Leipzig gewinnt in Freiburg:Leichtigkeit schlägt Zähigkeit

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Tor des Tages: Kevin Kampl überwindet Mark Flekken zum 1:0. (Foto: Silas Schuelle/Eibner)

Wie im Pokal gewinnt Leipzig erneut gegen Freiburg - und holt wichtige Punkte im Kampf um die Champions-League-Plätze. Die Freiburger wehren sich diesmal besser, hadern aber immer noch mit Vorkommnissen neben dem Spielfeld.

Von Sebastian Leisgang

Kann man sich Christian Streich in einem Strandkorb vorstellen? Entspannt zurückgelehnt, vielleicht sogar darin versunken, die Arme hinter dem Kopf verschränkt? Volker Finke, einer seiner Vorgänger als Trainer des SC Freiburg, hatte bei den Spielen stets in einer solchen Sitzgelegenheit an der Seitenlinie Platz genommen und von dort verfolgt, wie sich seine Mannschaft auf dem Feld schlug. Wäre das nicht vielleicht auch etwas für Streich?

Im Spiel gegen Leipzig war die letzte Viertelstunde am Samstag bereits angebrochen, als Schiedsrichter Tobias Welz hinaus zum Spielfeldrand lief, wo Finkes Strandkorb wohl stehen würde, wenn er heute noch im Amt wäre. Dort traf der Unparteiische auf Streich und zeigte ihm Gelb, weil Freiburgs Trainer, nun ja, sich eher nicht entspannt zurückgelehnt und bloß verfolgt hatte, wie sich seine Mannschaft auf dem Feld schlägt. "Er versucht natürlich zu coachen", sagte Freiburgs Stürmer Michael Gregoritsch nach dem 0:1, "bei der Lautstärke muss er laut sein, vielleicht schaut es dann so aus, dass er sich aufregt."

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Ja, das Spiel riss Streich mit, schließlich kann sich seine Mannschaft im Endspurt der Saison zum ersten Mal in der Freiburger Klubgeschichte für die Champions League qualifizieren und liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit einem Verein, den es zu Finkes Strandkorb-Zeiten noch gar nicht gab. Während Streichs Mannschaft allmählich aber einen eher matten und abgekämpften Eindruck macht, wirkt RB auf den letzten Metern des Fußballjahres erstaunlich frisch und dynamisch. Die Leipziger haben mehr Reserven und personellen Spielraum - auch deshalb gewannen sie nun noch ein zweites Mal in Freiburg nach dem 5:1 vier Tage zuvor im Halbfinale des DFB-Pokals.

"Heute war es besser als am Dienstag, am Ende aber trotzdem nicht genug - und das ist es, was hängen bleibt", sagte Gregoritsch, er konnte der Vorstellung der Mannschaft aber durchaus etwas abgewinnen: "Es war mehr Freiburg-like als am Dienstag. Es waren bessere Zweikämpfe, mehr Zweikämpfe."

Tatsächlich hatte Streichs Team am Samstag wieder die Geschlossenheit, dieses Wehrhafte, dieses Selbstlose, das es überhaupt erst in die Position gebracht hat, mit einer hochveranlagten Mannschaft wie Leipzig um die Königsklasse zu streiten. Dennoch wurde auch beim zweiten Vergleich mit RB zumindest in einzelnen Sequenzen deutlich, welch ungleiches Duell das in mancher Hinsicht ist: Hier die Freiburger, die an ihre Grenzen gehen müssen, um jener renitenter und standhafter Gegner zu sein, der sie sein können - und da die Leipziger, deren Spiel einerseits eine ungeheure Wucht entfalten kann, andererseits aber auch eine Leichtigkeit in sich hat, die man dann doch wieder von Strandkorbtagen im Sommerurlaub kennt.

"Sonst geht der ganze Ruf kaputt", sagt Christian Streich

"Manchmal kannst du es nicht verteidigen, das musst du dann einfach zugeben", sagte Streich, hob aber hervor, was bei aller Bedeutung der 90 Minuten an diesem Nachmittag aus seiner Sicht noch zentraler war als der Fußball. "Wir tun alles, damit wir ein Spiel gewinnen", meinte Freiburgs Trainer, "aber wir sollten es auch respektieren, wenn wir ein Spiel verlieren. Das war heute super."

Das Pokalspiel am Dienstag hatte ja ziemlich hohe Wellen geschlagen, weil ein Freiburger Fan Leipzigs Stürmer André Silva eine Münze an den Kopf geworfen hatte, Bierbecher geflogen und einige Anhänger über den Zaun gestiegen waren, um den Innenraum zu betreten. Die Vorfälle warfen kein gutes Licht auf den Sportclub, nun betonte Streich, wie "lebenswichtig" es sei, Recht, Ordnung und die Etikette zu wahren, "sonst geht der ganze Ruf kaputt, den sich der SC Freiburg in den letzten 30, 40 Jahren erarbeitet hat".

In Freiburg waren sie selbst erschrocken über die Vorfälle

Der Sportclub, das war ja stets der nette Nachbar von drüben, auf den sich alle irgendwie einigen können, weil er immer so freundlich grüßt, ein offenes Ohr hat und manchmal sogar ein paar Äpfel über den Zaun reicht, wenn die Ernte in seinem Garten mal wieder besonders gut ausgefallen ist. Wenn sich einer einen Fehltritt leistet, der sich sonst nie was zuschulden kommen lässt, löst das immer eine gewisse Bestürzung aus, die sich etwas anders anfühlt als sonst.

Auch in Freiburg selbst waren sie erschrocken. Der Verein verurteilte die Vorfälle und sprach Stadionverbote aus, nun soll es wieder um lautstarkes Coachen, um Zweikämpfe und um einen Freiburg-liken Spielstil gehen. Alles andere, das ist die Hoffnung und die Forderung, gehört der Vergangenheit an wie der Strandkorb an der Seitenlinie.

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