Fußball:Glazer hat sich bei United kaum Freunde gemacht

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London (dpa) - Eine Flut von Beileidsbekundungen oder ein überwältigender Ausdruck von großer Trauer blieb am Donnerstag in Manchester aus.

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London (dpa) - Eine Flut von Beileidsbekundungen oder ein überwältigender Ausdruck von großer Trauer blieb am Donnerstag in Manchester aus.

Dass United-Besitzer Malcolm Glazer einen Tag zuvor im Alter von 86 Jahren gestorben ist, haben die Anhänger des englischen Fußball-Rekordmeisters zwar zur Kenntnis genommen - ein Trauerzug zum Old Trafford ist deshalb aber nicht zu erwarten. Auch weil der Milliardär nie einen Fuß in das Stadion gesetzt hat.

Das Verhältnis der Fans zum Patriarchen der US-amerikanischen Besitzerfamilie war seit dem Tag der Übernahme vor neun Jahren unterkühlt. Gebessert hat es sich trotz fünf Meisterschaften und dem Gewinn der Champions League 2008 nicht.

Glazer hatte United 2005 für 790 Millionen Pfund übernommen. Damals gingen die Anhänger auf die Barrikaden. Sie fürchteten der Geschäftsmann, der in der „Forbes“-Liste der reichsten Menschen der Welt mit einem geschätzten Vermögen von 4 Milliarden Dollar auf Rang 354 geführt wird, handele bloß aus Profitgier.

Um die Übernahme zu finanzieren, machte die Familie mit United eine Menge Schulden. Der Höchststand betrug 2008/09 etwa 716 Millionen Pfund. Derzeit steht der Verein, der zuvor schuldenfrei gewesen war, mit 351 Millionen in der Kreide. In neun Jahren sollen 1,5 Milliarden Zinsen fällig geworden sein. Bei den Fans, die das Geld lieber in neue Spieler investiert gesehen hätten, sorgt das noch heute für Entsetzen. Besonders weil Stadtrivale ManCity von deren Besitzerfamilie aus Abu Dhabi in den vergangenen Jahren für mehr als 1,5 Milliarden generalüberholt wurde und zwei der letzten drei Meistertitel feierte. United wurde zuletzt Tabellensiebter.

An der Spitze der Bewegung gegen Glazer hatte sich damals der „Manchester United Supporters Trust“ (MUST) gegründet. Selbst Club-Legende David Beckham bezog seinerzeit öffentlich Stellung gegen die neuen Besitzer. Bei einem Gastspiel mit dem AC Mailand trug er einen Schal in den ursprünglichen Vereinsfarben gold und grün.

In der Stunde des Todes von Glazer hielten sich seine Gegner aber weitgehend zurück. Dennoch: „Als Anhänger von United bin ich mir über die nachteiligen Auswirkungen bewusst, die die Glazers auf den Verein hatten und auch über den riesigen Schuldenberg“, sagte Sean Bones, Vorstandsmitglied des „MUST“.

Als weitere Folge der Übernahme hatten Fans 2005 sogar einen neuen Club gegründet. Der FC United spielt mittlerweile in der siebten Liga - drei Aufstiege vom Profi-Fußball entfernt. In diesem Jahr wird ein eigenes Stadion mit 5000 Plätzen eröffnet.

Im Jahr 2006 zog sich Glazer bei United zurück, nachdem er zwei Schlaganfälle erlitten hatte. Er überließ seinen sechs Kindern die Kontrolle über 90 Prozent des Clubs. Die übrigen zehn Prozent sind seit 2012 an der Börse in New York gelistet.

Seine letzten Jahre hatte der Patriarch zurückgezogen in Palm Beach im US-Staat Florida verbracht. Als Folge der Schlaganfälle litt er unter Sprachproblemen und motorischen Schwierigkeiten. Der in Rochester im US-Staat New York geborene Sohn eines Uhrenersatzteilverkäufers hatte nach dem Tod seines Vaters bereits als Teenager die Geschäftsleitung des Familienunternehmens übernommen. Reich wurde er als Präsident und Geschäftsführer von First Allied Corporation.

Bereits 1995 hatte Glazer den sportlich und wirtschaftlich heruntergekommenen NFL-Club Tampa Bay Buccaneers gekauft. 2002 glückte der erste NFL-Titel. Der Wert des Teams vervierfachte sich. Auch dort hatte er das Tagesgeschäft seinem Nachwuchs überlassen und besuchte nur noch selten Spiele.

Glazers sechs Kinder haben wenig Grund an der Hinterlassenschaft ihres Vaters zu zweifeln. United ist unter dem US-Milliardär zu einer starken globalen Marke geworden. Der Umsatz werde im Geschäftsjahr 2013/14 mehr als 700 Millionen Dollar betragen, hieß es zuletzt. Unzählige Unternehmen sind bereit, für die Verwendung des Vereinslogos nicht zu knapp zu zahlen. Selbst Glazers schärfste Kritiker müssen das anerkennen.

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