Dortmunds 1:1 in Augsburg:Die Debatten werden schärfer

Lesezeit: 3 min

"Uns fehlt so ein bisschen das Selbstverständnis", sagt Offensivspieler Julian Brandt (rechts), "es wirkt alles sehr schwer, sehr gezwungen." (Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Nach dem Aus im Pokal gerät beim schwankenden BVB auch das Minimalziel Champions-League-Qualifikation in Gefahr. Das 1:1 in Augsburg verschärft den Ton, Trainer und Sportdirektor suchen Erklärungen.

Von Maik Rosner, Augsburg

Das Letzte, was von Borussia Dortmund blieb, war ein zusammengekehrter Haufen aus Rasen und Erde vor der Mannschaftskabine. Wie ein Zeugnis weitgehend vergeblichen Tuns lag der Schmutz aus den Stollenschuhen am Samstagabend in den Katakomben der Augsburger Arena, nachdem der BVB bereits abgereist war.

Trotz großem Aufwand und vieler Chancen hatte es beim 1:1 (1:1) wieder einmal wenig Ertrag gegeben für die Westfalen. Nur ein Sieg steht aus den vergangenen sieben Bundesligaspielen in der Bilanz der Borussia. Betrachtet man die Formtabelle vom zehnten Spieltag bis jetzt, findet sich der BVB sogar auf Platz 16 wieder. Nur Union Berlin (bei einem Spiel weniger wegen der zuletzt ausgefallenen Partie beim FC Bayern) und Aufsteiger Darmstadt holten in diesem Zeitraum noch weniger Punkte als die Dortmunder (fünf), die zudem wettbewerbsübergreifend in den vergangenen fünf Spielen ohne Dreier blieben. Und nun also dieses Remis in Augsburg, durch das sich auch das Tabellenbild für die gesamte Saison immer weiter eintrübt.

Entsprechend verstimmt hatte sich die Dortmunder Reisegruppe verabschiedet und dabei auch Einblicke in die internen Debatten gewährt. Diese werden zunehmend schärfer, weil nach dem Aus im DFB-Pokal nun in der Bundesliga das Minimalziel, die Qualifikation für die Champions League, in Gefahr gerät. "Wir sind enttäuscht, sauer und frustriert. Wir haben hier zwei Punkte zu wenig geholt. Wir wissen um unsere Tabellensituation", sagte Sportdirektor Sebastian Kehl. Nach dem Jahresabschluss, dem Heimspiel gegen Mainz am Dienstag, werde man "ein Fazit ziehen und die Dinge analysieren. Dann werden wir wieder angreifen", kündigte der 43-Jährige an. Zugleich warnte er: "Die Quali für die Champions League dürfen wir nicht aus den Augen verlieren."

Nationalspieler Julian Brandt stellt die Qualität des Kaders infrage

Es verwundert nicht, dass sich die Blicke zunehmend auch auf Trainer Edin Terzic richten, und das nicht nur von außen. Zu tun hat das nicht allein mit dem viel zu oft ausbleibenden Ertrag, sondern auch mit dem Wankelmut seiner Mannschaft. Starke Leistungen wie am vergangenen Mittwoch beim 1:1 gegen Paris Saint-Germain und dem dadurch erreichten Gruppensieg in der Champions League wechseln sich ab mit regelrecht irritierenden Auftritten. Wie am Mittwoch vor einer Woche, als der BVB mit einer Defensivtaktik im Achtelfinale des DFB-Pokals beim VfB Stuttgart durch eine 0:2-Niederlage im Stile eines unterklassigen und chancenlosen Außenseiters ausgeschieden war.

Das Spiel in Augsburg veranschaulichte die Leistungsschwankungen, zu denen die Dortmunder neigen. Bestaunen ließen sich in komprimierter Form die teils heftigen Ausschläge nach oben und unten sogar innerhalb weniger Minuten. Wie in der Anfangsphase, als der gegen Paris noch für seine ikonografische Grätsche gefeierte Niklas Süle völlig unbedrängt einen Fehlpass vor dem eigenen Strafraum in die Füße des Augsburgers Fredrik Jensen spielte, dieser aber zum Glück aus Dortmunder Sicht über das Tor schoss. Kurz darauf hätte Süles Kollege Ramy Bensebaini beinahe kunstvoll per Hacke zur Führung getroffen. Insgesamt war Dortmunds Auftritt von dieser Art des Amplitudenfußballs geprägt. Und auch von dem vertrauten Defizit, Chancen zu oft nicht kühl zu verwerten. "Wir haben es versäumt, die Dinge klar zu Ende zu spielen", kritisierte Terzic, "es fehlte die Ruhe, die Genauigkeit."

Die Ausnahme von der Regel: Donyell Malen (links) setzt sich gegen Augsburgs Kevin Mbabu durch und bleibt auch vor dem Tor ruhig - das 1:1 für den BVB. (Foto: Michael Rehle/AFP)

Die Ausnahme stellte Donyell Malens 1:1 in der 35. Minute dar nach einem Doppelpass mit Niclas Füllkrug, der den Ball dabei mit der Hacke filigran durch die Beine des Augsburgers Felix Uduokhai gespielt hatte. Zuvor war der FCA durch Kapitän Ermedin Demirovic in Führung gegangen, nachdem sich Nico Schlotterbeck im Zweikampf viel zu leicht wegdrücken lassen hatte (23.). Schlotterbeck nahm das Gegentor später auf seine Kappe.

Insgesamt fehle "so ein bisschen das Selbstverständnis", befand Offensivspieler Julian Brandt, "es wirkt alles sehr schwer, sehr gezwungen." Durch "fehlende Ruhe und Gelassenheit" lasse man sich vom Spielverlauf treiben, sagte er, es sei "harter Granit, auf den wir momentan beißen". Brandt hinterfragte auch die viel beschworene Qualität der Mannschaft. "Mir fällt es schwer zu sagen, man hat die Qualität und bringt sie nur nicht auf den Platz", sagte der Nationalspieler, "am Ende steht man schon in der Pflicht, wenn man was kann, das auch auf den Platz zu bringen."

Beim nächsten Versuch gegen Mainz kommt zum Ergebnisdruck noch die Erinnerung ans Finale der vergangenen Saison: Durch das damalige 2:2 hatten die Dortmunder den Meistertitel verpasst.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ Plus20 Jahre BVB-Krise
:Alles auf Pump

Vor 20 Jahren stand Borussia Dortmund wegen Finanztricks kurz vor dem Kollaps. Aber Präsident Gerd Niebaum sagte über entsprechende SZ-Recherchen: Alles gelogen! Bis ihn der Finanzjongleur Florian Homm zu Fall brachte - mit einem Trick. Unser Reporter erinnert sich an den Enthüllungskrimi.

Von Freddie Röckenhaus

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: