French Open:Die Zwickmühle der Zwangspause

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Schadensbilanz: Alexander Zverev verlor sein Erstrunden-Match gegen den Spanier Fernando Verdasco 4:6, 6:3, 4:6, 2:6 - und seinen Schläger. (Foto: Michel Euler/AP)
  • Von 13 gestarteten Deutschen erreichten nur zwei die zweite Runde des Turniers.
  • Frauen-Bundestrainerin Barbara Rittner hofft auf einen Neustart beim Wechsel auf die Rasensaison.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Natürlich war Philipp Kohlschreiber enttäuscht, man bereitet sich ja nicht eine halbe Woche lang vor, um dann in 1:51 Stunden gebeutelt zu verlieren. "Seine Aufschläge waren sehr dominant. Ich war vom Level noch nicht so weit, um Nick in Bedrängnis zu bringen", bekannte Kohlschreiber, der am Dienstag im Auftaktmatch vom Australier Nick Kyrgios 3:6, 6:7 (4), 3:6 rasiert worden war. "Die letzten drei Wochen waren sehr unbefriedigend", sagte der viele Jahre beste Deutsche, inzwischen auf Rang 43 der Weltrangliste abgerutscht; er bezog sich auf seine Erstrundenniederlagen in Barcelona und Madrid, in Rom passte er wegen einer Fußverletzung.

Aber Kohli, so sein Spitzname, wäre nicht Kohli, hätte er zumindest nicht einen Stimmungsaufheller parat: "Die letzten Tage waren optimal", betonte er fröhlich und meinte: seine Trainingssessions mit Rafael Nadal, dem neunmaligen Champion in Paris, und mit dem Österreicher Dominic Thiem, im vergangenen Jahr im Halbfinale von Roland Garros.

Die schlechteste Statistik seit neun Jahren

Dass Kohlschreiber nicht völlig von der Pleite gegen den Weltranglisten-18. Kyrgios überrascht war, belegte die Tatsache, dass er vorab um eine Wildcard für ein Challenger-Turnier in Proßnitz, Tschechien, angefragt hatte, auf Sand. Um die Zeit bis zum Rasenturnier in Stuttgart (ab 12. Juni) zu überbrücken. Die Crux nur: Entweder sammelt er Matchpraxis, was zu Lasten der Vorbereitung auf Gras geht. Oder das Warten auf Stuttgart wird eine zähe Sache, "ich will ja nicht nur rumhängen", sagte Kohlschreiber. Seine Schlussfolgerung: "Irgendeinen Tod muss ich sterben."

Das war quasi das Bonmot zur Lage des deutschen Tennis. Kohlschreiber ist nicht der Einzige, der nun in einer Zwickmühle der Zwangspause steckt. "Wenn ich das höre, ist das für das deutsche Tennis nicht so der Knaller", sagte Carina Witthöft, als sie am Montagabend erfuhr, dass sie bisher die einzige siegreiche Deutsche war. Zu dem Zeitpunkt waren fünf Profis rausgegangen. Dabei war Witthöft Außenseiterin gegen die gesetzte Amerikanerin Lauren Davis, und sie hatte Adduktorenprobleme. "Hart wie Stahlseile" seien die Muskeln gewesen, sagte sie.

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Selbst der Zustand der Fahnenhochhalterin passte indes ins Bild: Aus irgendeiner Fügung heraus haben fast alle deutschen Spieler diesmal Wehwehchen oder größere Sorgen. Körperlich die einen, mental die anderen. Manche beides zusammen. In der Statistik liest sich das düster - so düster wie seit neun Jahren nicht mehr. Seit 2008 hatten bei allen vier Major-Turnieren stets fünf Deutsche die zweite Runde erreicht - in Paris sogar mindestens sechs. Das ist nicht mehr zu schaffen, obwohl Tatjana Maria am Dienstagnachmittag die Bilanz schönte mit ihrem 6:4, 6:1-Erfolg gegen die Chinesin Duan Ying-Ying.

Von 13 gestarteten Deutschen erreichten elf nicht die zweite Runde; es verloren noch Dustin Brown (4:6, 5:7, 0:6 gegen den Franzosen Gaël Monfils), Annika Beck (2:6, 4:6 gegen die Lettin Anastasia Sevastova) und Jan-Lennard Struff (1:6, 1:6, 6:4, 4:6 gegen den Tschechen Tomas Berdych). Das deutsche Untergehen begann bereits in der Qualifikation. Von sechs Spielern schaffte es niemand ins Hauptfeld, von zwei Frauen auch keine. Die Reise nach Jerusalem setzte gleich mit der Pleite von Angelique Kerber gegen die Russin Ekaterina Makarowa ein, einer nach dem anderen verabschiedete sich, jeder mit seiner eigenen Geschichte.

Florian Mayer steckt mit 33 Jahren wohl in seiner Abschiedssaison, er war gegen den Spanier Pablo Carreno Busta chancenlos. Mischa Zverev war gegen den Italiener Stefano Napolitano müde, nachdem er noch am Samstag das Finale in Genf gegen Stan Wawrinka verloren hatte. Julia Görges war krank gegen US-Profi Madison Brengle angetreten. Andrea Petkovic ist weiter auf der Suche nach der "alten Andrea", wie sie sagte, sie arbeitet erstmals, mit 29, mit einem Sportpsychologen. Nun fühlt sie sich "wie eine 19-Jährige", zumindest will sie ihren früheren Geist wecken, der sie so oft siegen ließ.

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Bei ihrer Dreisatz-Niederlage gegen die Amerikanerin Varvara Lepchenko zeigte sie tatsächlich Biss. Mona Barthel schied 0:6, 4:6 gegen die letztjährige Paris-Viertelfinalistin Zvetana Pironkova (Bulgarien) aus. Am Dienstag untermauerte dann auch Vorzeigeathlet Alexander Zverev die unerfreuliche Nationen-Bilanz. Der 20 Jahre alte Hamburger, mit dem furiosen Sieg in Rom und erstmals einer Top-Ten-Klassifizierung angereist, verlor das wegen Dunkelheit am Montagabend abgebrochene Match gegen den Spanier Fernando Verdasco 4:6, 6:3, 4:6, 2:6.

"Wir sagen ja immer in Deutschland, wir werden auf Sand groß"

Zverev nahm das Aus sportlich, "das ist nicht das Ende der Welt". Allerdings, das erwähnte er auch, habe er erstmals im Court Philippe Chatrier agiert, dem Hauptstadion. Sich an dieses zu gewöhnen, habe demzufolge seine Leistung beeinflusst, abgesehen vom "schlauen Spiel" von Verdasco, der Zverev weit hinter die Linie drängte mit seinen extremen Topspin-Schlägen.

"Das ist natürlich ernüchternd", sagte Barbara Rittner, die das Tief schon ein wenig kommen sah, als Laura Siegemund sich in Nürnberg zuvor einen Kreuzbandriss zugezogen hatte. "Ihr hatte ich am meisten mit einer guten Auslosung zugetraut", sagt die Frauen-Bundestrainerin, die sich die Bilanz auch nicht recht erklären kann. "Wir sagen ja immer in Deutschland, wir werden auf Sand groß. Seltsamerweise ist dann immer Paris unser schlechtestes Grand Slam." Das Gute im Schlechten nun sei, "dass jetzt der Wechsel auf die Rasensaison kommt", sagte Rittner. "Vielleicht tut den meisten dieser Neustart gut."

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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