Frauen-WM: Frankreich - England:Der zehnte Schuss entscheidet

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England und Elfmeter, war da was? Völlig entkräftet setzt Faye White den entscheidenden Schuss im WM-Viertelfinale gegen Frankreich an die Querlatte. Die Equipe Tricolore bejubelt einen 5:4-Sieg. Dabei hätte ein kurioser Abwehrfehler beinahe ihr Aus bedeutet.

Michael König

Ihre Augen verhießen nichts Gutes, als Faye White zur Seitenwahl schritt. Dunkle Schatten hatten sich darunter gebildet - ein Zeugnis der vorangegangenen zwei Stunden. Nach 90 Minuten hatte es zwischen England und Frankreich im WM-Viertelfinale 1:1 gestanden, eine Verlängerung brachte keine Entscheidung. Beide Teams hatten viel, viel Kraft investiert. Faye White vielleicht ein bisschen zu viel, am Ende der Verlängerung taumelte sie eher, als sie lief.

Die Französinnen jubeln über den späten Ausgleich - und gewinnen schließlich im Elfmeterschießen. (Foto: dapd)

Die englische Kapitänin schoss den insgesamt zehnten Elfmeter an die Latte und besiegelte das Aus ihrer Mannschaft. Frankreich gewann mit 5:4, obwohl Camille Abily gleich zu Beginn des Elfmeterschießens gescheitert war. Später hatte jedoch auch Claire Rafferty verschossen - damit lag die Entscheidung bei White. Sie scheiterte und begrub ihr Gesicht in ihren Händen.

In der regulären Spielzeit hatte ihr Team lange wie der Sieger ausgesehen: Ein kurioser Fehler der französischen Hintermannschaft hatte das 1:0 für die Britinnen durch Jill Scott begünstigt. Frankreich kam spät durch Elise Bussaglia zum Ausgleich - und wirkte danach frischer, angriffslustiger.

Beide Mannschaften erlebten von Beginn an ein hektisches Spiel. Es war das erste im K.o.-Modus bei dieser Frauen-WM. In der Geschichte der Fußballturniere haben das viele Mannschaften zum Anlass genommen, den Ball in den eigenen Reihen zu halten, um bloß keinen Fehler zu machen. England und Frankreich hielten sich damit nicht auf.

Es waren genau 13 Sekunden gespielt, als die Engländerin Kelly Smith auf dem rechten Flügel an den Ball kam, und zu ihrem Glück stand sie dort ziemlich allein. Smith sprintete und schoss beinahe unbedrängt, aber der Winkel war doch etwas zu spitz geraten. Torfrau Celine Deville im Tor der Franzosen parierte.

Deville wirkte nicht immer so sicher. Es zeigte sich schnell, warum Trainer Bruno Bini bislang auf Berangere Sapowicz als Stammkeeperin gesetzt hatte. Im letzten Vorrundenspiel hatte Sapowicz jedoch die rote Karte gesehen und musste ersetzt werden. Und weil Bini schon dabei war, veränderte er sein Team auch auf vier Feldspielerpositionen. Es sah zunächst so aus, als wäre das eine gute Idee gewesen.

Die britische Defensive hatte nach Smiths Blitzchance zu Beginn viel Mühe, den Ball vom eigenen Strafraum fernzuhalten. Weil sie das mit hohen Bällen probierte, die Franzosen jedoch sehr kopfballstark sind mit viel Zug zum Tor spielten, ergab sich eine Art Tennis-Spiel: von links nach rechts, immer wieder über die Mittellinie.

Als es ermüdend zu werden drohte, tat Frankreich etwas Erfrischendes: Gaetane Thiney, im Mittelfeld auf dem linken Flügel beiheimatet, schoss mit voller Wucht aufs Tor. Karen Bardsley im Tor der Engländerinnen hatte Mühe, den Ball abzuwehren (25).

Frankreich hätte noch viele solcher Chancen haben können, doch der entscheidende Pass in die Spitze war häufig mangelhaft adressiert. In der 30. Minute schoss Louisa Necib, als zentrale Mittelfeldspielerin eine ständige Absenderin von Bällen, deshalb selbst aufs Tor -verpasste es jedoch knapp. Andere Französinnen nahmen sich an ihr ein Beispiel - die Torschussquote wies die Equipe Tricolore nach knapp 40 Minuten mit 9:1 als Sieger aus.

Wenn die Engländerinnen gerade einmal nicht in Bedrängnis waren, stellten sie sich nahe der Mittellinie auf - und zwar alle - und versuchten, die Französinnen zu Fehlpässen zu zwingen. Anders herum lief es genauso. Im modernen Fußball wird so eine Spielweise mit dem Attribut "kompakt" umschrieben. Doch in diesem Viertelfinale wäre das euphemistisch gewesen - die Fehlpassquote stieg durch den Dauerdruck auf beiden Seiten auf ein beachtliches Maß.

Frauen-WM: England - Frankreich
:Mit Glück und Geschick

Die Französinnen liegen nach einem skurrilen Tor mit 0:1 zurück, gleichen kurz vor dem Schlusspfiff mit einem schönen Schuss aus - und gewinnen am Ende, weil den Engländerinnen die Nerven versagen. Die Partie in Bildern.

Die zweite Halbzeit war schöner anzuschauen. Bei Frankreich verlagerte sich die mangelnde Präzision vom entscheidenden Pass auf den Torschuss, was der Spannung zugutekam. Delie und Thiney erzielten zwar kein Tor, aber immerhin ein lautes Raunen im Stadion. Das war zu diesem Zeitpunkt schon ein Fortschritt. Allerdings nur bis zur 59. Minute.

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:Mit Glück und Geschick

Die Französinnen liegen nach einem skurrilen Tor mit 0:1 zurück, gleichen kurz vor dem Schlusspfiff mit einem schönen Schuss aus - und gewinnen am Ende, weil den Engländerinnen die Nerven versagen. Die Partie in Bildern.

Da erlief Jill Scott auf dem linken Flügel einen Befreiungsschlag. Nein, eigentlich profitierte sie von einem kuriosen Missverständnis der französischen Abwehr: Gleich zwei Verteidigerinnen - Lepailleur und Viguier - versuchten, den Konter zu unterbinden. Der Ball jedoch sprang an ihnen vorbei, just in den Lauf von Scott, und die legte viel Wucht in einen Schuss. Der war nicht überragend platziert, auch nicht mit Effet versehen oder sonstwie gekünstelt. Es war ein ehrlicher, halbhoher Schuss, und das reichte: England ging mit 1:0 in Führung.

Für Frankreich kam jetzt sehr viel Pech zusammen: Erst die vielen vergebenen Chancen, dann das Missgeschick der Abwehr, und außerdem hätte Ersatzkeeperin Deville das Tor womöglich verhindern können, wäre sie etwas näher an der Linie postiert gewesen. So aber waren die favorisierten Französinnen nun erst recht unter Druck, endlich einmal genau zu zielen.

Und plötzlich klappte das: Zunächst trieb Laure Lepailleur den Blutdruck der Franzosen in die Höhe. Ihren Kopfball nach einer Ecke konnte Keeperin Bardsley nicht mehr erreichen. Aber da stand noch Ellen White neben ihr, die den Ball mit einer artistischen Flugeinlage von der Linie drückte. Kurz darauf konnte auch White nichts mehr ausrichten.

Frankreich hatte das Tor viel leichter haben können, aber Elise Bussaglia wählte den schwierigen Weg: Ein Schlenzer aus 20 Metern bedeutete das ersehnte 1:1. Ihre Teamkollegin Delie putzte ihr in einer symbolischen Geste den Glücksschuh, während die Gegnerinnen erbost in den Himmel starrten - sie hatten am eigenen Strafraum den Ball nicht wegbekommen.

Es ging in die Verlängerung, in der White eine gute Chance vergab, und in der Bruno Bini die in der 79. Minute eingewechselte Sandrine Bretigny wieder auswechselte und durch Eugenie Le Sommer ersetzte. Letztere hatte eine gute Kopfballchance, verfehlte aber das Tor. Von den Engländern waren hingegen nur noch Befreiungsschläge zu sehen - gleich mehrere Spieler wurden von Krämpfen geschüttelt.

Auch Faye White hatte zu kämpfen. Bis zuletzt, bei ihrem vergebenen Schuss vom Elfmeterpunkt.

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