Sieben Kurven in der Formel 1:"Das würde meine ganze Situation verändern"

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Christian Horner (links) und Max Verstappen. (Foto: Clive Rose/Getty Images)

Max Verstappen droht seinem eigenen Team, Christian Horner ist plötzlich harmoniebedürftig - und Mercedes fährt im Rückwärtsgang. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes in Saudi-Arabien.

Von Elmar Brümmer, Dschiddah

Christian Horner

Wenn es so etwas wie einen Harmoniebeauftragten der F1 geben sollte (aber wer wollte das wirklich), dann könnte Christian Horner seine Bewerbungsunterlagen einreichen. Denn so oft, wie er die von Enzo Ferrari entliehene Floskel "Niemand ist größer als das Team" an diesem Wochenende benutzt hat, wird fast schon eine Plagiatsgebühr fällig. Das Alpha-Tier von Red Bull Racing ist nicht etwa zahm geworden, auch wenn seine engelsgleich zum Siegerküsschen die Boxengasse querende Gattin Geri gern einen anderen Eindruck erwecken möchte. Horner weiß genau, dass er alle anderen auf der englischen Seite des Rennstalls braucht.

Denn der Burgfrieden im Getränke-Rennstall erscheint noch immer brüchig. Doch Horner wäre nicht Horner, würde er dem Druck nicht gleich mit Gegendruck begegnen: "Max ist ein wertvoller Teil des Teams und ein wunderbarer Fahrer. Aber jeder hat seinen Part zu erfüllen, dafür bin ich als Teamchef verantwortlich." Darauf angesprochen, ob er Champion Verstappen trotz eines bis 2028 laufenden Vertrags zu verlieren drohe, antwortet der Brite gewohnt kryptisch: "Man soll niemals nie sagen." Momentan geht es aber vor allem immer noch um seine eigene Zukunft.

Max Verstappen

Max Verstappen. (Foto: Giuseppe Cacace/AFP)

Über das Einzelzeitfahren an der F1-Spitze muss momentan niemand mehr viele Worte verlieren: zweites Rennen, zweiter einsamer Sieg. Es mochte zwar im Boxenfunk des Titelverteidigers ungewohnt still sein, dafür profilierte sich der 26-Jährige außerhalb des Cockpits immer stärker. Erst stand er seinem polternden Vater Jos bei, den andere für einen Drahtzieher in der Affäre halten, dann stellte er sich drohend gegen das Team, als die Kunde von einer Suspendierung seines Förderers Helmut Marko die Runde machte: "Meine Loyalität ihm gegenüber ist groß. So etwas würde meine ganze Situation verändern."

Also musste Oliver Mintzlaff anreisen, der Sportmanager des Hauses und CEO der Red Bull GmbH. Schlichtung statt Kündigung, Marko bleibt vorerst im Amt. Der 80-Jährige wirkte erleichtert: "Wir waren uns in allen Punkten einig. Ich mache weiter, aber es muss Ruhe einkehren. Das hat Priorität." Auch Rädelsführer Max Verstappen zeigte sich zumindest damit zufrieden: "Ich habe immer gesagt, dass es das Wichtigste ist, dass jeder den Frieden bewahrt. Ich hoffe, dass das von nun an auch der Fall sein wird." Vielleicht sollte er noch schnell seinem Vater Bescheid sagen.

Mercedes

George Russell. (Foto: Darko Bandic/AP)

Novizen in diesem Sport stellen häufig die Frage, ob so ein F1-Rennwagen auch einen Rückwärtsgang hat. Ja, hat er, muss er laut Reglement sogar. Der neue Silberpfeil von Mercedes scheint die Vorschrift überzuerfüllen. Wo andere Teams von den Testfahrten über das erste zum zweiten Rennen hin Schritte nach vorn gemacht hätten, würde es bei Mercedes eher rückwärtsgehen, klagte George Russell. Der Brite war Sechster geworden, Teamkollege Lewis Hamilton nur Neunter. Neben dem Frust schwingt da die Sorge mit, dass das Mercedes-Auto im dritten Jahr hintereinander nicht der erwartet große Wurf ist.

Teamchef Toto Wolff muss eigentlich gar nichts sagen, der Blick auf seine Miene reicht. Der Österreicher spricht von vielen Fragezeichen, und das sei gar nicht gut: "Wir drehen uns im Kreis." Es sei das gleiche Lied wie bisher: "Es gibt irgendeine Krux mit dem Anpressdruck, und das müssen wir verstehen." Ach, wäre doch nur Red-Bull-Konstrukteur Adrian Newey schon auf dem Arbeitsmarkt, denn das Designgenie scheint die ursprüngliche Mercedes-Idee in diesem Jahr perfektioniert zu haben.

Oliver Bearman

Oliver Bearman. (Foto: Clive Rose/Getty Images)

Über Nacht sein Debüt in der F1 geben, was für ein Rennfahrertraum. Die Steigerung: in einem Ferrari! Oliver Bearman, 18 Jahre, hat entweder selig geschlafen nach dem GP von Saudi-Arabien - oder gar nicht. Hellwach hat er als Ersatz für Carlos Sainz, der am Qualifikationstag am Blinddarm operiert werden musste, mit einem ihm unbekannten Auto aus einem schon starken elften Startplatz einen siebten Rang im Rennen gemacht, dabei geschickt die Landsleute Lando Norris und Lewis Hamilton hinter sich gehalten. Und das, obwohl ein F1-Auto etwa 14 Sekunden pro Runde schneller ist als sein Formel-2-Gefährt.

"Der Speed ist unglaublich", schwärmte der Debütant. Sein Ziel war es ja bloß anzukommen. Mit sechs WM-Punkten ist er jetzt der drittjüngste Fahrer überhaupt, der das geschafft hat. Und reichlich Tempo haben auch seine Chancen aufgenommen, 2025 als Stammfahrer genommen zu werden. Der Testpilot des Haas-Teams steht mittendrin im Schaufenster. Dass Ferrari-Boss John Elkann das Rennen Seite an Seite mit Bearmans Vater in der Box verfolgte, ist den Ambitionen vermutlich nicht abträglich. Ein gutes Omen, dass er die Startnummer 38 wählte, damit war schon sein Landsmann Mike Hawthorn unterwegs. Der wurde 1958 Weltmeister mit Ferrari.

Nico Hülkenberg

Nico Hülkenberg. (Foto: Rula Rouhana/Reuters)

Fast ein Jahr lang hat Nico Hülkenberg mit dem Haas-Ferrari auf WM-Punkte gewartet und vermutlich zwischendrin die Hoffnung schon aufgegeben. Irgendwas war immer, egal, wie stark der Emmericher in der Qualifikation mit dem schwachen Auto auch gewesen war. In der neuen Saison und mit neuem Teamchef liegt der unterfinanzierte US-Rennstall weit besser im Rennen als befürchtet. Vor allem ist das Teamplay intakt, denn der Däne Kevin Magnussen, ein ebenso verbissener Kämpfer wie Hülkenberg, hielt seinem Kollegen im Wortsinn den Rücken frei, bremste die Konkurrenz um die vom Kommandostand geforderten 20 Sekunden ein. Zeit genug, damit Hülkenberg den entscheidenden Stopp machen und so den zehnten Platz und den Ehrenpunkt sichern konnte. "Ein sauberes Rennen", befand Hülkenberg, "aber es liegt noch viel Arbeit vor uns." Die Taktik steht schon: Ellbogen raus.

Audi

Der neue Rennwagen von Audi. (Foto: Olivier Matthys/dpa)

Die Gerüchte-Formel, der Hauptwettbewerb dieser noch jungen, aber längst überreifen Saison, ist um einen bislang so verlässlichen Spekulationspart ärmer. Vor dem GP von Saudi-Arabien hat sich die Zukunft des Schweizer Sauber-Rennstalls endgültig entschieden. Der Volkswagen-Aufsichtsrat gab nicht nur grünes Licht für die weitere Übernahme des Teams, dass von 2026 an als Audi-Werksmannschaft operieren soll. Statt der geplanten 75 Prozent sind es nun sogar 100 Prozent der Besitzrechte, die dem schwedischen Eigner und Tetrapak-Erben Finn Rausing abgekauft werden.

Das lässt den Ingolstädtern, deren neuer CEO Gernot Döllner offenbar länger den Sinn des teuren Engagements bezweifelt hatte, komplett freie Hand am Steuer. Daher wird es neben dem bereits installierten Statthalter Andreas Seidl, jetzt offiziell Teamchef, noch eine weitere Hierarchie-Stufe geben. Der bisherige Entwicklungschef Oliver Hoffmann muss aus dem Audi-Vorstand ausscheiden und wird dafür Vorsitzender der Verwaltungsräte bei Sauber und der Audi Racing GmbH. Hoffmann gilt als Vater des F1-Projekts.

Susie Wolff

Susie Wolff (links) mit Yuki Tsunoda. (Foto: Rudy Carezzevoli/Getty Images)

Der nach Ramadan ausgerichtete Renn-Kalender hat der Nachwuchsrennserie F1 Academy einen perfekten Starttermin beschert: Am Weltfrauentag ist die Rennfahrerinnen-Förderung des Formula One Managements in eine entscheidende Phase eingetreten. Jeder Grand-Prix-Rennstall unterstützt aktiv eine Pilotin, siebenmal in diesem Jahr dürfen sie sich auf der großen Bühne präsentieren. Susie Wolff, Gattin von Mercedes-Teamchef Toto Wolff und letzte richtige F1-Testfahrerin, soll dafür sorgen, dass es mittelfristig endlich eine Frau in die Königsklasse schafft.

Dazu braucht es eine breitere Basis auf hohem Niveau. Die Schottin sagt kämpferisch: "Eine neue Ära hat begonnen." Ganz in diesem Sinne war in Saudi-Arabien, wo Frauen erst seit 2018 den Führerschein machen dürfen, auch die Einheimische Reema Juffali mit am Start: "Erst wenn meine Landsleute mich sehen, werden sie es glauben." Aus Deutschland ist bei der F1 Academy die Saarländerin Carrie Schreiner mit dabei, die einmal Siebte und einmal Zehnte wurde. Doriane Pin, die eigentlich beide Meisterschaftsläufe gewonnen hatte, wurde nach dem zweiten Rennen disqualifiziert. Die Mercedes-Pilotin war versehentlich noch ein weiteres Mal über die Ziellinie gefahren.

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