Funktionär im Weltschwimmverband:Kernkompetenz: dubios

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"Zehn Prozent gehen an uns, acht Prozent an sie" - diese Forderung an eine Sportagentin bringt Fina-Vizepräsident Husain al-Musallam in Erklärungsnot. (Foto: Zsolt Szigetvary/AP)
  • Husain al-Musallam soll als neuer Chef des Weltschwimmverbandes aufgebaut werden - obwohl sich der Strippenzieher aus Kuwait ständig in neue Affären verstrickt.
  • Der Fall zeigt auch, wie tief Drahtzieher der Fifa und des IOC in andere Weltverbände vernetzt sind.
  • Sogar Kuwaits Schwimmverband protestiert gegen al-Mussalams Kandidatur.

Von Thomas Kistner

Nicht nur im internationalen Fußballsumpf nehmen die Ermittlungen der US-Justiz gerade wieder Fahrt auf. Auch die Präsidentenwahl des Schwimm-Weltverbandes Fina, die am Samstag am Rande der Weltmeisterschaften in Budapest stattfindet, wird von Korruptionsvorwürfen überschattet. In Budapest wollen Spitzenfunktionäre, orchestriert von IOC-Mitgliedern, in Husain al-Musallam einen neuen Fina-Chef aufbauen - obwohl sich der Strippenzieher aus Kuwait ständig in neue Affären verstrickt.

Auffällig ist dabei, wie sich die Fifa-Affäre ("Fifa-Gate") längst auch mit anderen Sportbereichen vernetzt. Im Fußball wurde am Dienstag der erste Vizepräsident des Weltverbandes Fifa, Angel Maria Villar Llona, wegen Korruptionsverdachts inhaftiert. Und bereits Ende April, als Richard Lai, ein Kollege des Spaniers Villar Llona im Fifa-Rat, Korruptions- und Geldwäschedelikte gestand, publizierte die US-Justiz eine Anklageschrift, in der sie vier "Mitverschwörer" Lais aus der Golfregion beschrieb. Darunter den Fifa-Ratsherrn Scheich Ahmed al-Sabah, der umgehend das Fifa-Amt niederlegte - und eben auch al-Mussalam, al-Sabahs rechte Hand.

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850 000 Dollar sollen laut der US-Anklage als Zahlung der Kuwaiter an den Fifa-Mann Lai geflossen sein. Im Pressetext drohte die US-Justiz allen Beteiligten, sie werde deren Zahlungen "durch alle Finanzsysteme und Offshorebereiche in Asien, Mittelost und rund um den Globus" verfolgen. Bereits die Klassifizierung als "Mitverschwörer" müsste al-Mussalam eigentlich für ein hohes Amt disqualifizieren.

Mitschnitt über Geldflüsse

Nun gibt es weitere Spuren, und auch die neuen Vorwürfe - am Mittwoch von der Londoner Times, Spiegel online und dem Branchenorgan SwimVortex präsentiert - basieren laut der britischen Zeitung auf Ermittlungen des FBI zu al-Sabah und al-Musallam. Demnach soll der 57-Jährige, der auch Generaldirektor des Olympischen Rats von Asien (OCA) unter Präsident al-Sabah ist, eine "Kommission" von einer chinesischen Marketingagentin gefordert haben, die auf Privatkonten fließen sollte. Dies gehe aus einem 20-minütigen Audio-Mitschnitt zu dem Geschäftsgespräch hervor, der den Medien vorliege. "Zehn Prozent gehen an uns, acht Prozent an sie", soll al-Musallam erklärt haben, zudem habe er der Agentin zur Gründung einer Firma in Hongkong geraten, um abgezweigte Beträge verbuchen und vertuschen zu können.

Das OCA zweifelte die Authentizität des Mitschnitts nicht an, behauptete aber, das Material werde für eine Kampagne benutzt, um die Fina-Wahl am Samstag zu beeinflussen. Bei Sponsorendeals flösse keinerlei Geld an OCA-Funktionäre. Al-Mussalam äußerte sich vorerst nicht zu den Vorwürfen, unterstützte dann aber die These einer Kampagne, die gegen ihn laufe. Die FBI-Anschuldigungen in der Causa Lai hatte er strikt zurückgewiesen, ebenso wie sein Chef al-Sabah.

Es wird ernst - auch für die Fifa und das Internationale Olympische Komitee. Und es wird immer merkwürdiger. Denn je deutlicher ihre Vernetzungen in den Weltsport-Sümpfen zutage treten, desto mehr halten sich Fifa und IOC zurück. Angeblich, hieß es von letzterem, soll der Fall al-Musallam den IOC-Ethikern vorgelegt werden. Die aber erweisen sich seit langem als Alibi-Instanz. So, wie es künftig auch die per Handstreich neu bestellten Ethiker-Kollegen in der Fifa sein dürften.

Al-Sabah und al-Mussalam haben in der olympischen Welt wenig zu befürchten. Sie siedeln auf der höchsten Stufe der Sportmacht, in Rufweite von IOC-Boss Thomas Bach - dessen Thronkür das Duo aus Kuwait massiv befördert hatte. Scheich al-Sabah gilt als der Königsmacher schlechthin im Sport, der OCA-Chef ist auch Herr über alle Nationalen Olympischen Komitees dieser Welt (Anoc) sowie über den begehrten, eine halbe Milliarde Dollar schweren IOC-Entwicklungstopf. Auch in dieser Geldverteiler-Kommission sitzt sein Getreuer al-Musallam. Doppelt hält besser.

Wie enorm der Einfluss des Duos ist, wird sich in Budapest zeigen. Al-Musallam will als erster Vizepräsident bestätigt werden, bereitet aber mit einer Allianz aus IOC-Leuten schon die Throneroberung vor. Die Wahl soll zwar am Samstag wie üblich auf den Amtsinhaber fallen, den 81 Jahre alten Julio Maglione aus Uruguay, dem bei Pressekonferenzen schon mal die Augen zufallen. Als still verabredet gilt aber, dass al-Musallam das Zepter in zwei Jahren übernimmt. So läuft das in Olympias Kernsportarten, wo etwa Magliones langjähriger Chefkollege in der Leichtathletik, der 84 Jahre alte Senegalese Lamine Diack, seit 2015 in Frankreich unter Hausarrest ist, während Interpol seinen Sohn jagt.

Die Fina-Turbulenzen offenbaren das Dilemma des Weltsports. Ein Verbandschef, der seit drei Dekaden auf Vorstandsebene so lax mit der Dopingfrage umgeht, dass erst kürzlich sein Antidoping-Expertenrat zerbrach - aus Protest gegen Magliones "Ignoranz". Wissenschaftler aus Kanada, Australien und den USA hatten sich gegen die Zulassung russischer Schwimmer zu den Sommerspielen 2016 in Rio gestemmt, die Fina aber winkte 30 von 37 Nominierten durch - trotz des McLaren- Reports zum Russland-Doping, und trotz spezieller Hinweise auf manipulierte Tests auch bei der Schwimm-WM 2015 in der russischen Stadt Kasan.

Das IOC hat Kuwait 2015 gesperrt, aber Strippenzieher von dort sind Thomas Bach willkommen

Maglione sitzt im IOC. Dort braucht es Figuren wie ihn, der Wladimir Putin 2014 den Fina-Orden umhängte, für dessen "Beitrag zur Brüderlichkeit zwischen den Nationen". Und wenn solche Granden abtreten? Dann wird trickreich die Kontinuität gesichert. Um den umstrittenen al-Mussalam auf den Thron zu hieven, bedarf es einer weiteren Amtszeit des alten Mannes aus Uruguay - der dafür mal kurz die Satzung ändern ließ. Kein Problem für sein Stimmvolk, Verbände Afrikas und Asiens.

Gegen die Lex Maglione klagte der Herausforderer Paolo Barelli, Chef des Europaverbandes LEN. Aber der Italiener scheiterte vorm Sportgerichtshof Cas. Und kaum hatte er jetzt in seinem Wahlprogramm Transparenz und Millionen-Zuschüsse für die Nationalverbände versprochen, fand er heraus, dass die Spitzen des Afrika-Verbandes Cana seine Entwicklungsidee aufgriffen und selbst 15 000 Dollar für jeden Nationalverband versprachen. "Ich freue mich sehr über diesen plötzlichen Richtungswechsel", ätzte Barelli via Website, "frage mich aber: Wer genau verspricht hier wahllos Bargeld für die Stimmen?"

Offen wird von Stimmenkauf gesprochen, nicht nur Barelli ist unklar, woher Cana die Mittel beschaffen will. Gut erkennbar hingegen ist, dass sich der Italiener mit einer Allianz aus IOC-Mitgliedern herumschlagen muss: Cana-Boss Sam Ramsamy sitzt ebenso im Olymp wie Maglione und al-Mussalams Boss al-Sabah.

Die Absurdität der Machtspiele im Weltsport zeigt eine weitere Ungereimtheit. Kuwaits Sport ist seit 2015 suspendiert; die Regierung hatte in die von al-Sabah/al-Musallam gesteuerten Belange eingegriffen, wofür es Anlass gab, was im IOC aber einen Bann zur Folge hat. Schon in Rio 2016 mussten Kuwaits Athleten unter der IOC-Flagge starten, in Budapest soll es die Fina-Fahne sein. Aber für die Funktionäre gilt der Bannstrahl nicht: Al-Musallam darf Weltverbandschef werden, al-Sabah regiert alle NOKs dieser Sportwelt - obwohl sein eigenes seit 2015 gesperrt ist.

Sogar Kuwaits Schwimmverband protestiert gegen al-Mussalams Kandidatur. Aber das IOC spielt hinter den Kulissen offenbar auf Seiten zweier Schattenmänner, die nicht nur in der Fifa-Gate-Affäre noch eine spannende Rolle spielen dürften.

© SZ vom 20.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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