Frankie Fredericks:Immer geschmeidig unterwegs

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Das Finale über 100 Meter bei Olympia 1996: Donovan Bailey (Kanada, links), gewinnt Gold, Frankie Fredericks (Namibia, Mitte) die Silbermedaille. (Foto: imago)

Frank "Frankie" Fredericks war Weltklassesprinter und machte danach rasant Karriere als Sportfunktionär und Geschäftsmann. Dann passierten fragwürdige Dinge, oder wie Fredericks sagt: Lauter dumme Zufälle.

Von Thomas Kistner und Johannes Knuth

Dies ist eine Geschichte, die nicht in den funkelnden Stadien spielt, in Barcelona, Atlanta oder Stuttgart. In jenen Arenen also, wo der Leichtathlet Frankie Fredericks einst den Grundstein seiner Sprinterkarriere legte. Diese Geschichte beginnt im Jahr 1994 bei einem unscheinbaren Meeting in Johannesburg.

Fredericks war ein Jahr zuvor Weltmeister über die 200 Meter in Stuttgart geworden, nun wurde er zu diesem Meeting in Südafrika eingeladen: von einem gewissen Papa Massata Diack. Er bedankte sich später artig bei seinem Förderer, aber Diack empfand das als unangemessen, wie Fredericks einmal erzählte: "Er hat mir erklärt, dass ich als Weltmeister jetzt viel mehr verlangen muss, auch an Prämien. Seitdem habe ich ihn sehr respektiert. Ich weiß aber nicht, warum er ein solch großes Interesse an mir hatte." Oder besser: warum Diacks Vater Lamine, der fünf Jahre später an die Spitze des Leichtathletik-Weltverbands kam, Fredericks irgendwann unbedingt als Funktionär gewinnen wollte. "Vielleicht", dachte Fredericks, "haben beide in mir gewisse Leader-Fähigkeiten gesehen."

So hat Frank "Frankie" Fredericks es berichtet, als er vor drei Jahren in Paris vor den französischen Strafermittlern saß. Bis dahin hatte der Namibier tatsächlich eine stromlinienförmige Karriere als Führungskraft hinter sich. Als Sprinter war er immer Everybody's Darling gewesen: ein stiller, feingliedriger Ästhet in einer Welt voller muskelbepackter Narzissten. Er war Weltmeister 1993, als erster Afrikaner im Sprint. Gewann vier olympische Silbermedaillen über 100 und 200 Meter, die ersten in der Geschichte Namibias, die Menschen tanzten damals in den Straßen. Der gute Ruf hallte lange nach, Fredericks machte eine ebenso rasante Karriere als Funktionär und Geschäftsmann. Bis 2017.

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Dann kam ein ominöser Geldtransfer über 299 300 Dollar ans Licht - überwiesen an Fredericks von Papa Massata Diack, jenem berüchtigten, ihm so vertrauten Marketingberater, der sich mit Vater Lamine jahrelang an den Geschäften des Leichtathletik-Verbandes bereicherte. So hat es kürzlich ein Pariser Gericht festgehalten. Seit 2017 ermittelt die französische Staatsanwaltschaft PNF auch gegen Fredericks. Der Verdacht (den er abstreitet): Korruption und Geldwäsche. Denn zum Zeitpunkt von Diacks Zahlung, am 2. Oktober 2009, fand zufällig auch die korrupte Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2016 statt; Fredericks war damals Wahlprüfer und als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) stimmberechtigt. Als die Zahlung an ihn ruchbar wurde, legte er alle Sportämter nieder, im vergangenen Juli verlor er seine IOC-Mitgliedschaft. Ein zweites Justizverfahren gegen die Diacks, das auch Fredericks' Zahlung thematisieren könnte, wird wohl erst 2021 beginnen.

Was liegt hier eigentlich vor: die Geschichte eines gewaltigen Missverständnisses, wie es Fredericks sieht? Oder doch die Entzauberung des einstigen Sprint-Darlings?

Als Fredericks 2004 seine Laufbahn beendete, sprintete er fast nahtlos in seine zweite Karriere hinüber. Er wurde 2004, rund um die Sommerspiele in Athen, in die Athletenkommission des IOC gewählt und war fortan IOC-Mitglied, bald auch Athletensprecher im Leichtathletik-Weltverband IAAF. Just dort also, wo die Diacks mächtig einflussreich waren: der Vater als IAAF-Präsident und IOC-Seniorität, der Sohn als Marketingberater, der zu Fredericks nach dem Treffen 1994 in Johannesburg ein "herzliches Verhältnis" pflegte, wie Fredericks auf Anfrage bestätigt. Später rückte er noch näher heran an die Nahtstellen der Macht: Er saß in den Kommissionen, welche die Kandidaten für die Sommerspiele 2012 und 2020 bewerteten, später leitete er das gleiche Gremium für die Spiele 2024 - bis zu seiner Suspendierung 2017. Bis dahin saß Fredericks auch im IAAF-Rat, der Regierung der Welt-Leichtathletik. Und er gehörte jener Taskforce an, die bis heute überwacht, wie sich der dopingzerrüttete russische Leichtathletikverband reformiert (oder auch nicht).

Aber Fredericks häufte nicht nur fleißig Ämter an im organisierten Sport, er bewies auch ein großes Faible für Geschäftsideen. Er investierte in Immobilienprojekte in Namibia, er gründete Firmen in der Heimat und in Berlin; Fredericks ist mit der Schwester des ehemaligen 800-Meter-Läufers Nico Motchebon verheiratet. Von 2007 bis 2009 beriet er zudem den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Der DLV bestätigt auf Anfrage, dass Fredericks dafür 35 000 Euro kassierte, pro Jahr. Das sei aber durchaus eine branchenübliche Summe, heißt es aus dem Verband. Fredericks habe Trainingskonzepte erstellt und sei oft vor Ort gewesen, bei Sprintern, in Trainingslagern, an Stützpunkten.

2004 gründete Fredericks eine Offshore-Firma - dort wurde auch die verdächtige Zahlung angespült

In den Ermittlungsakten, die die SZ und die französische Zeitung Le Monde einsehen konnten, ist noch von einer weiteren, interessanten Geschäftsidee die Rede. Als er 2004 von Monaco nach Namibia umzog, habe er weiter Geld in der Euro- oder Dollar-Zone parken wollen, erzählte er. Ein monegassischer Berater vermittelte ihn an eine Agentur, die betuchten Kunden ermöglichte, diskret ihr Geld in Briefkastenfirmen einzulagern: Mossack Fonseca. Jene Firma eines Deutschen und Panamaers also, die auch Drogenbossen, Schmugglern und Diktatoren bei der Steuerflucht half, wie ein Journalistenkonsortium um die SZ vor vier Jahren enthüllte. Die deutschen Behörden suchen die einstigen Firmengründer seit Kurzem per Haftbefehl. Fredericks eröffnete mithilfe der Kanzlei damals eine Firma namens "Yemi Limited" auf den Seychellen. Kurz darauf freute sich das Neuunternehmen über eine Zuwendung aus Namibia: von "F-Squared Limited", Fredericks Filiale in Windhoek. 600 000 Euro lagerten seitdem auf den Seychellen, jährlich verzinst mit 3,5 Prozent.

Es war diese Offshore-Oase des Namibiers, auf die im Oktober 2009 eine weitere dicke Zahlung angespült wurde: jene 299 300 Dollar, die Fredericks von Papa Massata Diack erhielt. Fredericks hat immer wieder beteuert, dass dies auf einem völlig legitimen Beratervertrag fuße, den er mit Diack junior 2007 aufgesetzt habe und der bis März 2011 lief. Aber warum floss bei diesem Handel nur ein einziges Mal Geld? Und das just an dem Tag, als 2009 in Kopenhagen die Rio-Spiele vergeben wurden - für die die Brasilianer Stimmen bei den Diacks eingekauft hatten, wie sie längst gestanden haben? Alles ein blöder Zufall, behauptete Fredericks, als die Vorwürfe 2017 aufkamen: Papa Massata sei in Verzug gewesen, habe dann alles auf einmal überwiesen und obendrein noch einen Vorschuss für das nächste Jahr.

Nicht alle sahen den Vorgang damals, im Frühjahr 2017, offenbar so unbesorgt wie Fredericks. Thomas Bach, der deutsche Präsident des IOC, ließ das frisch unter Verdacht geratene IOC-Mitglied diskret davor warnen, nach Frankreich zu reisen. Dorthin also, wo damals schon Ermittlungen rund um Korruptionsvorwürfe im IOC an Fahrt aufnahmen. Wieso Bach so besorgt war? Darauf gab er auf Anfrage zuletzt keine Antwort (SZ vom 10./11. Oktober).

Was ist Schein, was ist Sein in dieser Geschichte? Als Athlet war Fredericks ein Ästhet, mit einem "federnden Fußaufsatz und gestreckten Fingern, die die Luft zu schneiden scheinen", wie auch die SZ damals schwärmte. Ansonsten gab er sich demütig, eine Rarität in der Welt von Egomanen wie Michael Johnson, Carl Lewis und Leroy Burrell. Seine schärfste Kampfansage: "Wir rennen doch alle, weil wir siegen wollen. Das ist ja der Sinn des Sports." Seine Biografie erzählt von bescheidenen Anfängen, die Heimat wurde erst 1990 unabhängig vom Apartheid-Regime Südafrikas, Fredericks erhielt ein Stipendium an einer US-Universität, wo er Computerwissenschaften studierte und nebenbei zu einem der besten Sprinter der Welt aufstieg. Alles bloß mit eisernem Willen, wie er stets beteuerte: "Ich bin nichts Besonderes, was ich geschafft habe, können andere auch."

Fredericks Name taucht auch in den FinCEN-Files auf - ein weiterer Irrtum, glaubt er

Hinter dieser Fassade? Da verhandelte sein Manager so knallhart wie alle anderen, wenn es darum ging, auf welcher Bahn Fredericks starten durfte und wie viel Antrittsgeld er erhielt. 5,2 Millionen Dollar habe er mit seiner Karriere verdient, sagte Fredericks den französischen Ermittlern.

Schein oder Sein? In den Ermittlerakten finden sich noch weitere interessante Details. Der Beratervertrag mit dem japanischen Sportausrüster Mizuno etwa, der Fredericks von 2011 bis 2012 noch mal als Markenbotschafter engagierte und ihm dafür 30 000 Dollar zahlte. Dass Fredericks gleichzeitig für das IOC die Kandidaten für die Sommerspiele 2020 evaluierte, darunter auch Japans Hauptstadt Tokio? Das störte weder das IOC noch Fredericks.

Und dann war da dieses Klassentreffen, am 6. September 2013 bei einem Abendessen in Buenos Aires - einen Tag, bevor der Gastgeber der Sommerspiele 2020 endlich gekürt wurde. Lamine Diack hatte das Treffen genutzt, um die mehr als ein Dutzend afrikanischen IOC-Mitglieder auf die Wahl einzuschwören; so hat er es den französischen Ermittlern später erzählt. Der Kandidat seiner Wahl war damals: Tokio, klar. Die Japaner hatten kurz vor und nach der Kür insgesamt 1,8 Millionen Euro an eine Beratungsagentur von Diacks Sohn überwiesen, was alle Seiten bloß als Honorar für "Beratungsleistungen" verstanden haben wollen - auf keinen Fall als Korruption. Die französischen Ermittler vermuten dahinter aber ebenfalls eine Schmiergeldspur. Diack senior tourte bei dem Klassentreffen jedenfalls um den Tisch und hatte den Eindruck, dass alle IOC-Mitglieder verstanden hatten, für wen sie anderntags votieren sollten. Und Fredericks? Der beteuerte in seiner Befragung, er habe damals nur kurz vorbeigeschaut. Bei Diacks Schwur sei er "wahrscheinlich" gar nicht mehr da gewesen. Und selbst wenn: Lamine Diack hätte sein Votum ganz bestimmt nicht beeinflusst. Gab es diese Unabhängigkeit bei so wichtigen Entscheidungen?

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Fredericks Nähe zu den Diacks ist noch in einem weiteren merkwürdigen Fall aktenkundig. In den FinCEN Files, in denen die SZ zuletzt Tausende verdächtige Geldströme aufdeckte, sind rund 25 Millionen Dollar an Geldtransfers dokumentiert, die rund um die Diacks im Februar 2014 offenbar unter anderem durch ein New Yorker Finanzinstitut flossen. Offenkundig standen viele davon in Verbindung mit russischen Dopingproblemen. Die Diacks, die IAAF, der russische Leichtathletikverband und das Moskauer Anti-Doping-Zentrum bewegten damals große Beträge, um russische Dopingfälle zu vertuschen, was die Pariser Richter zuletzt ebenfalls als erwiesen ansahen. Klare Zuordnungen fehlen bei diesen Geldströmen meist - einmal taucht aber, ohne weiteren Zusatz, der Name Frank Fredericks auf. Warum, was kann er dazu sagen? Wann hat er eigentlich seine letzte Zahlung von den Diacks oder aus deren Umfeld empfangen?

Das sei 2011 gewesen, teilt Fredericks auf Anfrage mit: "Ich habe 2013 oder 2014 kein Geld von Papa Massata Diack oder einer mit ihm verbundenen Firma erhalten." Interessant ist das alles auch, weil Fredericks kurz darauf ja auch in der Task Force der IAAF saß, die das russische Staatsdoping untersuchte. Gab es da Eingriffe von oben, von externer Seite?

Keineswegs, schreibt Fredericks: Als Athlet, der selbst nie gedopt habe, "habe ich die Sache ganzheitlich betrachtet. Daher habe ich in der Task Force hart für die Athleten gekämpft, die beweisen konnten, dass sie sauber sind, um an Wettkämpfen teilnehmen zu können".

Auch in diesem Fall muss es sich also wohl um ein Missverständnis handeln - oder um einen dummen Zufall. Wie in so vielen Fällen in der Funktionärskarriere des Frank "Frankie" Fredericks.

© SZ vom 21.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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