Werder Bremen:Ole Werner kann auch nicht alles erklären

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Warum läuft's grad nicht? Werder-Trainer Ole Werner am Seitenrand im Gespräch mit Christian Groß. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Das 1:2 gegen Hoffenheim erinnert bei Werder Bremen viele an die Abstiegssaison vor zwei Jahren. Bei der Suche nach Ursachen und Lösungen muss jetzt die Sachlichkeit des Trainers helfen.

Von Thomas Hürner, Bremen

Es gibt keine verlässlichen Zahlen darüber, ob sich die Bewohner der Hansestadt Bremen zuletzt vermehrt der Esoterik zugewandt haben. Unwahrscheinlich ist das jedenfalls nicht, denn irgendeine Erklärung muss es ja geben für dieses flaue Gefühl im Magen, das einfach nicht verschwinden will. Und allein an der im Dezember zu Ende gegangenen Grünkohlzeit kann's ja auch nicht liegen.

Das Gute ist, dass es für die Suche nach dem Auslöser weder Exorzisten noch ein Schamanen-Seminar braucht. Wenn es den Menschen am Osterdeich schlecht geht, dann ist ihr SV Werder daran meistens nicht ganz unbeteiligt. Die Frage ist nur: Wie wird man endlich dieses merkwürdige Gefühl wieder los, dass ein bisschen etwas an 2021 erinnert, obwohl der Kalender erwiesenermaßen das Jahr 2023 anzeigt und eine ganze Menge ganz anders ist als damals?

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Nun ja, ein Sieg würde helfen. Den gab es allerdings auch am Sonntag nicht, Werder verlor 1:2 gegen die abstiegsbedrohte TSG Hoffenheim. Damit bleiben die Bremer bei der in der Stadt weiterhin verhassten Marke von 31 Punkten stecken, die vor zwei Jahren nicht reichten, um in der Liga zu bleiben. Sind ja noch genug Spiele, könnten Optimisten jetzt einwenden. Unter geschichtsbewussten Hanseaten dürfte aber dieses Argument mittelschwere Stresssymptome auslösen. War ja auch geradezu gespenstisch damals, wie plötzlich und apodiktisch die Mannschaft im Frühjahr 2021 das Gewinnen verlernt hatte - und wie ratlos die Verantwortlichen wirkten, von denen seitdem sicher keiner eine Ausbildung zum Medizinmann absolviert hat.

Der geografisch nächstgelegene Schamanen-Lehrgang wird übrigens in Hamburg angeboten, und das dürfte Bremer eher skeptisch stimmen: Welche in Hamburg gesammelten Erfahrungen könnten schon etwas zu einer stabilen Erstliga-Zugehörigkeit beitragen?

Nein, die Bremer müssen es mit Sachlichkeit versuchen, weshalb es für sie eine gute Nachricht ist, dass ihr Trainer Ole Werner locker zu den 100 sachlichsten Deutschen zählen dürfte. Er ließ sich auch am Sonntag nicht von den nach bösen Geistern und bitterböser Metaphysik fragenden Journalisten aus der Reserve locken. Klar, sagte Werner, alles könne er auch nicht erklären. Zum Beispiel, warum die Mannschaft zu Beginn der zweiten Hälfte eine ihrer mittlerweile fast schon institutionalisierten Schwächephasen durchlebte, in der sie sich innerhalb kurzer Zeit die Gegentreffer durch Andrej Kramaric (50. Minute) und Christoph Baumgartner (52.) einfing. Ein wiederkehrendes Phänomen, das mutmaßlich die Punkte Nummer 32 bis 38 gekostet hat.

"Und genau den gleichen Fehler machen wir dann gleich zwei Mal."

Werder schafft es zwar konstant, auch qualitativ besser besetzten Mannschaften auf Augenhöhe zu begegnen, was ein himmelweiter Unterschied zur Abstiegssaison vor zwei Jahren ist. Aktuell werden die Ergebnisse aber immer wieder durch vermeidbare Nachlässigkeiten in der Defensive torpediert. "Wir haben kurz darüber gesprochen, dass wir jetzt hellwach sein müssen und den gleichen Fehler wie in der Vergangenheit nicht noch einmal machen dürfen", sagte der Bremer Abwehrchef Marco Friedl. "Und genau den gleichen Fehler machen wir dann gleich zwei Mal." Beide Hoffenheimer Treffer entstanden durch Flanken, die die Bremer erst nicht verhinderten und gegen die sie danach schlecht verteidigten. Ein biederes Spiel bekam damit einen Gewinner spendiert, der zwar optisch ebenbürtig wirkte, aber in nahezu allen relevanten Statistiken (Ballbesitz, Torschüsse, Zweikampfquote) unterlegen war.

Mit Niclas Füllkrug steht und fällt die Gemütslage beim SV Werder. (Foto: Burghard Schreyer/Kolbert-press / imago)

Es ist aber nicht nur das fragile Sicherheitskonzept, das dazu beiträgt, dass die Werner-Elf einiges von ihrer Hinrunden-Aura eingebüßt hat. Auch die oft späten, mitunter spielentscheidenden Tore aus dieser Saisonphase lassen sich nicht in Serie reproduzieren. Am Sonntag schaffte Werder durch den eingewechselten Amos Pieper (76.) noch den Anschlusstreffer, und der ebenfalls für die Schlussoffensive gekommene Maximilian Philipp steuerte einen Flachschuss bei, der vor ein paar Wochen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über die Linie gegangen wäre. Im Frühjahr 2023 knallt so einer halt an den Pfosten.

"Wir können uns nicht drauf verlassen, dass die da vorne zwei bis drei Tore schießen", monierte Friedl. Damit waren die Stürmer Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch gemeint, die an guten Tagen weiterhin prächtig harmonieren. Im Frühjahr 2023 sind aber auch diese Tage ein bisschen seltener geworden. Und der Sonntag fiel schon mal nicht in diese Kategorie, weil das Werder-Duo permanent vom hochgewachsenen TSG-Verteidigertrio John Anthony Brooks, Kevin Akpoguma und Kevin Vogt umzingelt war, das jeden Ball herausbugsierte, den die Bremer in den Strafraum chippten.

"Wir drehen uns im Kreis", sagte Ole Werner noch, der sich bei seiner Analyse niemals hinter finsteren Mächten verschanzen würde. 2021 haben die Bremer allerdings etwas gelernt, was auch 2023 noch von Bedeutung ist: Wer nicht vorwärtskommt, läuft Gefahr, dass die Konkurrenz irgendwann vorbeizieht. So unrealistisch das acht Spiele vor Saisonende auch noch erscheinen mag.

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