Fußball:Der neue Handwerker bei den Löwen

Lesezeit: 3 min

Jan Zimmermann, Torhüter von 1860 München. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Torhüter Jan Zimmermann hält den TSV 1860 beim Pokal-Sieg gegen den Karlsruher SC im Spiel. Dabei dachte Trainer Kosta Runjaic noch über einen Torwart-Tausch nach.

Aus dem Stadion von Jan Geißler, München

Es lief die 41. Minute, als Löwen-Torhüter Jan Zimmermann erstmals richtig Emotionen zeigte. Mit weit aufgerissenem Mund versuchte er seine Abwehrreihe wach zu brüllen. Erst wenige Sekunden zuvor hatte der Karlsruher Moritz Stoppelkamp einen Ball aus zentraler Position über die Querlatte gesetzt - er wurde dabei nicht angegriffen. Während der KSC kurz vor der Pause von Minute zu Minute stärker wurde, machte der TSV 1860 den Eindruck, als sei er mit den Gedanken bereits in der Kabine. 1860 scheint diese Saison aber einen Torwart zu haben, der so etwas nicht zulässt. Zimmermann denkt mit und und wird auch mal laut.

"Zufallsbefund": Gehirntumor

"Wenn irgendetwas nicht passt, müssen wir Torhüter versuchen, es zu reparieren", sagte Zimmermann nach dem Spiel: "Das ist eben unser Job." Der 1,90 Meter große Torhüter, der vor der Saison vom 1. FC Heidenheim nach München kam, machte an diesem regnerischen Samstagabend einen außerordentlich guten Job. Mit mehreren starken Paraden, vor allem während der ersten 60 Minuten, hatte Zimmermann seinen Anteil am 2:1-Erfolg gegen den Karlsruher SC und somit am erfolgreichen Pokal-Auftakt des TSV 1860. "Es ist immer schön, wenn man seinen Teil zum Sieg beitragen kann", sagte Zimmermann. "Dieses Mal sogar mit Paraden, nicht nur als Anspielstation und Dirigent."

Die erste Parade musste Zimmermann nach gut 20 Minuten zeigen. 1860 begann gut, hatte Chancen, der KSC hatte die erste große Tormöglichkeit. Nach einer Ecke prallte der Ball zu Gaetan Krebs, der aus halblinker Position schoss. Mit einem starken Reflex lenkte Zimmermann den Ball über die Latte. Auch ein Versuch von Moritz Stoppelkamp zwölf Minuten später war für den 31 Jahre alten Torhüter kein Problem. Selbst als der Brasilianer Yann Rolim kurz vor der Pause auf Manuel Torres durchsteckte und dieser plötzlich völlig frei vor dem Löwen-Tor auftauchte, blieb der Keeper ruhig, machte die Körperfläche so groß wie möglich und wehrte den Ball lässig mit dem Oberkörper ab.

Dresdens Sieg im DFB-Pokal
:Bier schlägt Brause

Dynamo Dresden dreht nach einem 0:2 das Spiel gegen RB Leipzig im Elfmeterschießen. Die Dresdner wählen dabei ihre Schützen recht ungewöhnlich aus.

Von Javier Cacéres

Hinter Zimmermann liegen ereignisreiche Zeiten. Im November 2014 war im Kopf des damaligen Heidenheimer Torhüters ein Tumor festgestellt worden. Entdeckt wurde dieser mehr oder weniger zufällig: In einem Zweikampf wurde Zimmermann mit dem Fuß am Kopf getroffen und zog sich dabei eine Gehirnerschütterung zu. Für ihn "nichts Weltbewegendes". Und dennoch drängte ihn Heidenheims Mannschaftsarzt Mathias Frey zu einer MRT-Untersuchung, bei der schließlich der Tumor gefunden wurde. An der Schnittstelle zwischen Kleinhirn und Hirnstamm hatte sich bei dem Keeper ein etwa ein Zentimeter großer Tumor eingenistet. Ohne den "Zufallsbefund" hätte der Tumor wohl lebensbedrohliche Ausmaße angenommen. Ende November 2014 unterzog sich Zimmermann einer siebenstündigen Operation im Klinikum Günzburg, nach zwei Tagen dann die Entwarnung: Der komplett entfernte Tumor war gutartig. Dreieinhalb Monate später feierte der Torhüter sein Comeback.

1860-Trainer Kosta Runjaic dachte vor dem Spiel noch über einen Torhüter-Tausch nach und wollte Stefan Ortega einsetzen. "Es ist denkbar, dass wir auf dieser Position rotieren", sagte Runjaic. Gegenüber dem 1:0-Erfolg gegen Bielefeld in der Liga nahm Runjaic nur eine personelle Änderung vor: Für den verletzten Außenverteidiger Filip Stojkovic rückte Fanol Perdedaj in die Startformation.

Nach der Pause tauchte dann der TSV 1860 immer wieder gefährlich vor dem Karlsruher Tor auf. Und nutzte seine wenigen Chancen. In der 60. Minute traf - wie schon gegen Bielefeld - Kapitän Stefan Aigner. Karim Matmour zog von der linken Außenbahn in Richtung Strafraum, ließ dabei zwei KSC-Spieler ins Leere laufen, und legte schließlich quer auf den aus Frankfurt zurückgekehrten Aigner. Der traf an seinem 29. Geburtstag zur etwas glücklichen Führung. Und obwohl der KSC nur sieben Minuten später den Ausgleich durch Dimitris Diamantakos erzielte, waren die Löwen nun die aktivere Mannschaft.

Angefeuert von 16 800 Fans war dem TSV 1860 in der Fröttmaninger Arena anzumerken, dass die Lust auf eine Verlängerung nur bedingt vorhanden war. "Wir sind auf dem Gaspedal geblieben. Wenn du mit dem 1:1 nicht zufrieden bist, sagt das schon viel über eine Mannschaft aus", lobte Zimmermann seine Vorderleute, die sich dann in letzter Minute belohnten. Wieder war es Aigner. Dieses Mal bereitete er in der 92. Minute für Matmour vor. "Ich hatte keinen Bock auf Verlängerung und dachte schon: Scheiße", sagte der glückliche Kapitän nach dem Spiel.

Trotz der Auszeichnung zum "Man of the Match" vergaß der Kapitän nicht, bei wem er sich zu bedanken hatte. "Wir können froh sein, dass wir einen wie ihn zwischen den Pfosten haben. Er ist ein sehr, sehr starker Keeper", Aigner ein paar Worte in Richtung seines Torhüters, der diesen Erfolg erst möglich gemacht hatte.

© Sz.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Bayern im DFB-Pokal
:Hummels ist Ancelottis neuer Trumpf

Der Bayern-Coach experimentiert beim beschwingten Pokalsieg in Jena mit mehreren Besetzungen seiner Abwehr - Mats Hummels ist zum Saisonstart nur eine Möglichkeit von vielen.

Von Christoph Dorner, Jena

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: