Düsseldorf gegen Kaiserslautern:Wie Fortunas Gratisticket-Konzept funktioniert

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Stimmung kann man sich nicht kaufen: Bei Fortuna Düsseldorf wird sie sicher nicht schlechter werden, wenn Tickets umsonst sind. (Foto: Frederic Scheidemann/Getty)

Gegen Kaiserslautern müssen die Zuschauer in Düsseldorf erstmals keinen Eintritt für den Stadionbesuch bezahlen. Das ermöglicht ein innovatives Sponsoring-Projekt der Fortuna, über das der Zweitligist sagt, es sei mehr als ein PR-Gag.

Von Ulrich Hartmann

Im Rheinland sagt man schon mal salopp: Wat nix kost', is' auch nix. Alexander Jobst kennt solche Sprüche. Die Gratistickets seines Zweitliga-Klubs Fortuna Düsseldorf will der Vorstandsvorsitzende aber keinesfalls so bewertet sehen. "Der wahre Wert eines Fußballtickets ist nicht sein Preis, sondern das Stadionerlebnis", sagt der 50-Jährige. Nun bringt ein ausverkauftes Heimspiel seinem Klub allerdings 450 000 Euro brutto, und irgendjemand muss die Zeche zahlen. Dafür jedoch haben sich Jobst und seine Fortuna-Kollegen etwas Spannendes ausgedacht.

Das Projekt heißt "Fortuna für alle". Das Publikum zahlt bei drei von 17 Zweitliga-Heimspielen in dieser Saison keinen Eintritt. Erstmals ist das so an diesem Samstagabend bei der Partie gegen den 1. FC Kaiserslautern (20.30 Uhr). Es ist ein Spitzenspiel, Sechster gegen Dritter, aber die einzigen zahlenden Zuschauer unter den 52 000 in der Arena am Rhein werden die 2000 VIPs in den Hospitality-Bereichen sein. Alle anderen, die 16 500 Dauerkarteninhaber, teils identisch mit den 11 000 extrovertierten Südtribünen-Fans, die 5000 Lauterer Gästefans und die 21 000 Menschen, die ihre Karten über ein Portal im Internet zugeteilt bekommen haben - sie alle bezahlen für dieses Spiel keinen Cent. 120 000 Tickets wurden insgesamt angefragt.

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Fortuna für alle, und zwar kostenlos: Durch ein von Sponsoren finanziertes Projekt füllt der Zweitligist Düsseldorf sein Stadion demnächst mit Gratis-Tickets. Bald soll das für sämtliche Spiele gelten - die Konkurrenten im Land horchen auf.

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Zwei Fragen drängen sich auf: Wer zahlt die Tickets - und warum überhaupt sollte der Eintritt zu einem Zweitligaspiel gratis sein? Profifußball kostet Millionen, und diejenigen, die im Stadion dabei zuschauen, kommen eigentlich für einen Teil der Kosten auf. Es sei denn, jemand übernimmt das für sie: Sponsoren. Sie wollen Sympathien und Kunden gewinnen, indem sie Menschen erstens zu Spielen einladen und diesen Menschen zweitens vermitteln, die Werte und die Tradition des Fußballs zu pflegen. So etwas gefällt Fußballfans. Deshalb könnte die Finanzierung von Gratiskarten durch Konzerne theoretisch sogar dauerhaft funktionieren. Und dieses Fernziel haben sie in Düsseldorf. Jobst sagt: "Fortuna für alle - das ist kein PR-Gag, das ist ein neues Geschäftsmodell mit gesellschaftlicher Verantwortung."

"Ein Einfach-weiter-so erschien uns nicht sinnvoll", sagt Fortuna-Chef Jobst

Die ersten drei Partner für das zunächst auf fünf Jahre angelegte Projekt sind die Targobank, der Computerkonzern Hewlett Packard Enterprise und die gemeinnützige Initiative Common Goal. In Zeiten sinkender TV-Erlöse und stagnierender Ticket-Einnahmen bei zugleich steigenden Kosten waren die Fortuna-Verantwortlichen auf der Suche nach einem gesellschaftsrelevanteren, weil vielversprechenderen Finanzierungsmodell. Es beabsichtige nicht die bloße Maximierung von Erlösen, sondern, wie Jobst es nennt, "den Fußball als gesellschaftlichen Kitt" und "das Stadionerlebnis als emotionalen Kern" in den Mittelpunkt zu rücken.

Für die Sponsoren und für den Verein eröffnen Ticketgeschenke die Möglichkeit, mehr Sympathien zu gewinnen als durch bloße Banden- oder Trikotwerbung. Ein Sponsorenkreis mit solchen Absichten soll wachsen und der Fortuna ermöglichen, in den kommenden Jahren sukzessive mehr Gratisspiele anzubieten und den Stadionbesuchern vielleicht irgendwann sogar alle Heimspiele einer Saison zu bezahlen. Warum komplett gratis statt ermäßigt? Das hat mit Bundesliga-Regularien ebenso zu tun wie mit steuerlichen Einschränkungen.

Zettelt eine kleine Revolution an: Alexander Jobst, Vorstandsvorsitzender von Fortuna Düsseldorf. (Foto: Oliver Berg/dpa)

"Ein Einfach-weiter-so erschien uns nicht sinnvoll", sagt Jobst über die generell herausforderndere Sponsoren-Akquise. Immer weniger Unternehmen scheinen bereit zu sein, mit ihrem Geld ausschließlich Profifußball zu unterstützen. Vielmehr stießen die Fortunen bei Sponsoren auf Interesse, auch gesellschaftsrelevante Facetten zu berücksichtigen, zum einen durch Gratisfußball für die Menschen der Stadt, zum anderen durch eine sinnvoller erscheinende Verwendung des Geldes: Die Hälfte der für fünf Jahre zugesagten Sponsoring-Summe von 40 Millionen Euro versickert nicht im Profifußball, sondern geht nachhaltig in Nachwuchs- und Frauenfußball, in den Breitensport und in Digitalisierung. Dadurch wird Sport-Sponsoring aufgefächert und adressiert auch Unternehmen, die für ein herkömmliches Sponsoring nicht infrage kämen.

Als das Projekt vor einem halben Jahr vorgestellt wurde, führte das bundesweit zu Resonanz. Viele Klubs fragten bei Jobst nach, wie er das zu gestalten gedenke, sogar von seinem früheren Arbeitgeber Real Madrid kam eine Anfrage. Vor einem Monat erhielt die Fortuna beim "World Football Summit" in Sevilla den "Most Impactful Branding Award" für die eindrücklichste Initiative. Jobst will sich mit der Auszeichnung aber bewusst nicht öffentlich brüsten, ihm sei daran gelegen, sagt er, dass die Fortunen in der Branche nicht als Besserwisser und Moralapostel wahrgenommen werden. "Das ist unser Konzept", sagt er. Jeder Verein müsse seinen eigenen Weg gehen.

Jobst, der schon im Siemens-Marketing, bei Real Madrid, beim Weltverband Fifa und bei Schalke 04 gearbeitet hat, weiß nicht, wie sich das neue Geschäftsmodell entwickeln wird. Es gibt viele unwägbare Faktoren. "Zunächst mal ist das der Beginn einer Reise, von der wir überzeugt sind", sagt er. Wohin die Abenteuerreise führt, darauf sind auch bei der Fortuna alle sehr gespannt. Die nächsten Gratisspiele sind im Januar gegen St. Pauli und im April gegen Braunschweig.

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