Fußball: FC Schalke 04:Es darf gelacht werden

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Der FC Schalke 04 hat unter Ralf Rangnick wieder so viel Freude am Fußball, dass er auch gegen Inter Mailand angreifen will - mit einem Mittelfeld, das die Post-Magath-Ära versinnbildlicht.

Philipp Selldorf

Atsuto Uchida ist seit dem vorigen Sommer Mitglied der Mannschaft von Schalke 04. Aber seine Mitspieler hat er erst jetzt richtig kennengelernt. "Ich habe gar nicht gewusst, dass sie so viel lachen können", erzählte Uchida am Wochenende den Journalisten aus der Heimat, die ihn nach jedem Spiel mit Verbeugung empfangen.

Kann sich vor dem Viertelfinal-Rückspiel gegen Inter über ein komfortables 5:2-Polster freuen: Schalke-Trainer Ralf Rangnick. (Foto: AFP)

Es darf gelacht werden in Gelsenkirchen, das mag nach einer Banalität klingen, ist aber der Befund für einen revolutionären sozialen Wandel im Berufsleben der Schalker Profifußballer. Felix Magath besitzt zwar viel Sinn für Humor, aber er ist nicht der Ansicht, dass Lachen auf den Trainingsplatz gehört. Unter seiner Aufsicht haben die Spieler ihre Arbeit während der Woche weitgehend mit ernstem Schweigen erledigt, manchmal sahen sie aus wie Männer in einer Strafkolonie, und dazu bedurfte es nicht mal der berüchtigten Medizinbälle. Magaths Nachfolger musste jedoch nichts inszenieren, damit das Lachen zurückkehrt. Es kam von selbst. Es genügte, dass der neue Chef einen grundsätzlich anderen Führungsstil pflegt.

So hat Ralf Rangnick in Schalke in gewisser Weise eine dankbare Aufgabe angenommen, denn Magaths menschlicher Umgang ist so speziell, dass nicht viel dazu nötig ist, einen Kontrast dagegen zu setzen. Dass Rangnick aber auch als Fußball-Lehrer ganz anders denkt und handelt, das ist die andere, die viel verwegenere Revolution in Schalke.

Am Mittwochabend wird sich das Publikum bei der zweiten Begegnung mit Inter Mailand wieder davon überzeugen können. Das Spiel steht unter ungewöhnlichen Vorzeichen. Der Favorit liegt 2:5 zurück, nun hat der Außenseiter ein Heimspiel und scheinbar alle Vorteile, kann sich seiner Sache aber keineswegs gewiss sein. Nicht gegen Inter Mailand, nicht gegen eine Offensive, die Spieler wie Samuel Eto'o, Diego Milito und Wesley Sneijder aufbietet. "Mit der Qualität, die in der gegnerischen Mannschaft steckt, müssen wir auf alles gefasst sein", sagt Innenverteidiger Joel Matip.

Für Matip und Schalke ist die Ausgangslage vor diesem Viertelfinale eine Einladung zum Catenaccio: Mit vereinten Kräften den Strafraum abriegeln und ansonsten auf den ungeheuren Torwart Manuel Neuer hoffen, das wäre für viele Trainer die logische Devise des Abends. Aber Rangnick denkt anders, das haben seine Schüler bereits nach wenigen Wochen Zusammenarbeit verstanden.

FC Schalke 04: Einzelkritik
:Kampf gegen das Grinsen

Neuers Kopf eröffnet eine Wahnsinnspartie, Matip erlebt seine erste große Liebe, Edu verwandelt sich in einen Spitzenfußballer und Raúl zeigt, dass er ein ganz Großer ist. Die Schalker beim 5:2 in Mailand in der Einzelkritik.

Daniel Theweleit, Mailand

"Wir werden nicht warten, bis Inter irgendwas macht, wir werden unser Spiel machen", prophezeit Hans Sarpei, der Linksverteidiger, der neuerdings auf seine alten Tage zum Flügelläufer umfunktioniert wird. "Das ist unser neues Spiel", sagt er. Weshalb der Trainer in der Partie gegen Inter auch nicht versuchen will, den Besitzstand zu verteidigen. "Wir werden auf Sieg spielen", kündigt er an, "die Marschroute richtet sich nach dem Spielstand bei Anpfiff, nämlich 0:0."

José Jurado soll zusammen mit Alexander Baumjohann das neue Schalker Kreativzentrum bilden. (Foto: dpa)

Schlüsselfiguren der neuen Schalker Spielthese sind zwei Männer, die Magath voneinander ferngehalten hat wie zwei aggressive Chemikalien. Die Mittelfeldkünstler Alexander Baumjohann, 24, und José Jurado, 24, zur selben Zeit in derselben Schalker Mannschaft einzusetzen, das hielt er für ein aberwitziges Abenteuer. "Das ist dann doch ein bisschen zu offensiv", hat er vor ein paar Monaten mal auf entsprechendes Befragen spöttisch lächelnd geantwortet.

Rangnick hingegen hat sich bei Jurado entschuldigt, dass er ihn bei seiner Premiere (im Punktspiel in St. Pauli) draußen gelassen hatte. In Mailand, bei der nächsten Gelegenheit, bildeten Baumjohann und Jurado dann ein Duett, das so gut funktionierte, als hätten es Schweizer Feinmechaniker konstruiert: Sie kombinierten miteinander, sie machten Tempo, sie rissen Lücken mit ihren Dribblings, aber sie verteidigten auch geschickt.

"Sie setzen den Gegner sehr gut unter Druck, stellen die Räume zu und nehmen uns Abwehrspielern viel Arbeit ab", stellte Sarpei fest. "Ich denke, man hat gesehen, dass wir uns fußballerisch gut verstehen", resümierte Baumjohann am Wochenende, denn auch im Punktspiel gegen Wolfsburg hatte sich die angeblich so waghalsige Paarbildung wieder bewährt. "Der neue Trainer möchte, dass wir Fußball spielen, es ist eine andere Philosophie", meint Baumjohann. Sarpei, kein Freund und Bewunderer von Felix Magath, formulierte es etwas deutlicher: "Wir spielen jetzt Fußball und hauen den Ball nicht mehr blind nach vorn."

Gegen Inter Mailand wird es auf die beiden jungen Männer in der Zentrale noch etwas mehr ankommen, denn ohne den gesperrten Jefferson Farfan fehlt Schalke die Lokomotive auf dem rechten Flügel. Vermutlich wird der 17-jährige Julian Draxler die Reihe komplettieren, er wäre der Kandidat für die eher angriffslustige Grundordnung. Rangnicks Kandidat also. Inter, diesmal wieder mit dem großen Lúcio in der Innenverteidigung, sei gezwungen, "volles Risiko zu gehen, das wird uns Räume geben". Baumjohann und Jurado haben den Auftrag, die Räume zu nutzen und dem FC Schalke 04 den Weg ins Halbfinale zu ebnen.

© SZ vom 13.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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