Franck Ribéry beim FC Bayern:Leiden eines Spaßvogels

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In der Formkrise: Franck Ribéry beim Spiel gegen Real Madrid (Foto: dpa)

Gekränkte Eitelkeit? Fehlender Rhythmus? Oder mit 31 Jahren einfach schon ein kleines bisschen müde? Franck Ribéry gibt momentan Rätsel auf. Dem Bayern-Spieler fehlen die Leichtigkeit, der individuelle Wahnsinn - und der Partner, der ihm den Wagen vorfährt.

Von Claudio Catuogno

Vielleicht ist es ja wirklich so einfach. Mann hat Traum, Traum zerplatzt, Mann kriegt Blues. Es wäre nicht das erste Mal in diesem Wer-hat-den-größten-Pokal-Gewerbe. Und Wahiba, seine treusorgende Gattin, die kürzlich sogar diesen Prostituierten-Prozess in Paris mit ihm durchgestanden hat (bei dem er freigesprochen wurde, weil er das Alter der minderjährigen Gespielin nicht kannte), Wahiba berichtete ja im Januar voll froher Erwartung, sie habe bereits den Kaminsims in der heimischen Villa freigeräumt. Für den "Ballon d'Or". Den Goldenen Ball, mit dem der Weltfußball-Verband Fifa jedes Jahr den Gewinner seiner Weltfußballer-Wahl auszeichnet.

Der beste Kicker des Planeten - auf so einen Titel kann man sich schon mal versteifen, wenn man fast alles andere längst hat; ein Triple, geschätzte neun Millionen Euro Jahresgage, eine Jahreskarte für den Münchner Zoo. Auch beim FC Bayern haben sie ihm das ja über Monate eingeredet: dass nur er in Frage komme. Uli Hoeneß, damals noch Präsident, sagte, jede Wahl eines Anderen wäre eine "Riesensauerei".

Es wurde dann Cristiano Ronaldo. Vor Lionel Messi. Franck Ribéry, der Franzose vom FC Bayern, verließ die Gala im Januar im Zürcher Kongresshaus durch den Hinterausgang. Drittbester Kicker des Universums - hat er diese Platzierung wirklich als Demütigung empfunden? Obwohl doch längst jeder weiß, dass die Goldballwahl nur eine lausige Umfrage unter Trainern und Spielern ist, von Island bis Dschibuti, von Aruba bis zu den Salomon-Inseln? Ist er deshalb seit Wochen so schlecht drauf? Gekränkte Eitelkeit, geplatzte Träume?

Irgendwas wird schon dran sein, wenn jetzt sogar der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge in der Sport-Bild diese These stützt: "Ich habe die Befürchtung, dass der nicht gewonnene Fifa-Titel zum Weltfußballer bei ihm im Hinterkopf eine Rolle spielt. Das war Francks großes Ziel. Als Ronaldo gewählt wurde, hatte ich den Eindruck, dass Franck enttäuscht war." Aber reicht das als Erklärung?

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So unklar die Ursache ist, so unübersehbar sind die Symptome. Ein Franck Ribéry in Normalform ist beim FC Bayern normalerweise derjenige, der den mal mehr, mal weniger delikaten Ballbesitz-Eintopf aus der Guardiola-Kantine mit einem Schuss individuellem Wahnsinn abschmeckt. Der Veredler. Aber davon ist seit Wochen kaum noch etwas zu sehen. Die Leichtigkeit fehlt, das weiß er selbst am besten. "Wir sind keine Maschinen", sagte er kürzlich, "ich bin 31, manchmal braucht man ein bisschen Pause." Das Problem: Ribéry nimmt sich die Pause nicht nur neben dem Platz.

In der Champions League, beim Halbfinal-Hinspiel gegen Real Madrid am Mittwochabend (0:1), trafen sich die beiden mal wieder auf dem Rasen, Ronaldo und Ribéry. Rummenigge hoffte: Ribéry, der Filou, werde sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, "allen zu zeigen, dass es ein Fehler war, ihn nicht zu wählen". Tatsächlich kam es dann aber so: Ronaldo war in den Tagen vorher verletzt gewesen, er schonte erkennbar seine Muskeln, bereitete aber trotzdem das entscheidende Tor mit vor (Benzema, 19.) - und wurde in der 73. Minute ausgewechselt. Von Ribéry ist eigentlich nur seine Auswechslung in Erinnerung, in der 72. Minute.

Den Mitspielern ist das Leiden ihres Spaßvogels auch aufgefallen, sie wollen es aber nicht dramatisieren. "Ich weiß nicht, ob ihm was fehlt", sagte Manuel Neuer in Madrid, man müsse aber bitte berücksichtigen, "dass andere auch Fußball spielen können"; Neuer meinte die Gegenspieler. Pep Guardiola, der Trainer, sagte schon nach dem Ligaspiel jüngst in Braunschweig (2:0) - dem vielleicht schlechtesten Auftritt Ribérys überhaupt, seit er 2007 nach München kam -, man müsse ihn "unterstützen". Ribéry spiele "immer mit Herz" und sei "sehr wichtig für uns".

Das ist er tatsächlich. Wohl nur deshalb spielt er in den großen Spielen noch von Anfang an (vielleicht nicht am Samstag gegen Bremen, aber sehr wahrscheinlich wieder am Dienstag im Rückspiel gegen Real): weil man sich selbst von einem schwächelnden Ribéry noch die spielentscheidenden Impulse erhofft.

Wie im Viertelfinal-Rückspiel gegen Manchester United (3:1), unmittelbar nachdem die Engländer in Führung gegangen waren. Da bediente Ribéry Mario Mandzukic, eine passgenaue Flanke mit Unterschnitt war das, besser hätte man den prompten Ausgleich nicht vorbereiten können. Man erinnert sich auch noch an das DFB-Pokal-Halbfinale gegen Kaiserslautern eine Woche später, da legte Ribéry Mario Götze per Hacke ein Tor auf. Das war aber schon nicht mehr spielentscheidend. Es war das 5:1, danach wurde abgepfiffen. Sonst erinnert man sich an nicht so viel Sehenswertes.

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Und das alles wegen dem Goldenen Ball? Eher nicht. Fehlender Rhythmus ist auch ein Problem: Im Winter war Franck Ribéry mit den Folgen einer Operation am Gesäß beschäftigt, ein Bluterguss wurde entfernt, vier Wochen Pause. Und es ist auch nicht auszuschließen, dass Ribéry - zusätzlich zur allgemeinen Krise - auf seiner linken Seite noch von einem speziellen Phantomschmerz erfasst wird. Weil ihm etwas Entscheidendes fehlt: David Alaba.

Ribéry und Alaba, in der Vorsaison war das ein mindestens so famoses Duo wie Oberinspektor Derrick und Assistent Harry. Mit Arjen Robben und Philipp Lahm auf der gegenüberliegenden Seite bildeten die beiden die gefährlichste Flügelzange, die der Fußball gesehen hat. Ständig kreuzte der eine den Laufweg des anderen, Ribéry war gewissermaßen deshalb prägend, weil Alaba ihm den Wagen vorfuhr.

Im Guardiola-System muss der Linksverteidiger Alaba mehr in die Mitte einrücken, damit man dort bei Ballverlusten nicht so schnell ausgespielt wird. Auch Robben ist rechts jetzt öfter als früher auf sich alleine gestellt. Der Niederländer überspielt das mit seiner Dynamik, seinen Dribblings. Robben ist gerne Einzelkämpfer, wenn er in Form ist. Ribéry wäre gerne der beste Fußballer der Welt geworden, aber gerne allein war er eigentlich nie.

© SZ vom 26.4.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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