Fußball-Bayernliga:Vier Punktspiele in 19 Monaten

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Neu im Trikot des ATSV Erlangen: Philip Messingschlager (rechts) ist einer von drei regionalligaerfahrenen Zugängen aus Bayreuth. (Foto: Wolfgang Zink/Sportfoto Zink/imago)

Nach langer Corona-Pause und Abbruch starten die Fußball-Bayernligen in die neue Saison - mit Verstärkten, Verstimmten und Verblüffenden.

Von Stefan Galler, Christoph Leischwitz und Sebastian Leisgang

An diesem Wochenende starten die beiden Staffeln der Fußball-Bayernliga in ihre neue Saison. Nach der auf zwei Jahre ausgedehnten und dann doch abgebrochenen Spielzeit 2019/21 soll endlich wieder ein regelmäßiger Betrieb klappen. Eine Vorhersage ist alles andere als einfach - nach anderthalb Jahren fast ohne Punktspiele. Dennoch gibt es Favoriten: Im Norden zählen der ATSV Erlangen und die DJK Vilzing zu den Aufstiegsaspiranten, im Süden werden der Vorjahreszweite FC Deisenhofen und der prominent verstärkte SV Donaustauf hoch gehandelt. Doch nicht nur auf die vermeintlich dicksten Fische lohnt sich ein Blick.

TSV Karlburg

Wenn die Metapher des gallischen Dorfes nicht so runtergewohnt wäre, dürfte es als ziemlich gute Idee durchgehen, wenn man sie für Karlburg hernehmen würde. Im Grunde ist Karlburg ja genau das: ein kleiner Ort, in dem sie eine aufmüpfige Truppe zusammengetrommelt haben, um mit vereinten Kräften die Großen herauszufordern. "Wir sind keine Gladiatoren, die die Duelle einfach so für sich entscheiden. Wir müssen gallisch sein", sagt jedenfalls Markus Köhler, Karlburgs Trainer.

Seine Mannschaft geht ins zweite Bayernliga-Jahr, aber ein bisschen unwirklich fühlt es sich für Karlburg immer noch an, fünftklassig zu sein. "Wir haben viele Zuschauer, die begeistert sind, was für Gegner hierher kommen", sagt Köhler. Für einen Verein wie seinen ist es ja eine große Sache, wenn auf einmal frühere Zweitligisten wie Bayern Hof oder der Würzburger FV in dem kleinen Ort knapp 30 Kilometer nördlich von Würzburg vorbeischauen.

2018 kämpften die Karlburger noch gegen den Abstieg aus der Landesliga. Nur ein Jahr später stiegen sie dann mit einem nahezu unveränderten Kader auf. Und sie schafften dann den Klassenverbleib - es gab in der Corona-Saison nur einen direkten Absteiger. Karlburg holte in 25 Spielen nur 14 Punkte. Weil es Viktoria Kahl aber bloß auf neun Zähler brachte, blieb der TSV in der Liga. Jetzt kündigt Köhler an: "Wir werden wieder versuchen, für Überraschungen zu sorgen." Die Römer hinterlistig zu überraschen, das ist ja die Paradedisziplin der Gallier.

ATSV Erlangen

Jörg Markert geht in die Offensive. "Wir wollen unter die ersten Fünf kommen", sagt der Abteilungsleiter des ATSV Erlangen. In der abgebrochenen Corona-Saison hat es für die Mittelfranken zwar nur für Rang zehn gereicht, doch jetzt haben sie die Regionalliga ins Visier mitgenommen. In Alexander Piller, Christopher Kracun und Philip Messingschlager sind drei Spieler mit der Erfahrung von rund 450 Regionalliga-Einsätzen aus Bayreuth nach Erlangen gekommen.

"Wenn unsere jungen Spieler reif genug sind, wird es irgendwann mit der Regionalliga klappen", sagt Markert - wobei er mit "irgendwann" die nächsten drei Jahre meint. Für diesen Zeitraum ist das Projekt angelegt. "Den ersten Schritt haben wir schon gemacht, indem wir uns verstärkt haben."

In Sachen Etat liege der ATSV eher im Mittelfeld der Bayernliga. Wie aber ist es dann machbar, sich derart zu verstärken? "Das liegt zum einen an der langjährigen Beziehung, die wir zu Alexander, Christopher und Philip aufgebaut haben", sagt Markert, "und zum anderen an persönlichen Gründen. Die drei wollen ihre Prioritäten in Zukunft anders setzen." Aber auch mithelfen, Erlangen dorthin zu bringen, wo sie selbst gerade hergekommen sind.

DJK Vilzing

Jetzt ist also mindestens ein weiterer Anlauf nötig. "Wir wollen das große Ziel verfolgen, den Aufstieg zu schaffen", sagt der Sportliche Leiter Roland Dachauer dann auch unumwunden. Da sind sie bei der DJK Vilzing ziemlich stur. Vergangene Saison hatten die Schwarz-Gelben aus dem Stadtteil von Cham schon die Unterlagen für die Regionalliga beantragt, doch bekanntlich blieb es erst einmal beim Status des Dauer-Aufstiegsfavoriten, weil Relegationsspiele für die Tabellenzweiten abgesagt wurden. "Wir haben das versucht, so schnell wie möglich abzuhaken", sagt Dachauer.

Um sich so gut wie möglich für die nächste Favoritensaison zu rüsten. Nach dem Winterzugang Jim-Patrick Müller von der SpVgg Unterhaching kamen im Sommer drei weitere Verstärkungen. Nach fünf Jahren in der Bayernliga Süd steht nun der dritte Versuch an, sich in der Nordstaffel durchzusetzen. Und auch, wenn diese Nordgruppe qualitativ nicht ganz so stark eingeschätzt wird wie die Süd-Konkurrenz, so glaubt Dachauer trotzdem nicht, dass das "große Ziel" nun leichter zu erreichen ist: "Das Gefälle im Norden ist größer", sagt er, in Sachen Spitzenteams nehme man sich aber nicht viel.

VfR Garching

Ein bisschen verstimmt sind sie immer noch über ihren Abstieg aus der Regionalliga, die Fußballer des VfR Garching. Immerhin bestritt in dieser gestreckten und dann doch verkürzten Saison 2019/21 kein Team weniger Spiele, dazu wurden ihnen auch noch die Punkte aus dem überraschenden Sieg im Sommer 2019 gegen Türkgücü gestrichen, weil der Gegner ab Juli 2020 eine Etage höher spielte. Die Berufung gegen den Abstieg blieb erfolglos, so dass es jetzt mit runderneuerter Mannschaft in der Bayernliga weitergeht.

Doch der VfR-Vorsitzende Uwe Cygan hat auch gute Nachrichten, etwa dass das Stadion am See durch Fördermittel des Bundes in den kommenden Jahren runderneuert wird. Die Tribünenkonstruktion wird saniert, es soll ein neues Flutlicht, eine neue Laufbahn und neue Vereinsräume geben. Die Klubfinanzen sind durch einen "strikten Sparkurs" absolut solide, sagt Cygan: "Wir wollen uns in der Bayernliga etablieren, sollte etwas gehen, würden wir natürlich auch nach oben angreifen."

Allerdings bleibt abzuwarten, wie Trainer Benjamin Flicker, 34, der die Mannschaft schon seit fast 19 Monaten trainiert, aber erst in vier Punktspielen gecoacht hat, das Team nach dem Karriereende von Kapitän Dennis Niebauer aufstellt. Der neue Spielführer ist dessen Bruder Mike Niebauer. Flickers verlängerter Arm auf dem Spielfeld soll der frühere Drittligaspieler Stephan Thee sein, der aus Pipinsried kam.

"Ein Hammer auf den Kopf": Der FC Deisenhofen mit Trainer Hannes Sigurdsson verpasste den Aufstieg durch den Saisonabbruch. (Foto: N.P.JØRGENSEN)

FC Deisenhofen

Seinen eigenen Klub zum Aufstiegsfavoriten zu küren, das kommt Franz Perneker nicht in den Sinn. Der Sportliche Leiter des FC Deisenhofen bleibt zurückhaltend und schiebt die Rolle des Meisterschaftsanwärters an den SV Donaustauf weiter: "Dort wo die drei Ex-Profis haben, spielen bei uns drei Teenager." Man sei nach nicht einmal einer kompletten Saison in der Bayernliga erst noch auf dem Wege, sich dort zu etablieren. Dass es beinahe mit dem Durchmarsch in die Regionalliga geklappt hätte, will Perneker nicht zu hoch hängen. Letztendlich scheiterte man nur am Votum der Fußballvereine in ganz Bayern, die sich beim Saisonabbruch in einer Umfrage gegen die Relegation aussprachen, womit Deisenhofen als Tabellenzweiter der Bayernliga Süd eben keine Chance auf den Aufstieg mehr hatte.

Allerdings waren sie in der Münchner Landkreisgemeinde Oberhaching nicht untätig und hatten schon im vergangenen Dezember vorsorglich im Rahmen einer Crowdfunding-Aktion 30000 Euro für die Regionalliga-Auflagen eingesammelt, speziell für die Anschaffung mobiler Tribünen. "Es war ein enormer Kraftakt mit hunderten von ehrenamtlichen Arbeitsstunden", sagt Perneker. Dass es dann doch nichts wurde mit der Regionalliga, sei "ein Hammer auf den Kopf" gewesen.

Sportlich haben sie die Voraussetzungen noch ein bisschen optimiert, der frühere isländische Nationalspieler Hannes Sigurdsson ist weiterhin Trainer, der gesamte Kader wurde gehalten und punktuell - vor allem quantitativ - verstärkt. In der neuen Saison gilt es laut Perneker dennoch in erster Linie, sich von den unteren Tabellenregionen fernzuhalten. "Und wenn wir im November unter den ersten Fünf sind, reichen wir die Lizenzunterlagen eben wieder ein."

SV Donaustauf

Doch, doch, die Pandemie hat auch beim SV Donaustauf Spuren hinterlassen. "Unsere Brasilianer dürfen nicht mehr einreisen", sagt Matthias Klemens, der Geschäftsführer der Fußball-GmbH beim SV Donaustauf. Für einen lohne es sich, einen Kaderplatz freizuhalten. Doch Klemens, der eine Firma für Altbausanierung betreibt, hatte keine Probleme, Nachschub im Inland zu besorgen. Der Favorit der Bayernliga Süd ist ein Beweis dafür, dass es selbst in diesen Zeiten der Ungewissheit noch Vereine gibt, die aufstocken können: Der Kader liest sich schon jetzt wie aus der Regionalliga. In Christoph Rech und Alexander Zischler kommen Leistungsträger vom FC Pipinsried, der den Aufstieg bereits bewältigt hat. Lucas Hufnagel von der SpVgg Unterhaching, der seine Profikarriere beendet hat, "ist der stärkste Mann bei uns, der macht den Unterschied", schwärmt Klemens. Noch dazu hat Hufnagel einen weiteren Hachinger Mittelfeldspieler, Paul Grauschopf, mitgebracht.

So stellt sich unweigerlich die Frage, wie groß der Erfolgsdruck auf die Spieler ist, und vor allem: auf Trainer Faruk Maloku, der im Vergleich zu manchem Vorgänger beim SV über recht wenig Erfahrung verfügt. "Wir haben ja einige verschlissen in den vergangenen Jahren", räumt Klemens ein. Jetzt habe man aber klar signalisiert, sich Zeit nehmen zu wollen. Was jedoch bestimmt nicht heißt, dass die Tabellenspitze in allzu weite Ferne rücken darf.

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