U17-Europameister Deutschland:Ein Erfolgsrezept aus Büchern und Buchwald

Lesezeit: 3 min

"Den Glauben bis zur letzten Minute nicht verlieren": Die U-17-Auswahl triumphiert im EM-Finale in Budapest trotz eines verschossenen Elfmeters. (Foto: Marton Monus/dpa)

Die deutschen U17-Junioren gewinnen EM-Gold, erstmals seit 2009. Trainer Christian Wück ermuntert seine Fußballer, sich ein Beispiel an den Helden der Vergangenheit zu nehmen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Samstag war Christian Wück, ehemals Bundesligastürmer, als Ehrengast beim DFB-Pokalfinale in Berlin, und er erschien festlich gekleidet. Unter der beigefarbenen Ausgehjacke mit dem Wappen des Deutschen Fußball-Bunds trug er das schwarz-rote Ausweichtrikot der Nationalmannschaft - und auf der Brust eine Medaille aus Gold, die jedes Gegenüber blenden musste.

Das Souvenir von der U17-Europameisterschaft, bei der sich die von Wück trainierte Auswahl im Finale gegen Frankreich 5:4 im Elfmeterschießen durchgesetzt hatte, repräsentierte eine kleine Sensation. Dieser Titel war einigermaßen überraschend - und vor allem der erste seit 2009. Seit Deutschland 2014 in Brasilien bei den Männern Weltmeister wurde, gilt der EM-Triumph des DFB-Nachwuchses von 2009 als eine Art Omen. Unter den Titelträgern der Teenager war damals auch ein gewisser Mario Götze, der 2014 im Finale zum Siegtorschütze gegen Argentinien aufstieg.

SZ PlusRB Leipzig nach dem Pokalfinale
:"Wir haben ein paar Hausaufgaben zu erledigen"

Am Ende eines Umbruchjahres gewinnt Leipzig den DFB-Pokal. Doch die nächste Neuordnung steht bevor: Wichtige Spieler verlassen den Verein - und der FC Bayern soll Interesse an Sportgeschäftsführer Max Eberl haben.

Von Javier Cáceres

Nichts garantiert, dass Deutschland bei der EM 2028 triumphiert oder bei der WM 2030 einen neuen Stern vom Himmel holt. Aber ein paar Nachrichten, die diesbezüglich Hoffnung machen, hatte Wück aus Ungarn mitgebracht. Bündelte man sie, kam dabei heraus: Deutschland ist wieder Deutschland.

Ehrung vor großer Kulisse im Berliner Olympiastadion

"Wir haben uns vorgenommen, dass wir uns, den Deutschen, aber vor allem auch den anderen Nationen ein Zeichen setzen wollen: dass es unheimlich schwer ist, gegen Deutschland zu gewinnen", sagte Wück in Berlin im Gespräch, ehe seine Mannschaft in der Halbzeitpause des Pokalfinals geehrt wurde. Wück war es deshalb nicht nur wichtig, die EM gewonnen zu haben. Es kam ihm mehr noch auf die Umstände an: "Wir haben nicht nur ein sehr gutes Turnier gespielt, sondern in jedem Spiel - außer vielleicht beim 4:0-Sieg gegen Portugal - Widerstände überwunden." Auch im Finale: Da glückte der Sieg, obwohl Noah Darvich, Kapitän und Zehner der Mannschaft, den ersten Elfmeter verschoss. Einen solchen Dämpfer in so einer Situation, meinte Wück, muss man überwinden: "Wir haben sehr, sehr viele Spiele über unseren Kampf, über Willen, unsere Tugenden gewonnen." Das fand der Trainer umso bemerkenswerter, als er eine Generation instruiert, die all diese Dinge "gar nicht mehr kennt".

Finalsieg gegen Frankreich: Keeper Max Schmitt sichert den 5:4-Erfolg im Elfmeterschießen. (Foto: Balint Szentgallay/Zuma/Imago)

Seit fast drei Jahren arbeitet Wück mit dem nun triumphierenden Jahrgang zusammen, und es sei ihm stets darum gegangen, den jungen Spielern, "immer wieder einzuimpfen, wofür die Deutschen im Ausland stehen". Was das sei? "Dass wir nie aufgeben, dass wir zusammenhalten, immer an uns glauben - und diesen Glauben bis zur letzten Minute nicht verlieren." In den vergangenen Jahren sei das im Jugendfußball "ein bisschen verloren gegangen", glaubt Wück, weil nur noch "technische Elemente" und "das schöne Spiel" im Vordergrund gestanden hätten.

Dabei liege es auf der Hand, sich ein Beispiel an jenen Helden der Vergangenheit zu nehmen, die mehr durch Haltung denn durch Haltungsnoten bestachen. "Ein Guido Buchwald konnte verteidigen, sonst nichts. Aber verteidigen konnte er auf Weltklasseniveau!", rief Wück und klang wie der Verfechter eines Paradigmenwechsels, obschon er eine Selbstverständlichkeit propagiert: "Ein Verteidiger muss verteidigen können, ein Außenverteidiger muss verteidigen und Flanken schlagen können." Was nicht heiße, dass unter seinen Spielern nicht einige wären, "die exzellent Fußball spielen können und technisch perfekt sind".

Dazu zählen insbesondere Paris Brunner, ein 17-jähriger Stürmer von Borussia Dortmund, der mit Robert Ramsak (FC Bayern) mit vier Treffern einer der vier Turnier-Torschützenkönige wurde, sowie der 16-jährige Darvich, ein eleganter Linksfuß, der bevorzugt über die rechte Seite kommt, zu Diagonalläufen ansetzt und durch Technik und Übersicht besticht.

"Die beiden haben die Jungs mitgezogen mit ihrer Leistung und ihrem Auftreten", sagt Wück - und lenkt das Augenmerk auch auf Finn Jeltsch vom 1. FC Nürnberg, der im Verein gar nicht in der Innenverteidigung antritt, aber von Wück in der U17 dorthin beordert wurde und "das Turnier seines Lebens gespielt" habe: "Im Finale gegen Frankreich hat er uns zwei, drei Mal vor dem Gegentor bewahrt."

Internationale Scouts verfolgen den Jahrgang mit Interesse

Solche Leistungen wecken Interesse: Nachwuchsturniere werden nicht nur von Jugendfußball-Aficionados besucht, sondern vor allem von den Spähern der großen Klubs. Gerade um Darvich, der als Sohn eines französisch-irakischen Sprachschulleiters in Freiburg geboren wurde, gab es schon vor dem Turnier Geraune, das Interesse des FC Arsenal, von Paris Saint-Germain und dem FC Bayern gilt als verbürgt. Den Ruf, der ihm vorauseilt, bestätigte er in Budapest mit sechs Scorerpunkten. "Speziell bei Noah mache ich mir keine Gedanken", sagte Wück. "Ich weiß, dass er nächstes Jahr das Abitur machen will und muss - in Freiburg", erzählt Wück. "Er fühlt sich dort sehr, sehr wohl, und meine Info ist, dass der SC Freiburg auch Lösungen gefunden hat, die ihn sportlich zufriedenstellen."

Der Verweis aufs Abitur kommt nicht von ungefähr. Wück geht es bei der Ausbildung des Nachwuchses nicht nur um Buchwald, sondern auch um Bücher. Das DFB-Team wurde auf dem Turnier von zwei Lehrern begleitet: "Die Jungs hatten während dieser EM 16 Klausuren zu schreiben, die sie unter normalen Umständen in der Schule hätten ablegen müssen." Die Ergebnisse der Prüfungen kannte Wück am Samstag noch nicht. Aber er klang so, als gebe es auch in dieser Hinsicht Aussicht auf Erfolge.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivUli Hoeneß im Interview
:"Da kann ich nicht loslassen!"

Uli Hoeneß erklärt, wie es zur Trennung von Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn kam, welche Fehler beim FC Bayern zuletzt gemacht wurden - und warum er und Karl-Heinz Rummenigge jetzt wieder die Kontrolle übernehmen.

Interview von Christof Kneer und Philipp Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: