Dresdens Sieg im DFB-Pokal:Bier schlägt Brause

SG Dynamo Dresden - RB Leipzig 5:4 i.E.

Doppeltorschütze: Dresdens Stefan Kutschke jubelt nach dem Spiel.

(Foto: dpa)

Dynamo Dresden dreht nach einem 0:2 das Spiel gegen RB Leipzig im Elfmeterschießen. Die Dresdner wählen dabei ihre Schützen recht ungewöhnlich aus.

Von Javier Cacéres, Dresden

Das Thema, welches das Pokal-Duell zwischen dem Zweitliga-Neuling SG Dynamo Dresden und dem Bundesliga-Aufsteiger RB Leipzig überlagerte, war im Dresdner Stadion nur allzu präsent. "Tradition kann man nicht kaufen", hieß es, teils wörtlich, teils sinngemäß, auf einer ungeheuerlichen Menge an Transparenten, die vor allem im stramm gelben Fanblock der Dresdner hingen. Es gibt aber noch mehr als Tradition, was man nicht kaufen kann. Zum Beispiel: Charakter.

Die Mannschaft der SG Dynamo Dresden hat davon genug. Im dritten Pflichtspiel der Saison egalisierte Dresden zum dritten Mal einen Rückstand; an diesem Samstag gegen RB Leipzig sogar das 0:2, mit dem man in die Halbzeit gegangen war. Die Dresdner erzielten noch den Ausgleich, erzwangen letztlich die Verlängerung - und siegten nach 5:4 im Elfmeterschießen. Es war die Pokalsensation des Samstags. Und sie "war alles andere als unverdient", wie Dresdens Manager Ralf Minge zutreffend behaupten durfte.

Der Standard-Spezialist und Kapitän der Leipziger, Dominik Kaiser, vergab vom Elfmeterpunkt, der (nicht zum ersten Mal in dieser Saison) sonst eher unsichere Dresdner Torwart Marvin Schwäbe parierte Kaisers nur mäßig platzierten Schuss. Die Dresdner hingegen trafen ausnahmslos - obwohl Trainer Uwe Neuhaus unmittelbar vor dem Shoot-Out die Kontrolle über das Team entglitten war. Bei der Festlegung der Reihenfolge der Schützen hatte er nichts zu melden.

"Ich hatte keine Chance", sagte Neuhaus nach der Partie, weil Stürmer Pascal Testroet "ich Erster!" gerufen und damit eine Kettenreaktion an Willensbekundungen ausgelöst hatte. Marvin Stefaniak, Nils Teixeira und Akaki Gogia riefen "Zweiter!, Dritter!, Vierter!", dann folgte Aias Aosman. Auch dieser Offensivspieler hatte sich eigentlich für die Rolle des ersten Elfmeterschützen gemeldet, er verzichtete aber zugunsten von Testroet und verwandelte dann eben den letzten, entscheidenden Elfmeter. Die Eigenregie seines Teams machte Neuhaus stolz. "Das ist ein gutes Zeichen", sagte er.

Umstrittene Elfmeter entschieden die Partie

Dass es bei Temperaturen nahe der 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit, die Chicago im Sommer alle Ehre gemacht hätte, ein klassisch-packendes Pokalspiel wurde, hatte auch viel mit den Elfmeterentscheidungen des auch in kleinen Dingen recht unsouverän agierenden Fifa-Schiedsrichters Felix Brych zu tun. Nachdem die überaus dominanten Leipziger nach einer Viertelstunde durch einen Kopfball von Marcel Sabitzer in Führung gingen, auch dank der Hilfe von Dresdens Torwart Schwäbe, der nach einem Stellungsfehler Butterhände zeigte, entschied Brych unmittelbar vor der Pause auf Elfmeter für Leipzig. Bei einem Kopfball von Sabitzer war Manuel Konrad hochgestiegen und hatte den Ball aus nächster Nähe an die Hand bekommen, die er beim Sprung nach oben gerissen hatte. Kaiser verwandelte diesen Strafstoß sicher.

Wer weiß, was Brych dann in der Halbzeit sah. Ob er ins Grübeln kam, als er über das Handspiel reflektierte? Unmittelbar nach der Pause jedenfalls wirkte er wie ein zu Konzessions-Entscheidungen neigender Mann, als er wieder auf Elfmeter entschied, diesmal für Dynamo. Leipzigs Benno Schmitz und Dresdens Marvin Stefaniak waren zum Kopfballduell hochgestiegen; der vergleichsweise zartbrüstige Stefaniak kam nach einem Kontakt zu Fall, als er auf dem Weg zur Eckfahne war. Es war mindestens eine harte Entscheidung.

Dynamos Mittelstürmer Stefan Kutschke war das freilich einerlei. Er verwandelte sicher und brachte damit Dresden und das grandiose Publikum ins Spiel. "Das war Dynamo, wie es schöner nicht sein kann. Die Mannschaft wurde nach vorne gepeitscht", so Neuhaus. "Wir müssen uns an die eigene Nase fassen, dass wir uns in der zweiten Halbzeit haben so überraschen lassen", sagte hingegen Leipzigs Kapitän Kaiser. Doch das war nicht genug: In der 78. Minute war es dann wieder Kutschke, der nach einem Doppelpass zwischen Kapitän Marco Hartmann und Testroet aus 14 Metern zum 2:2 für Dynamo einschoss.

Allerlei Krämpfe zum Schluss

In der von Krämpfen der Spieler gezeichneten Schlussphase der Partie und auch in der Verlängerung hatte Leipzig durch Yussef Poulsen, Domink Kaiser, Timo Werner, Marvin Schwäbe und Sabitzer die besseren Chancen. Doch das Elfmeterschießen blieb unausweichlich - und damit der Sieg Dynamos, dessen Publikum ihn natürlich als Triumph der Tradition über ein neuartiges Fußball-Investmentprodukt namens RB Leipzig deutete.

Denn das war das andere, was am Samstagabend blieb: die durchaus feindselige, aber mehr von Ironie als von wirklichen Injurien getragene Atmosphäre im Stadion. Auch der Klub trug sie fleißig mit, auch nach dem Ende der Partie. Willige Helfer verteilten gelbe Shirts an die Mannschaft, ehe sie auf die Ehrenrunde ging. "Feldi statt Brause", war dort zu lesen - in Anlehnung an das örtliche Bier sowie den Sponsor der Leipziger. Wenn eins am Samstagabend feststand, dann dies: jenes würde in weit größeren Mengen durch sächsische Kehlen fließen als das koffeinhaltige Erfrischungsgetränk.

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