Regierungspartei AKP und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan unterhält und seine Heimspiele oft vor nur 2000 Zuschauern austrägt. Aber er ist einer der wenigen Klubs in der Türkei, der nicht verschuldet ist. Die meisten türkischen Vereine leiden zudem unter gewaltigen Zahlungsschwierigkeiten. Dabei wird es immer mehr zum Problem, dass die Klubs die fürstlichen Saläre ihrer ausländischen Prominenz in Euro oder Dollar bezahlen. Seit 2013 befindet sich die türkische Lira im Sinkflug und hat bis heute rund ein Fünftel an Wert gegenüber dem Dollar verloren, die Lage hat sich nach dem gescheiterten Putschversuch und dem Abdriften hin zu einer Autokratie Erdogans weiter verschlechtert.

Nicht selten warten Spieler monatelang auf ihr Gehalt

Das ist vor allem für kleinere Klubs ein großes Problem. Kayserispor zum Beispiel hat seit vier Monaten seinen Profis keine Gehälter bezahlt, auch Spielerberater warten auf Vermittlungsgebühren aus dem Sommer. Das ist in der Türkei nicht ungewöhnlich, auch bei Großklubs wie Galatasaray müssen selbst Spieler wie Sneijder bisweilen Monate auf ihr Gehalt warten oder werden mit Abschlagszahlungen vertröstet. Sneijders Agent hat dies in der vorigen Saison öffentlich gemacht.

Wie an vielen Standorten sind die Verflechtungen des türkischen Fußballs mit der Politik auch in Kayseri eng, der Hauptstadt der Provinz Kappadokien. Aber obwohl die Stadt für die Heimspiele in der 2009 fertiggestellten, modernen Arena keine Miete von Kayeserispor verlangt, hat der Klub durch den Verfall der Lira ein gewaltiges Finanzproblem. Ähnlich geht es vielen kleineren Klubs, die ihre Einnahmen (außer beim TV-Geld) vorwiegend in türkischer Währung generieren, ihre Profis aber in Dollar/Euro bezahlen.

Die Gehälter machen bei den Klubs 70 bis 90 Prozent der Ausgaben aus. Ein Großklub wie Titelverteidiger Besiktas generierte jedoch allein durch die Teilnahme an der Champions-League-Vorrunde rund 33 Millionen Euro, die dem Klub in der Lira-Krise helfen. Tabellenführer Basaksehir und Kardemir Karabükspor haben angekündigt, künftig ihre Spieler nur noch in Lira zu bezahlen. Das dürfte auf wenige Nachahmer stoßen.

Um prominente Spieler wie Sneijder und Podolski im Land halten zu können, ist die Bezahlung in harten Währungen Voraussetzung. Dabei half bisher, dass die Gehälter in der Türkei fast Nettogehälter sind, Steuern zahlen die Klubs. Wegen der unsicheren Lage verließ vorigen Sommer schon eine Süperlig-Attraktion wie Mario Gomez Besiktas in Richtung Wolfsburg. Und weil zum Beispiel Galatasaray wegen Verstößen gegen das Financial Fairplay nicht am Europapokal teilnehmen durfte, musste Stürmer Burak Yilmaz in einen für die Türkei immer gefährlicheren Konkurrenzmarkt verkauft werden: nach China.

Auch als Ziel für Trainingslager hat die Türkei an Anziehungskraft verloren. In diesem Winter reist kein deutscher Klub in das Land, vorigen Winter waren es noch 16 Erst- und Zweitligisten.

Hoffnung kommt für die auf kurzfristigen Erfolg getrimmten Klubpräsidien aus Katar. Trotz der Situation in Liga und Land wurde jüngst ein bemerkenswerter Fernsehvertrag geschlossen. Ab der kommenden Runde kassieren die Vereine fünf Jahre lang 557 Millionen Euro pro Saison statt bislang 321 Millionen. Den Zuschlag bekam erneut "Digitürk", das dem katarischen Unternehmen "beIN-Sports" gehört. Durch den Deal steigen die Einnahmen der Süperlig-Klubs im Schnitt um rund 50 Prozent. Aber wie können die kleinen Vereine bis Sommer durchhalten?

Auch da könnte die Politik helfen. Ähnliche Probleme gab es, wenn auch nicht so gravierend, immer wieder. In einem Fall wurde öffentlich, dass der türkische Fußball-Verband dem Klub Elazigspor die TV-Gelder für die folgende Spielzeit einfach vorher ausgezahlt hatte und diesen so vor der Pleite bewahrte. Nachhaltigkeit bleibt im türkischen Fußball ein Fremdwort.

© SZ vom 27.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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