Fußball:Das System Löw: Gründe für eine Verlängerung

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Stockholm (dpa) - Der nächste Hunderter-Jubilar heißt Joachim Löw. Am 15. November in Mailand wird der Freiburger, den vor mehr als neun Jahren Jürgen Klinsmann faktisch aus der Fußball-Vergessenheit ins allgemeine Rampenlicht befördert hatte, zum 100. Mal als Bundestrainer auf der Bank sitzen.

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Stockholm (dpa) - Der nächste Hunderter-Jubilar heißt Joachim Löw. Am 15. November in Mailand wird der Freiburger, den vor mehr als neun Jahren Jürgen Klinsmann faktisch aus der Fußball-Vergessenheit ins allgemeine Rampenlicht befördert hatte, zum 100. Mal als Bundestrainer auf der Bank sitzen.

Dann schon mit einem neuen Vertrag, daran zweifelt niemand mehr in Deutschland. „100 ist natürlich eine imposante Zahl. Das kann man nicht planen. Und das hätte ich mit vor einigen Jahren nicht vorstellen können“, sagte Löw in Stockholm. „Es erfüllt mich mit Freude, wenn ich gerade gegen Italien die 100 vollmachen werde“, sagte der 53-Jährige.

„Weil er so gut und einfach die Viererkette erklären konnte“, hatte der Fußball-Revolutionär Klinsmann 2004 bei der Machtübernahme im DFB betont, als er Löw als seinen Assistenten, Cheftaktiker und Analytiker ins Team holte. Natürlich vereinfacht gesagt. Schon 2006 galt der Mann aus dem Schwarzwald als sportlicher Macher des WM-Sommermärchens im eigenen Land - danach übernahm er das Bundestraineramt von Klinsmann.

Inzwischen hat sich das System Löw weltweit nicht nur einen Namen gemacht, sondern ist für viele zum Vorbild geworden. „Seit er die Mannschaft nach der WM 2006 komplett übernommen hat, hat er das Team kontinuierlich in die Weltspitze geführt“, sagte Vizekapitän Bastian Schweinsteiger, ein Vertrauter des Trainers. Genau deshalb will DFB-Chef Wolfgang Niersbach unbedingt die Vertragsverlängerung um weitere zwei Jahre, unabhängig von der kommenden Titelmission in Brasilien im kommenden Sommer - es ist die vierte mit dem Bundestrainer Löw.

2008 scheiterte sein Team bei der EM an der Jahrhundert-Mannschaft Spanien im Finale. Zwei Jahre später entzückte seine junge deutsche Boy Group um Özil, Müller und Khedira bei der WM in Südafrika die ganze Welt, musste sich im Halbfinale wieder den Spaniern geschlagen geben. 2012 schien alles gerichtet für Löws ersten Titel. Doch es lief nicht optimal bei der EURO in Polen und der Ukraine, auch der Bundestrainer hatte seinen Anteil am Halbfinal-Aus gegen Italien.

„Erfolgreiches Abschneiden hängt ja nicht immer nur von der Platzierung ab. Sondern wie ist es insgesamt gelaufen, wie hat man gespielt, wie ist das Verhältnis zur Mannschaft“, sagte Löw jetzt in Schweden zu den Beurteilungs-Kriterien seiner Arbeit - auch bei der kommenden WM in Brasilien.

Der einstige Klinsmann-Assistent hat fraglos für neue Tendenzen im internationalen Fußball gesorgt: Er stellte die Qualitäten der Jugend beim Weltturnier in Südafrika über die der Erfahrung. Er prägte das offensive Verteidigen und den „Übergangsspieler“ im Mittelfeld, wie ihn beispielsweise der Münchner Toni Kroos interpretiert. Stammspieler „gibt es bei mir nicht“, sagte Löw dann immer öfter, was man inzwischen auch regelmäßig aus der Bundesliga hört.

Kleine, agile Akteure wie Mesut Özil, Marco Reus, Mario Götze oder jetzt Aufsteiger Max Kruse sind für ihn „unglaublich wichtig“ und zu Schlüsselspielern geworden. „Der Fußball hat sich seit 2006 verändert. Die Spieler sind technisch besser ausgebildet. Die Spieler sind mehr gefordert, auf ganz engem Raum mit hohem Tempo die Orientierung zu bewahren“, bemerkte der Stratege Löw dazu.

Löw übertreibe aber auch, wolle Fußballgesetze außer Kraft setzen, die nun mal den Fußball seit ewigen Zeiten prägen und so einfach machen, halten ihm seine Kritiker vor. Mal fehle ihm Mut, mal habe er zu viel, um den ganz großen Wurf zu schaffen. „Jedes Turnier bringt neuen Erfahrungen, neue Erkenntnisse. Welche Fehler hat man gemacht, welche Fehler muss man vermeiden“, bemerkte Löw.

Die DFB-Bosse und vor allem die Mannschaft setzen darauf. Das ist Löws mitentscheidender Grund, nochmal eine Amtszeit dranzuhängen als wichtigster Fußball-Lehrer des Landes: „Die Verantwortung und der Druck bleiben gleich, wenn Deutschland in ein Turnier geht.“

Von seiner teilweisen Sturheit ist der einstige U-21-Nationalspieler ein Stück abgerückt, auch wenn er seinen Prinzipien treubleibt. Ja, an der Defensive müsse man unbedingt noch arbeiten, räumte Löw nun mit Blick auf die WM am Zuckerhut ein - und auch vorne, der letzte Pass, die Laufwege im letzten Drittel, der konsequente Abschluss seien noch verbesserungsbedürftig. „In den vergangenen zwei, drei Jahren ist der Fußball noch schneller und intensiver geworden.“ Ballbesitz und Offensive sind Löws Credo.

„Entscheidet die fußballerische Qualität über den Titelgewinn im kommenden Jahr?“, wurde Schweinsteiger vor seinem 100. Länderspiel in Schweden gefragt. „Nein, dazu gehört mehr“, antwortete der Jubilar: „Mentalität. Charakter. Teamgeist. Und dazu dann die fußballerische Qualität.“ Fehlen noch die ganz speziellen Qualitäten des Trainers in dieser Aufzählung.

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