Fußball-Bundesliga:Trainer sind die neuen Spieler

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Herzlich wie selten unter Kontrahenten: Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann wird von seinem Freiburger Kollegen Christian Streich (rechts) begrüßt. (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Auch Fußball-Lehrer werden inzwischen gescoutet und aus Verträgen gekauft. Das ist ein längst überfälliger Trend - und löst in der Branche ein mächtiges Beben aus.

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Armin Veh hat mal erzählt, dass er einen Container besitzt. Man weiß nicht genau, wo dieser Container steht, rund um Augsburg wahrscheinlich, wo Veh seit Jahren trotzig wohnt, obwohl er regelmäßig in Hamburg, Frankfurt oder Stuttgart auf Montage ist. Wenn man es sich recht überlegt, wäre Vehs Container ein Spitzen-Exponat fürs deutsche Fußballmuseum: Vehs Container steht für die historische Epoche, in der die immer gleichen Trainer auf gepackten Containern saßen. Und wenn sie dann mal wieder von Frankfurt nach Hamburg oder Stuttgart wechselten, haben sie ihre Übergangsmöbel aus dem Container geholt und sie in jenes zufällig gerade frei gewordene Haus am Stadtrand geräumt, aus dem der Vorgänger soeben ausgezogen war. Und nicht selten, vielleicht sogar häufig war dieser Vorgänger vor kurzem selber noch der Nachfolger, bei einem anderen Klub, in einer anderen Stadt.

Natürlich hätte Bayer Leverkusen jetzt auch Armin Veh holen können, das wäre doch ein tadelloses Bild gewesen: Armin Veh neben Rudi Völler. Ausgezeichnet hätte man da ein Mikrofon reinhalten und mithören können, wie sich zwei lässige Routiniers in Waldorf & Statler-Manier ein bisschen lustig machen über dieses moderne Taktik-Zeugs. War Taktik früher nicht bloß eine Krücke für Spieler, die ums Verrecken nicht kicken können?

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Ja, vielleicht hätte Veh sogar gepasst: Er mag ja Spieler, die schon von sich aus kicken können, und davon gibt's in Leverkusen einige. Und die Leverkusener hätten Zeit gewonnen mit dem Trainer Veh, der sowieso nur Einjahres-Verträge unterschreibt. Vielleicht wäre in einem Jahr dann ein anderer Coach auf dem Markt gewesen, vielleicht sogar einer von denen, mit denen man aktuell nicht zusammen kam, also Favre, Tuchel, Wagner oder Bosz. Aber nein: Selbst der Klub des konservativen Rudi Völler hat jetzt Heiko Herrlich genommen - einen Trainer, bei dem man entschieden bezweifeln muss, dass er einen Container besitzt.

Es ist eine Erkenntnis dieses Freitags, an dem die von der Deutschen Fußball Liga (DFL) zertifizierten Seismografen ein mächtiges Trainer-Beben einfingen: Interessante Trainer lassen sich heute auch dann noch finden, wenn man zuvor ein paar Körbe kassiert hat. Man muss nicht zwingend die Containerbesitzer konsultieren, man landet nicht mehr automatisch bei Veh, Labbadia oder Slomka. Zwar ist der Trend zum jungen Entwicklertrainer nicht neu; recht neu ist aber die Radikallogik, der solche Trainerwechsel inzwischen folgen. Auf so was Lästiges wie den Markt müssen die Klubs dabei kaum mehr Rücksicht nehmen; es kann Leverkusen, Schalke oder Dortmund enorm egal sein, ob Heiko Herrlich, Domenico Tedesco oder Peter Bosz noch an Regensburg, Aue oder Amsterdam gebunden sind. Zu haben sind sie in jedem Fall.

Es ist der neueste, längst überfällige Trend: Trainer sind die neuen Spieler. Auch Trainer werden jetzt gescoutet und aus Verträgen gekauft, wenn sie zweimal aufgestiegen sind (Herrlich) oder drei gute Monate in der zweiten Liga hinter sich haben (Tedesco). Auch Trainer haben jetzt Klauseln in den Verträgen und sie haben Berater, die diese Klauseln in die Verträge hinein schreiben. Auch Trainer können das jetzt sagen: dass sie "den nächsten Schritt machen" wollen, bei einem größeren Klub, in einer größeren Stadt.

Am Freitag kam noch die Meldung, dass Hoffenheim den Vertrag mit Trainer Julian Nagelsmann, 29, bis 2021 verlängert habe. Auch das ist astreine Spielerlogik: Denn das bedeutet natürlich nicht, dass der junge Mann bis 2021 bleibt. Sondern, dass er seinem Klub noch mehr Ablöse einbringt, wenn er mal geht - falls er nicht ohnehin eine Klausel besitzt.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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