Französische Fußball-Nationalmannschaft:Zu viele Roboter im Spiel

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Laurent Blanc, Trainer der französischen Nationalmannschaft, formuliert seine Ziele für die Fußball-EM vorsichtig. Er hat noch die vermasselte WM in Südafrika und die Meuterei der Mannschaft im Hinterkopf. Für die EM fehlt seinem Kader die Klasse.

Annika Joeres

Laurent Blanc muss ein vermeintlich genügsamer Trainer sein. Weil die französische Elf am Montag pünktlich zum Training in Clairefontaine erschien, zeigte er sich zufrieden. "Ich kann mich auf meine Mannschaft verlassen, sie macht Fortschritte", sagte Blanc. Trotz zuletzt 17 Spielen ohne Niederlage hat Blanc die Ansprüche vor dem Test gegen Deutschland erheblich reduziert: "Frankreichs Mannschaft ist nicht auf demselben Niveau wie die deutsche."

Bescheiden: Laurent Blanc. (Foto: dpa)

Blanc stapelt gerne tief. Aus durchschaubaren Gründen, denn das Abschneiden im Juni bei der Europameisterschaft entscheidet auch über seine Zukunft. Sein Vertrag läuft im Juli aus, und vermutlich ist es auch dieses Zögern, diese Zurückhaltung Blancs, die Noël Le Graët, den Verbandspräsidenten, an seinem Coach zweifeln lässt. Le Graët hatte Anfang Februar öffentlich verkündet, eine Vertragsverlängerung vom Verlauf der EM abhängig zu machen. Falls Blanc selbst kündige, fügte er damals spitzfindig hinzu, werde er ihn auch nicht hindern können. Hatte doch der Präsident schon im Dezember gezeigt, wer in Frankreich das Sagen hat.

Öffentlich stritt er sich mit Blanc über das passende Hotel der EM, dessen Wahl letztendlich nur ein Symptom für den internen Machtkampf war. Den Le Graët gewann - nun werden die Bleus in einer bescheideneren Unterkunft in der Ukraine logieren und nicht wie von Blanc gewollt in einer edleren Herberge in Polen. Wieder einmal schien Blanc von den Ereignissen überrollt zu werden. Le Graët soll französischen Medien zufolge schon eine Liste mit potentiellen Nachfolgern vor sich haben.

Ganz oben stehe Arsène Wenger, viele Jahre lang Trainer des englischen Erstligisten FC Arsenal. Mit der Personalie Wenger, der mit seinem Londoner Klub gerade ein Wellental durchläuft, legt Le Graët den Finger in die Wunde: Wenger gilt als Meister des Offensiv-Fußballs und könnte die defensive Strategie von Blanc umkrempeln. Damit Blanc sich halten kann, wird von ihm erwartet, dass er bei der EM viele Talente und einen Offensivfußball präsentiert. Doch woher nehmen?

Nur "zwei, drei wirklich gute Spieler" wie Franck Ribéry vom FC Bayern oder den in Bremen verletzt fehlenden Karim Benzema (Real Madrid) gebe es in Frankreich, meinte Michel Platini jüngst in einem Interview: "Der Rest ist so lala." Die Kritik des Europameisters von 1984 und Präsidenten der Europäischen Fußball-Union (Uefa) konterte Blanc eher reserviert. Sie sei "ein bisschen radikal".

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Vorgehalten wird ihm jetzt, er wehre sich immer nur halbherzig, niemals entschlossen genug. Dabei hat er einiges vorzuweisen. Blanc war der Libero der Weltmeisterelf von 1998, und er hatte den Mut, nach der skandalösen WM-Teilnahme 2010, bei der Frankreich gegen den damligen Trainer Raymond Domenech in den Streik trat und nach der Vorrunde abreisen musste, den Job zu übernehmen.

Laurent Blanc gibt sich wenige Monate vor der WM bescheiden.  (Foto: AFP)

Heute hätten die Franzosen "eine Outsider-Rolle", sagte Blanc in dieser Woche. So defensiv tritt er häufig auf: Meist stellt er sich als passiven Empfänger dar, dem ein Match glückt - oder eben auch nicht. Frankreich steht aktuell auf Platz 17 der Fifa-Weltrangliste, die vergangenen Spiele waren zwar erfolgreich, aber oft schien es so, als würden sich die Spieler verbindungslos wie Roboter über den Platz bewegen.

Das macht den Bremer Test zu einem Casting: Nominiert sind zwar die prominenten England-Legionäre Patrice Evra (ManUnited), Florent Malouda (FC Chelsea) und Samir Nasri (Manchester City), ihr Einsatz ist aber ungewiss. Stattdessen steht plötzlich ein Morgan Amalfitano auf der Liste. 26 Jahre bereits, aus Nizza stammend, und seit Sommer bei Olympique Marseille. Blanc lobte den Rechtsaußen für seine Technik und stellt "seine große Qualität im Zentrum" heraus. In der Kreativzentrale, die eigentlich seit dem Rücktritt von Zinedine Zidane verwaist ist.

Überlagert werden könnten die Personaldebatten im Team nun durch die Unsicherheit um den Trainer. Vor der Reise nach Deutschland stellte Blanc noch einmal klar: "Ich will bleiben, aber ich bitte um nichts, ich fordere nichts." Auch Le Graët lenkt ein. Laufe die Euro in Polen und der Ukraine gut, unterbreite er Blanc sofort einen neuen Vertrag. Der Mann hat eine weite Perspektive. Die EM 2012 ist nur eine Etappe auf dem Weg zur EM 2016. Die aber findet im eigenen Land statt, spätestens bis dahin soll die Renaissance des französischen Fußballs vollzogen sein.

© SZ vom 29.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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