Cristiano Ronaldo bei der EM 2021:Mit dem Ball ein Killer

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Humanist? Vielleicht. Aber wenn Cristiano Ronaldo eine Torchance wittert, gibt es kein Erbarmen. (Foto: Darko Bandic/Reuters)

Bei der EM fügt Cristiano Ronaldo einen Rekord nach dem anderen seiner Sammlung hinzu - und wird nicht nur als Fußballer gefeiert, sondern auch als "fürsorglicher Humanist".

Von Javier Cáceres

Aus dem fernen Iran meldete sich auch der vormalige Bundesligastürmer Ali Daei in Sachen Fußball-EM zu Wort, er war mal bei Arminia Bielefeld, Bayern München und Hertha BSC aktiv. Daei, 52, war kein so schlechter Stürmer, auch wenn man ihn nicht zwangsläufig zu den epochalen Figuren des Fußballs zählen würde. Aber nun wird er aber doch seit geraumer Zeit in einem Atemzug mit einer dieser Ikonen genannt: Cristiano Ronaldo. Denn der Portugiese war zuletzt auf der Jagd nach Daei - und holte diesen am Mittwoch in Budapest ein, mit zwei Elfmetertoren, die Portugal zum 2:2 gegen Frankreich verhalfen (31./60. Minute).

Ronaldo egalisierte so den Rekord des längst zurückgetretenen Ali Daei, der einst 109 Tore für Iran erzielt hatte. So viele wie nun der Portugiese, der in den vergangenen 45 seiner 178 Länderspiele 48 Tore geschossen hat. Zum Vergleich: Lionel Messi, der Gegenpart zu Ronaldo, kommt in 147 Länderspielen für Argentinien auf 73 Treffer.

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"Ich fühle mich geehrt, dass diese bemerkenswerte Leistung Ronaldo gehört", schrieb Ali Daei also in einem sozialen Netzwerk. Und das gelte umso mehr, als Ronaldo nicht nur ein großer Champion des Fußballs sei, sondern ein "fürsorglicher Humanist, der Leben auf der ganzen Welt inspiriert und beeinflusst". Ronaldo reagierte ebenfalls in der virtuellen Welt. "Ich bin sehr stolz darauf, diese Worte von einem großen Idol wie Dir zu lesen. Danke, Ali Daei", schrieb Ronaldo - oder ließ Ronaldo schreiben. Wobei sich dann doch die Frage auftut, ob Ronaldo diesen Ali Daei wohl in freier Wildbahn erkennen würde.

21 Treffer bei WM- und EM-Turnieren: Ronaldo steht vor Platini und Klose

Umgekehrt dürfte das eher kein Problem sein. Ronaldo, 36, hat in etwa 20 Jahren als Fußballprofi 50 persönliche Rekorde an sich gerissen, behaupten die Statistiker der italienischen Gazzetta dello Sport. Ob da wirklich der Anspruch auf Vollständigkeit gewahrt ist? Die relevantesten Bestmarken im aktuellen Kontext besagen, dass er der Einzige ist, der fünf Endrundenturniere gespielt hat, und allein bei dieser EM fünf Mal getroffen hat. Damit steht Ronaldo mit 14 EM-Toren vor Michel Platini (neun). Ronaldo hat überdies 21 Tore bei Europa- und Weltmeisterschaften erzielt. Das sind zwei mehr als ein anderer früherer Bayern-Profi: Miroslav Klose kam auf 19 Treffer. "Ronaldo verteilt Taschenrechner", titelte die portugiesische Zeitung O Jogo.

Seine Tore waren auch fundamental für den Achtelfinaleinzug der Portugiesen. Grundlage dafür war der 3:0-Auftaktsieg gegen die auch fußballerisch extrem anstrengenden Ungarn, Ronaldo steuerte da zwei Treffer bei. Das 2:2 gegen die Franzosen ließ am Ende vergessen, dass man gegen das DFB-Team in München 2:4 unterlegen war, auch da schoss Ronaldo ja sein Tor. Die Niederlage gegen die Deutschen hätte den Titelverteidiger Portugal fast das Achtelfinale gekostet. Zwischen der 47. und der 60. Minute waren die Portugiesen am Mittwoch beim Stand von 1:2 in der Blitztabelle auf dem vierten Platz - und ausgeschieden.

Die Portugiesen treffen nun in Sevilla auf das starke belgische Team

"Ich habe meinen Leuten gesagt, dass sie den Spielern den Zwischenstand des Ungarn-Spiels nicht sagen sollten, weil es nichts Positives gebracht hätte", erklärte später Trainer Fernando Santos. Dann zeigte ein alter Bekannter des früheren Real-Madrid-Profis Ronaldo, der spanische Schiedsrichter Antonio Mateu Lahoz, zum zweiten Mal auf den Elfmeterpunkt, und der Humanist gab wieder den Killer. Eigentlich hätte den Franzosen in der Nachspielzeit wegen eines Fouls an Kingsley Coman ebenfalls ein zweiter Elfmeter zugesprochen werden müssen. Immerhin hätte ein mögliches französisches Siegtor keine Auswirkungen mehr auf den Tabellenstand gehabt.

Daher reisen die Portugiesen in die Nähe der Heimat, nach Sevilla, wo sie auf das starke belgische Team treffen. "In der Theorie ist das ein gutes Spiel", sagte Trainer Fernando Santos. Er hoffe, "dass es in der Praxis ein großartiges Spiel für Portugal wird". Ronaldo stand den Medien nach dem Spiel gegen Frankreich nicht zur Verfügung, wohl aber seinem früheren Madrider Kollegen Karim Benzema, den er herzlich umarmte: "Es ist immer schön, Ronaldo auf dem Platz zu sehen, wir haben Teile unseres Weges gemeinsam zurückgelegt", sagte Benzema. 2018 ging Ronaldo zu seinem jetzigen Klub Juventus Turin. Und in Madrid fragten sich viele am Donnerstag, ob das hätte sein müssen, einen Spieler wie CR7 zu vergraulen, der zwar 36 Jahre alt ist, aber trifft und trifft und trifft.

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