SC Freiburg gegen Bielefeld:Internationale Klasse für 60 Minuten

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Manuel Gulde, Philipp Lienhart, Nicolas Höfler und Maximilian Eggestein (von links) nach dem Ausgleich. (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Freiburg liefert trotz fehlender Leistungsträger gegen Bielefeld lange eine überzeugende Partie - bricht dann aber gegen Ende des Spiels ein. Christian Streich findet den Punktverlust "schon ein bisschen schade".

Von Ron Ulrich, Freiburg

Bielefelds Trainer Frank Kramer wollte eine Sache noch unbedingt loswerden. Nach dem 2:2 in Freiburg gratulierte er dem Kollegen Christian Streich zum Jubiläum seiner zehnjährigen Dienstzeit. "Das ist eine außergewöhnliche Leistung!" Streich nahm das Kompliment artig an, doch er war nicht in Feierlaune. Sein Gesicht hatte nach der verspielten Führung den gleichen Ausdruck wie die Anzeigetafel: unentschieden. Die Freiburger bekommen weiterhin nichts geschenkt, auch wenn ihr alle Welt gratuliert. Schließlich hält der Fußball nicht mehr allzu viele Überraschungen parat, da hatte der SC Freiburg auf dem dritten Tabellenplatz schon die Herzen der Fußballromantiker unter dem Tannenbaum gewärmt. Sie fragten sich: Werden es diese Freiburger und ihr Majestix wirklich nach Europa schaffen?

Nach den ersten 60 Minuten beim Rückrundenauftakt gegen Bielefeld konnte man diese Frage nur heftig nickend mit einem entschlossenen "Ja" beantworten, nach den letzten 30 Minuten mit einem ebenso deutlichen "Wohl kaum". Freiburg lag nach den Toren von Janik Haberer (6.) und Woo-Yeong Jeong (46.) sicher und verdient mit 2:0 in Führung, der Anschlusstreffer von Bielefelds Masaya Okugawa eben in der 60. Minute versetzte den Gastgebern aber einen so herben Schlag aus dem Nichts, dass sie sich noch das 2:2 durch Bryan Lasme fingen (87.) und aus den Ringseilen fielen. "Bielefeld hat nach dem Tor Lunte gerochen. Wir waren nicht mehr ballsicher und zweikampfstark genug. Wir konnten uns nicht mehr durchsetzen", erklärte Streich später. "Das ist kein Weltuntergang, aber es ist schon ein bisschen schade."

Vor dem Spiel waren mit Torwart Mark Flekken und Nico Schlotterbeck gleich zwei Nationalspieler und Leistungsträger der Hinrunde nach positiven Corona-Befunden ausgefallen. Die Freiburger fingen die Ausfälle über weite Strecken des Spiels mit altbekannten Mitteln und ganz neuem Selbstverständnis auf. Aus dem beschaulichen Breisgau kommt gerade eben keine putzige Elf, sondern eine mit beachtlichen Ecken und Kanten. Eine dieser Ecken brachte am Samstag gleich in der sechsten Minute das 1:0 gegen die Arminia und damit das sechzehnte Standardtor des SC in dieser Saison. Haberer versenkte einen Abpraller mit einer Direktabnahme zur Führung. Unmittelbar vor dem Treffer hatten die Freiburger einen Knubbel am Elfmeterpunkt gebildet und damit die Gäste verwirrt. Trainer Frank Kramer rief zwar noch "Aufnahme, nicht zu offen stehen", doch der Alarm kam zu spät.

Eine Kante bei den Ecken stellt der 1,88 Meter große und kopfballstarke Philipp Lienhart dar. Er spielt zwar nicht so spektakulär nach vorne wie Nico Schlotterbeck, aber zeichnete nicht minder verantwortlich für das Freiburger Fort in der Abwehr. Lienhart schnellt durch seine starke Antizipation immer wieder im richtigen Moment vor den Gegenspieler und löst die Gefahr noch vor ihrer Entstehung auf.

Freiburg wirkte irgendwann tatsächlich müde

Auch andere Mannschaftsteile konnten sich gegen Bielefeld die Plakette für internationale Klasse erwerben. Vincenzo Grifo beispielsweise wäre in anderen Mannschaften qua seiner technischen Klasse von sämtlicher Arbeit im Maschinenraum entbunden. Doch auch am Samstag wetzte er wieder dem Gegner nach Ballverlusten über den halben Platz hinterher, hatte mit 71 Prozent die beste Zweikampfquote von allen Spielern. Und er rückte ein, wenn der eigentlich hinter ihm spielende Christian Günter mit seinen galoppierenden Schritten an ihm vorbeimarschierte. Auf diese Weise legte Grifo in der 46. Minute eben auf Günter, dessen Flanke Jeong ins lange Eck einköpfte. Der Torschütze hatte schon vorher die Latte getroffen und war zwei Mal am glänzenden Gäste-Keeper Stefan Ortega gescheitert.

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Ortega hielt die Arminia in dieser Phase im Spiel, auch mit einem überragenden Reflex beim Schuss von Nicolas Höfler. Bielefeld war eigentlich unterlegen, doch mit einem Schuss wieder voll im Geschehen: In der 60. Minute bekam Okugawa zu viel Platz und drosch den Ball aus 17 Metern zum überraschenden 1:2 in Tor. Der für Flekken ins Freiburger Tor gerückte Benjamin Uphoff sah dabei nicht gut aus. Diese Beschreibung passte nun aber auf die komplette Freiburger Mannschaft. Sie wirkte ausgepumpt ob des vielen Anlaufens und Pressens. Mehr Frische und neue Ideen kamen diesmal auch nicht von der Bank. Bielefeld glaubte nun mit jeder Aktion mehr an sich, Trainer Frank Kramer lobte später: "Die Mannschaft hat Moral gezeigt. Es ist keine Selbstverständlichkeit, nach einem 0:2 in Freiburg so zurückzukommen."

"Er wird selbst am schlechtesten schlafen": Freiburgs Ersatzkeeper Benjamin Uphoff (Gelbes Trikot) agierte bei beiden Bielefelder Treffern eher unglücklich. (Foto: Tom Weller/dpa)

Uphoff sieht bei beiden Toren unglücklich aus

SC-Verteidiger Lienhart eilte vor dem Ende raus zu seinem Trainer und erklärte ihm die Probleme in der Defensive. Streich rieb sich die Hände, beriet mit seinen Co-Trainern und gab dann die Losung per Handzeichen: Fünf Finger, drei Finger, zwei Finger. 5-3-2-System - der SC wollte sich nun in den Schlusspfiff retten. Doch drei Minuten davor traf Bielefelds Joker Lasme rechts vorm Tor mit einem abgefälschten Drehschuss ins kurze Eck, der wiederum haltbar für Keeper Uphoff erschien. "Der zweite ist abgefälscht, das ist ganz unglücklich und beim ersten steht er etwas zu weit vorne. Wir machen alle Fehler, er wird selbst am schlechtesten schlafen", sagte Streich später zu den Szenen.

Eine Handvoll Bielefelder Fans unter den 500 Zuschauern im Stadion sang lauthals los, unter anderem ein Lied von Europapokalreisen mit einer Woche Sandstrand. Was aber bei den Ostwestfalen im Abstiegskampf feine Ironie darstellte, klang wie ein bitterer Hohn für den SC. Denn unnötige Punktverluste wie am Samstag könnten die eigentlich berechtigten Hoffnungen auf Europa doch zunichte machen.

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