Formel 1 in Silverstone:"Die McLaren sind wie Raketen"

Lesezeit: 3 min

Trendfarbe papaya: Beim Start in Silverstone zieht Lando Norris (links vorne) alle Augen auf sich - Max Verstappen (rechts daneben) hat vorerst das Nachsehen. (Foto: Phil Duncan/Imago)

Max Verstappen siegt auch in Silverstone, doch hinter dem Dominator sortiert die Formel 1 sich neu. Lando Norris darf sich plötzlich heiße Duelle liefern - und Oscar Piastri wird erst von einer Rennorder gestoppt.

Von Elmar Brümmer

Die Tournee der Kleinen Raupe Nimmersatt geht weiter, in der britischen Version als the very hungry caterpillar. Elf Rennen in Serie hat Red Rull Racing jetzt für sich entschieden, zehn in dieser Saison, plus das letzte der vergangenen. Damit ist ein 25 Jahre alter Rekord von McLaren aus der Senna-Prost-Ära egalisiert. Für Max Verstappen ist der Triumph beim Großen Preis von Großbritannien der sechste Sieg hintereinander, da staunt sogar der in diesem Jahr übererfolgreiche Manchester-City-Coach Pep Guardiola. Der sonntägliche Boxengast bei Mercedes hätte gern Lewis Hamilton triumphieren sehen, und dessen Sprung von Startplatz sieben auf drei ist auch ein kleiner Sieg - aber nichts gegen den zweiten Rang von Lando Norris im McLaren. Eine neue Farbe an der Spitze, sogar eine sehr auffällige: papaya.

Zunächst war am Wochenende in Silverstone das Vorspiel dramatischer als das Rennen selbst, ein von launischen Regenschauern choreografiertes Qualifying. Selbst wenn am Ende wieder Verstappen vorn steht: So oft sieht man den derzeit besten Formel-1-Piloten nicht gegen die Boxenmauer fahren. Alles glimpflich verlaufen nach dem Fauxpas, außer für den Frontflügel. Und am Ende zeigt der Niederländer, dass seine große Stärke jene ist, sich allen Bedingungen schnell anpassen zu können.

SZ PlusFormel 1
:Acht Fahrer nachträglich bestraft

Max Verstappen gelingt in Spielberg ein perfektes Wochenende. Aber weil Lewis Hamilton und andere ständig von der Strecke abkommen, wird erst gemotzt und gepetzt wie im Kindergarten - dann endet der Grand Prix im Regel-Wirrwarr.

Von Philipp Schneider

Wer hinter ihm starte, sei ihm eher egal, befand er vor dem Start zum zehnten WM-Lauf - mit Ausnahme vielleicht von Lando Norris. Merke: Der Weltmeister ist auch in der Vorhersage stark! Denn genau das passiert dann am Start: Verstappen hat leicht durchdrehende Räder, gerät sofort ins McLaren-Sandwich, und im Gerangel behält tatsächlich Norris die Oberhand. Verstappen also unter Druck: Was für ein selten schöner Auftakt. "Die McLaren sind wie Raketen", staunt weiter hinten auch Hamilton.

Die Rekordkulisse von 160 000 Zuschauern möchte natürlich einen britischen Helden feiern; im Vorfeld des Rennens war die Formel 1 zu Gast in der Downing Street, um vom Premierminister mehr Unterstützung für einen der letzten Industriezweige zu fordern, in dem Großbritannien führend ist. Allein die Audienz zeigt den Stellenwert, den der Motorsport auf der Insel hat. Und tatsächlich: Fünf Runden lang labt sich das Publikum dann an einem in Führung liegenden Landsmann. Alle Augen auf Norris.

In England gilt auch: Alle Augen auf Lando Norris

Der Brite ist mit 23 einer aus der Verstappen-Generation, und er hat seit einer Woche einen Rennwagen, der ihn aus dem Mittelfeld nach vorn katapultieren kann. Das generalüberholte McLaren-Auto des Traditionsteams ähnelt von der Seite stark dem Red-Bull-Rennwagen, was nicht unbedingt überraschend ist, denn Technikdirektor Peter Prodromou ging einst bei Adrian Newey zur Schule. "Ein Weckruf auch für uns", befindet Lewis Hamilton über den Aufschwung des Rennstalls, bei dem er groß geworden ist. Wie stark McLarens Neu-Interpretation geworden ist, zeigt das Abschneiden des Rookies Oscar Piastri. Der Australier kommt derart gut in Schwung, dass es sogar eine Stallorder gibt: Er darf Noris nicht angreifen, nachdem jener doch wieder von Verstappen überholt worden war. Plätze halten, Reifen schonen, optimale Punkte mitnehmen. Piastri wird am Ende starker Vierter.

Nach einem Fünftel der Renndistanz kommt eine Ansage, die very british ist, auch im Sommer: Regen im Anmarsch. Die Wolkengucker wissen leider nur nicht, wann er kommt, oder wie stark er sein wird. Was die Strategie angeht, ein echtes Vabanque-Spiel. Das Pokern und Bangen kommt gerade rechtzeitig, um die zementierten Positionen vielleicht etwas aufzubröckeln, auch wenn die Schauer am Ende ausbleiben. "Plan B" funkt der Stratege von Ferrari mit der üblichen Aufregung in der Stimme, und Charles Leclerc kontert verwirrt, aber gelassen: "Was war noch mal Plan B?" Offenbar, nach einem Drittel zum Reifenwechsel an die Box zu kommen, und so Rang vier zu riskieren. Die Mercedes-Taktiker reagieren darauf und lassen George Russell viel, viel länger draußen - doch der Monegasse bleibt vorn, weil der späte Boxenstopp des Briten daneben geht. Sieg für Plan B, aber nur für den Moment. Mit frischen Pneus kontert Russell den Ferrari doch noch aus. Das ist das Schöne an der Verstappen-Dominanz: Man kann weiter hinten ganz in Ruhe wieder einzelne, gute Duelle studieren.

Nach 31 der 52 Runden rollt der Däne Kevin Magnussen mit loderndem Motor im Heck seines Haas-Rennwagens aus, das Safety-Car kommt. Spitzenreiter Verstappen spart dadurch eine Menge Zeit bei seinem Pflichtstopp. Verfolger Norris auch, Hamilton als Dritter ist der große Gewinner der Neutralisierung. Alle kommen sich näher, und bei Ferrari wird wieder über Boxenfunk diskutiert. "Status vier" ist die neue Ansage. Was immer das nun bedeutet, es geht schief.

Neustart bei noch 13 zu fahrenden Runden, Verstappen ist gleich wieder auf der Flucht. Hamilton jagt Norris, das beliebte Generationenduell, getränkt von Adrenalin und geprägt von größtmöglicher Aggressivität. Doch der McLaren-Pilot hält dreimal in brisanter Situation dagegen. Dann ist er durch. Stark am Start, stark am Ende. So sehen geglückte Sonntage in Mittelengland aus.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMotorsport
:Formel Hollywood

Schauspieler Ryan Reynolds hat mit einem Konsortium Anteile des Alpine-Teams erworben, dessen Preis auf fast eine Milliarde Euro taxiert wird. Der Deal steht für die enorme Wertsteigerung in der Formel 1 - und die Hoffnung auf noch mehr.

Von Philipp Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: