Formel-1-Rennen im Krisenstaat Bahrain:Königssohn investiert beim Präsidentensohn

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Zwischen der Formel 1 und den Herrschern Bahrains gibt es enge wirtschaftliche Verflechtungen. Vermutlich ist diese Nähe auch ein Grund, warum an diesem Wochenende trotz massiver Widerstände in dem Wüstenstaat gefahren wird - und weshalb im Rennzirkus kaum jemand moralische Bedenken anmeldet.

René Hofmann

Martin Whitmarsh ist ein smarter Manager. Der 53-Jährige arbeitete einst für eine Rüstungsfirma. Ein Headhunter knüpfte Ende der achtziger Jahre den Kontakt zur Formel-1-Firma McLaren. Kurz darauf wechselte Whitmarsh tatsächlich das Metier. Seit drei Jahren steht er nun dem McLaren-Team vor - stets freundlich, nie um eine Antwort verlegen, meist jovial lächelnd. Selbst bei schwierigen Themen.

Trotz aller Proteste findet der GP von Bahrain an diesem Wochenende statt. (Foto: AFP)

Whitmarsh hätte auch Diplomat werden können, wie sich am vergangenen Wochenende beim Großen Preis von China in Shanghai zeigte, als das Thema Bahrain drängend wurde und die Frage aufkam, ob die Formel 1 nicht einen Bogen machen sollte um das Königreich im Persischen Golf. Im Zuge des Arabischen Frühlings war auch in ihm eine Bewegung gekeimt, die mehr Demokratie forderte. Diese wurde brutal niedergeschlagen. Es gab Tote.

So sehr sich die Journalisten aber auch mühten - Whitmarsh war kein klares politisches Bekenntnis abzutrotzen. Der Frage nach einer möglichen direkten Bedrohung wich er ebenfalls aus, mit einem Vergleich: In Brasilien habe es schon etliche Überfälle auf Formel-1-Mitglieder gegeben. Nein, folgerte er, McLaren stehe zur Entscheidung des Automobilweltverbandes FIA, das Rennen trotz der Unruhen abzuhalten. Die Haltung ist nicht unumstritten.

Human Rights Watch etwa meint: Das Formel-1-Rennen gebe den Herrschern von Bahrain "die Gelegenheit, von der Ernsthaftigkeit der Menschenrechtssituation in dem Land abzulenken". Amnesty International kritisiert, dass die Sportführer den Gastgebern noch nicht einmal mit klaren Forderungen gegenübertreten. Mantraartig betonen FIA-Präsident Jean Todt und Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone, der Sport sei unpolitisch.

Überraschend beziehen sie diese Position nicht. Zwischen den Machthabern über die Wüsteninsel und den Machthabern über die wüste Raserei gibt es zahlreiche, zum Teil sehr enge Verflechtungen. Fast wirkt es, als hätte sich das Königshaus frühzeitig bemüht, seine enormen Investitionen in die Formel 1 mit flankierenden Maßnahmen auch politisch abzusichern. 2004 machte die Formel 1 erstmals in Bahrain Station.

Todt und Ecclestone legen zwar Wert auf die Feststellung, dass formal nicht das Königshaus die Bewerbung um einen Lauf der Königsklasse vorgebracht hat, sondern die nationale Sporthoheit. Aber in einem so kleinen und monarchisch organisierten Herrschaftsgebiet verwischen die Grenzen da schnell. Eine der treibenden Kräfte hinter dem Projekt war stets Kronprinz Salman bin Hamad Al-Chalifa, seines Zeichens auch Ehrenpräsident der Bahrain Motor Federation.

150 Millionen Dollar hat der Bau der Rennstrecke gekostet. Sie gehört zu hundert Prozent dem Konzern Mumtalakat, der im Jahr 2006 auf Geheiß des Königs gegründet wurde und seitdem unter dem Motto "Investing for Bahrain" ein Beteiligungsportfolio im Wert von mehr als acht Milliarden Dollar zusammengesammelt hat, und das Ziel hat, das Land bis 2030 von der Erdölförderung unabhängig zu machen.

Zehn Zylinder in der Formel 1
:Da brodelt doch was!

Die Formel 1 ist in Aufruhr: Sebastian Vettel denkt nicht ans Gewinnen, sondern nur ans Wohlfühlen. Norbert Haug stichelt gegen Red Bull, Mark Webber ist der einzige erwachsene Fahrer - und plötzlich sorgen auch noch zwei Frauen für Aufregung. Eine Zusammenfassung des Wochenendes in der Formel-1-Kolumne Zehn Zylinder.

Elmar Brümmer, Shanghai

2010 stieg die Firma bei der McLaren Group ein, zu der das Formel-1-Team gehört. Im Januar dieses Jahres stockten die Bahrainis ihre Anteile noch einmal auf. Angeblich halten sie nun 50 Prozent. Kein Wunder also, dass Whitmarsh bei Fragen nach Menschenrechtsverletzungen in dem Land lieber im Vagen bleibt.

Und wie ihm dürfte es vielen gehen. Selbst wenn sie wollten: Nicht wenige Teams können es sich schlicht nicht leisten, moralische Standards einzufordern - weil das früher oder später die Frage nach sich ziehen könnte, ob sie nicht auch mit Investoren aus wenig demokratisch organisierten Ländern verbandelt sind. Viele sind das. Williams unterhält ein Technologiezentrum im Emirat Katar.

Die Investmentfirma Aabar aus Abu Dhabi war nach eigenen Angaben nicht nur von Anfang ein "maßgeblicher Anteilseigner" am 2009 formierten Mercedes-Team, seit September 2011 wirbt sie auch auf der Kappe des Meinungsbildners Niki Lauda; die Falcon Private Bank, an der sie beteiligt ist, tritt als Sponsor des Rennstalls Toro Rosso auf. Ferrari war einige Jahre mit der Mubadala Development Co. verbunden, der staatlichen Investitionsgesellschaft des Emirats Abu Dhabi, in dem auch ein riesiger Ferrari-Freizeitpark entstand.

Die neuen Märkte - mit dieser Rolle alleine begnügen sich die Staaten im Nahen Osten nicht. Sie streben auch nach sportpolitischer Macht. Anders als Deutschland haben sowohl die Vereinigten Arabischen Emirate wie auch Bahrain einen Sitz im World Motor Sport Council, dem wichtigsten Sport-Gremium der FIA. Ein Königssohn aus Bahrain darf sich um den Kartsport weltweit kümmern.

Und ein anderer hat vor gar nicht allzu langer Zeit ein strategisch ebenfalls nicht uninteressantes Investment getätigt. Er stieg als Partner bei ART Grand Prix ein, einem Nachwuchsteam, bei dem Nicolas Todt mitmischt, der Sohn des FIA-Präsidenten Jean Todt.

© SZ vom 19.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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