Düsseldorf gegen Kaiserslautern:Ein Rausch mit Wermutstropfen

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Düsseldorfs Ao Tanaka (mittig) jubelt über seinen Treffer zum 4:3 gegen Kaiserslautern. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

4:3 nach 0:3 und ein Flaschenwurf: Fortuna Düsseldorf lässt gegen Kaiserslautern erstmals fast alle Fans gratis ins Stadion - und erlebt eine Premiere, die in vielerlei Hinsicht nachwirken dürfte.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Klaus Allofs war fast zwei Jahrzehnte lang Fußballprofi und ist seit mehr als zwei weiteren Fußballmanager, aber so einen Fußballabend wie am Samstag hat der 66-Jährige noch nicht erlebt. "So etwas kann man sich ja gar nicht ausdenken", sagte der frühere Nationalspieler und heutige Sportvorstand von Fortuna Düsseldorf nach einem Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern, das vor allem als erstes Gratisspiel in die Geschichte des deutschen Profifußballs eingehen sollte. Bis auf 2000 privilegierte Kunden hatte niemand für seine Karte zahlen müssen. Das übernahmen Sponsoren.

Und dann: Entwickelte sich für die 52 000 Zuschauer in der proppevollen Arena am Rhein eine Zweitligapartie, die sich nicht nur Allofs Vorstellungsvermögen entzog. Ein 0:3-Rückstand nach 32 Minuten, zu dem Fortunas Nervenbündel drei Mal erhebliche Mithilfe geleistet hatten, wandelte sich zwischen der 36. und der 63. Minute in einen 4:3-Sieg um.

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Gegen Kaiserslautern müssen die Zuschauer in Düsseldorf erstmals keinen Eintritt für den Stadionbesuch bezahlen. Das ermöglicht ein innovatives Sponsoring-Projekt der Fortuna, über das der Zweitligist sagt, es sei mehr als ein PR-Gag.

Von Ulrich Hartmann

Am Ende des Abends rätselten die Beteiligten allerdings auch, ob der 1. FC Kaiserslautern Protest gegen die Wertung einlegt, denn der Lauterer Spieler Ragnar Ache war beim 3:0-Torjubel in der 32. Minute nahe der Seitenlinie von einer wohl von der Haupttribüne geworfenen Plastikflasche getroffen worden. Ache wurde länger behandelt, es wurde viel diskutiert, dann wurde die Partie fortgesetzt. Zehn Minuten später humpelte der 25-Jährige vom Spielfeld - weil er nach einem Kopfballduell bei der Landung mit dem Fuß umgeknickt war.

Über den Flaschenwurf sagte Kaiserslauterns Geschäftsführer Thomas Hengen am Samstagabend bei Sport1: "Man sieht ganz klar, dass Ragnar getroffen wird und von dem Moment an nicht mehr wirklich im Spiel war. Er hatte kaum noch Aktionen mit dem Ball. Darüber kann man spekulieren. Wir müssen uns beraten."

Für Allofs war der Zwischenfall der Wermutstropfen eines berauschenden Abends. "Es ist schade, dass ein paar Leute einfach nicht zu belehren sind", sagte er. Überdies hatten die Fortuna-Ultras auf der Südtribüne hinter dem Tor im Laufe des Spiels immer wieder Bengalos, Rauchtöpfe und Knallkörper gezündet. Fast hatte es den Anschein, als wollten sie allen mit Gratiskarten womöglich erstmals im Stadion weilenden Zuschauern demonstrieren, wie Ultras so Stimmung verbreiten. Dem Klub drohen massive Strafzahlungen.

Der Manager hofft auf eine "bessere Zukunft der Fortuna"

Das ist Geld, dass die Fortuna gern anders verwenden würde. Am Tag vor dem Gratisspiel hatte sie ein Minus von 2,9 Millionen Euro aus der vergangenen Saison und das Abschmelzen des Eigenkapitals auf 852 000 Euro verkündet. Finanzielle Gründe spielen eine erhebliche Rolle bei dem Projekt "Fortuna für alle". Sponsoren übernehmen diese Saison bei zunächst drei, zukünftig womöglich mehr Spielen die Ticketkosten in Höhe von jeweils 450 000 Euro. Darüber verhandelt der Verein derzeit mit dem Stadioneigentümer, der Stadt Düsseldorf, ob dieser künftig an den Catering-Einnahmen partizipiert. "Dieses Spiel", sagte Allofs trotz aller Nebengeräusche, "war vielleicht der Start in eine bessere Zukunft der Fortuna. Wir sind in einer wirtschaftlich schwierigen Lage - gleichzeitig aber wollen wir zurück in die erste Liga." Durch den Sieg näherte sich die Fortuna zumindest den Aufstiegsplätzen wieder an.

Das gefiel auch den Fanklubs, deren Dachverbands-Vorsitzender Kay Kreuter, 32, vom 'Supporters Club Düsseldorf' als langjähriger Fan einen "sehr emotionalen und denkwürdigen" Abend in der Arena erlebte. "Als es nach einer halben Stunde 0:3 stand, dachten viele von uns schon: typisch Fortuna", sagte Kreuter am Sonntag schmunzelnd, umso begeisternder fiel die "drehbuchreife" Aufholjagd aus. Alle Skepsis und alle Euphorie, zwischen denen Düsseldorfer Fans latent pendeln, wurde in diesem Spiel auf 90 Minuten komprimiert. Den Flaschenwurf verurteilt Kreuter: "Das ist unschön und sollte nicht passieren. So etwas ist aber wohl kaum zu verhindern."

Szene mit Nachspiel? Düsseldorfs Ragnar Ache liegt nach einem Flaschenwurf am Boden. (Foto: Revierfoto/Imago)

Am Projekt "Fortuna für alle", sagt Kreuter, gefalle den organisierten Fans das Bekenntnis des Vereins zu sozialverträglichem Fußball sowie die Förderung von sozialen Projekten. Allerdings begleitete die organisierte Fanszene das Projekt seit der Ankündigung vor einem halben Jahr auch kritisch: Man habe in Gesprächen "die Frage aufgeworfen, was, wenn alle Tickets gratis vergeben werden, 'Fortuna für alle' mit unserer Identität und mit der Bedeutung von Fankultur macht", sagt Kreuter. Vor diesem Hintergrund hat der Verein den Fanklubs zugebilligt, die 11 000 Tickets für die Südtribüne selbst zu verteilen und nicht mit in die allgemeine Verlosung zu nehmen.

Zwei weitere Gratisspiele sind in dieser Saison noch geplant: im Januar gegen St. Pauli und im April gegen Braunschweig. Mit dem Wissen vom 4:3-Spektakel am Samstag dürfte das Interesse kaum abebben. 120 000 Karten waren für das Spiel gegen Kaiserslautern in einem Internetportal angefragt worden. Wer bei der teilweisen Verlosung Pech hatte, könnte sich nach dem Spiel umso mehr geärgert haben.

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