Eintracht Frankfurt in der Europa League:Der Götterfunke springt über

Deutschland Frankfurt am Main Commerzbank Arena 18 04 2019 Fussball Uefa Europa League Eint

Europa macht Spaß: Die Fans der Frankfurter Eintracht betreiben pro-europäische Wahlwerbung in eigener Sache.

(Foto: Imago / HMB-Media)
  • Eintracht Frankfurt empfängt an diesem Donnerstag im Halbfinal-Hinspiel der Europa League den FC Chelsea.
  • Das internationale Eintracht-Jahr ist bislang eine verblüffend erfolgreiche sportliche Europa-Reise gewesen.
  • Bei der Eintracht kommt darüber hinaus manches zusammen, was zur Positionierung als Europa-Klub taugt.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

13 Minuten vor dem Abpfiff kam Fred Schaub ins Spiel, und zehn Minuten vor dem Abpfiff kam er an den Ball. Kurz vor der gegnerischen Strafraummarkierung war das, Schaub wühlte sich irgendwie durch, dann noch ein Haken ... Mit links zog er aus elf Metern ab ins rechte Eck - und kurz nach diesem Schuss ins Mönchengladbacher Tor war der erste und bis heute einzige Europapokal-Triumph von Eintracht Frankfurt besiegelt.

39 Jahre ist dieser Abend her, und es waren fürwahr andere Fußball-Zeiten. Der Wettbewerb, den die Frankfurter gewannen, hieß damals noch Uefa-Pokal und nicht Europa League. Statt des heute üblichen Duelles auf einem neutralen Platz bestand das Finale aus Hin- und Rückspiel (aus Frankfurter Sicht: 2:3 und 1:0). Und die Bundesliga war in der Saison 1979/80 so prägend in Europa, dass von den vier Halbfinal-Teilnehmern im Uefa-Pokal alle vier aus Deutschland kamen.

Und nun, 39 Jahre nach dem Linksschuss des Mitte der Nullerjahre bei einem Autounfall verstorbenen Angreifers Fred Schaub, träumen sie in Frankfurt von ihrem zweiten Europapokal-Triumph. Eine Saison voller ungewöhnlicher internationaler Auftritte liegt hinter der Eintracht, und im Heimspiel gegen den FC Chelsea - der auf den verletzten deutschen Nationalspieler Antonio Rüdiger verzichten muss - an diesem Donnerstag sowie in einer Woche in London (jeweils 21 Uhr) kann sie den Einzug ins Europa-League-Finale erreichen.

"Dieses Spiel ist das größte Highlight der letzten 30, 40 Jahre", sagte Frankfurts Marketing-Vorstand Axel Hellmann dieser Tage der Frankfurter Rundschau. Nun ist es zwar so, dass Vereinsverantwortliche in solchen Situationen nicht selten dem Hang zur übertriebenen Formulierung erliegen. Und die vergangenen 30, 40 Jahre sind auch nicht komplett highlight-frei an den Frankfurtern vorübergegangen, wie unter anderem eine erst am Schluss-Spieltag knapp verpasste Meisterschaft (1992) sowie drei Triumphe im DFB-Pokal (1981, 1988 und im Vorjahr durch das 3:1 gegen den FC Bayern) belegen. Aber trotzdem lässt sich Hellmann in diesem Fall nur schwer widersprechen.

Dieses internationale Eintracht-Jahr ist zunächst natürlich eine verblüffend erfolgreiche sportliche Europa-Reise gewesen, mit Stationen in Marseille, Rom, Limassol, Donezk, Mailand und Lissabon. Aber mit den Erfolgen hat sich in den vergangenen Monaten auch noch eine andere Erzählebene eingewoben, weil Frankfurt und Europa so eine schöne Verbindung eingehen. Die Stadt empfindet sich ja ohnehin als sehr europäisch: die Lage, die international geprägte Bevölkerung, der Flughafen, die Europäische Zentralbank und manch andere europäische Institution, der 1998 verhängte Beiname "Europastadt". Aber inzwischen gilt dieser Europa-Bezug nicht mehr nur für die Stadt Frankfurt, sondern auch für ihren führenden Fußball-Klub, bei dem sie vor jeder Heimpartie die Hymne "Im Herzen von Europa" abspielen.

Haller und Rebic fehlen gegen die Londoner "Über-Mannschaft"

Die ertönt im Stadion zwar schon seit den Neunzigern, aber die SGE war seit den Neunzigern halt noch nie so sehr in Europa dabei wie in dieser Saison. Dabei kommt noch manches zusammen, was zur Positionierung als Europa-Klub taugt. Spieler aus 16 verschiedenen Nationen waren in diesem Jahr im Einsatz, was die Internationalität der Stadt spiegelt. Der Kapitän Gelson Fernandes trug im Spiel gegen Stuttgart eine Spielführer-Binde, auf der die Europa-Flagge zu sehen war. Der Vereinspräsident Peter Fischer positioniert sich eindeutig, wenn er etwa erklärt, dass er keine AfD-Mitglieder als Vereinsmitglieder möchte. Und die Fans, die in den vergangenen Jahren und auch in der laufenden Saison durch diverse Grenzüberschreitungen auffielen (weswegen bei der nächsten Verfehlung ein Zuschauer-Bann für ein Auswärtsspiel droht), erarbeiteten sich den Ruf, eine ausgesprochen stimmungsfreudige und reiselustige Gruppe zu sein. Jetzt gilt die Eintracht als der Klub, der in der Geschichte der Europa League von den meisten Fans quer durch Europa begleitet wurde.

Dass dies alles irgendwie verfängt, zeigte sich kurz vor dem Chelsea-Spiel auch auf ungewöhnliche Weise. Da verbreitete die Europäische Kommission in den sozialen Medien ein Video des Klubs weiter, in dem unter den Klängen der Europa-Hymne "Freude, schöner Götterfunken" Schnipsel aus der Europa-League-Saison der Eintracht zu einer Art Bekenntnis zu Europa zusammengeschnitten sind. "Eintracht Frankfurt ist mehr als ein Fußball-Team. Eintracht ist Europa", hieß es auf dem Twitter-Kanal der EU-Kommission dazu: "Danke für das Video und für das Engagement für die EU." Solch ein Beitrag aus Brüssel ist eher ungewöhnlich, aber es ist trotzdem zu bezweifeln, dass sich der FC Chelsea deswegen zu einer Protestnote wegen unzulässiger Parteinahme veranlasst sieht.

In jedem Fall können die Frankfurter für sich reklamieren, die Europa League von Beginn an ziemlich ernst genommen zu haben - anders als vielleicht manch anderer Bundesligist. Dabei kam ihnen, aus heutiger Sicht, wohl auch zugute, dass im DFB-Pokal in Runde eins Schluss war. Denn im Saison-Finish zeigt sich gerade ohnehin schon, wie kräftezehrend die Spielzeit ist. In der Bundesliga mühte sich der Klub zuletzt sehr, im Europapokal aber gelangen immer noch Energieleistungen.

Doch nun im Halbfinale wird es besonders schwer. Nicht nur, weil der FC Chelsea noch mal eine Nummer stärker ist als die vorangegangen Gegner Benfica Lissabon, Inter Mailand oder Schachtjor Donezk. Sondern auch, weil es erhebliche personelle Probleme gibt: Die Angreifer Sebastien Haller (verletzt) und Ante Rebic (gesperrt) fallen aus. "Wir treffen auf einen Über-Gegner", sagte Trainer Adi Hütter, und er sei sich sicher, dass sein Team gegen Chelsea leiden müsse. "Wir brauchen ein super Spiel, und wir müssen fast alles richtig machen." Erstaunlich oft während der laufenden Europa-Reise gelang der Eintracht das aber.

Zur SZ-Startseite
Champions League - Spieler des FC Barcelona bejubeln ein Tor von Lionel Messi

Champions League
:Camp Nou huldigt Messi

Per Abstauber und famosem Freistoß entscheidet der Angreifer das Halbfinal-Hinspiel mit. Doch beim 3:0 gegen Liverpool leidet Barcelona auch - Gäste-Trainer Klopp sieht "das beste Champions-League-Auswärtsspiel" seiner Elf.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: