Formel 1: Michael Schumacher:306,1 km/h - und beinahe gelangweilt

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Das Comeback von Michael Schumacher im Formel-1-Zirkus endet auf Rang sechs. Doch er droht der Konkurrenz.

René Hofmann

Sechster, einen Platz vor Weltmeister Jenson Button - so gesehen konnte Michael Schumacher mit seinem Formel-1-Comeback nach drei Jahren Rennpause zufrieden sein. Jedoch: Er war ohne Siegchance geblieben beim Großen Preis von Bahrain und hinter Sebastian Vettel (Red Bull/4.) und seinem Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg lediglich drittbester Deutscher. "Ich habe schon große Abstände zu Saisonbeginn gehabt und am Ende noch um den Titel gekämpft. Ich weiß, wie schnell es sich drehen kann", zog der 41-Jährige ein gelassenes Resümee. Die Rückkehr des Seriensiegers geriet nicht zur Triumphfahrt, aber sie war auch kein Trauerzug. Solides, gehobenes Handwerk - auch das gibt es bei Michael Schumacher.

Den größten Respekt hatte der Rückkehrer vor den ersten Metern. Beim Start gibt es keine Traktionskontrolle mehr, die ein Durchdrehen der Räder verhindert. Das erfordert einen gefühlvollen Einsatz des Gasfußes, vor allem, wenn einer aus dem Gedränge im Mittelfeld losziehen muss, wie Schumacher am Sonntag. Er kam von Startplatz sieben. Bei seinem Formel-1-Debüt in Spa 1991 hatte Schumacher den gleichen Startplatz belegt, was er als gutes Zeichen wertete. Von seinem Platz im Schatten der Haupttribüne sah Schumacher direkt auf das Heck seines Teamkollegen Nico Rosberg, der auf Platz fünf parkte.

Der letzte Tick fehlt

In der Qualifikation und in jedem Training hinter dem Teamkollegen - das ist eine Statistik mit extremem Seltenheitswert in Schumachers langer Formel-1-Karriere. "Dafür gibt es einige Gründe, einer davon ist sicher, dass ich mich erst wieder einfinden muss", sagte er zu dem mäßigen Startplatz. Der 39 Jahre alte Spanier Pedro de la Rosa, der in den vergangenen Jahren McLaren als Testfahrer diente und in Bahrain für Sauber nun wieder einen Grand Prix bestreiten durfte, schilderte ähnliche Eingewöhnungsprobleme: "Wenn man drei Jahre lang an keiner Qualifikation teilgenommen hat, dauert es wieder etwas, sich daran zu gewöhnen. Man ist mit der Situation nicht mehr so vertraut. Deswegen fehlt einem der letzte Tick Selbstvertrauen und etwas an Aggressivität."

Als die Startampel um 15.04 Uhr Ortszeit erlosch, zeigte Schumacher beides. Bereits in der ersten Kurve durfte er erleben, was er sich so sehnlich gewünscht hatte: ein Rad-an-Rad-Duell mit Mark Webber. Just in dem Moment, als der Australier sein Auto neben Schumachers schob, begann der Red Bull ganz mächtig zu rauchen. Die gewaltige Wolke, die der blaue Wagen ausspuckte, deutete auf einen Motorschaden hin. Die Befürchtung bewahrheitete sich jedoch nicht. Webber konnte weiterfahren.

Hausaufgaben für Ingenieure

Als sich sein Nebel gelichtet hatte, war zu sehen: Er hatte den sechsten Platz, von dem aus er gestartet war, an Schumacher verloren. Und: Nico Rosberg hatte sich an Lewis Hamilton vorbei auf Platz vier geschoben. Für Schumacher bedeutete das: Nun sah er erst einmal das Heck von Hamilton, und hinter seinem Heck saß Webber. In diesem Sandwich sollte er bis zum ersten Boxenstopp bleiben.

In den vergangenen Jahren waren die Formel-1-Rennen in Wahrheit mehrere aneinandergehängte Sprintrennen. Die Fahrer mussten schauen, dass sie so schnell wie möglich zu den Boxenstopps kamen. Dort gab es neue Reifen, wieder Benzin in den Tank - und weiter ging es volle Pulle. Weil das Nachtanken nun verboten ist, hat sich das grundlegend geändert: Die Fahrer müssen sich das Rennen einteilen.

Die Reifen sind die Schwachpunkte an den Autos. Werden sie zu hart beansprucht, brechen die Rundenzeiten ein, und die Fahrer werden durchgereicht. Schumacher gilt zwar als einer, der ein Rennen gut lesen kann, wie es im Szene-Jargon heißt, aber die neuen Regeln behagen ihm nicht. "Die Reifen sind anders, was für meinen Fahrstil nicht gut ist, wir müssen deshalb am Auto noch was machen", diktierte er seinen Ingenieuren in die Hausaufgaben-Bücher: "Wir können kein neues Auto bauen, aber im Windkanal doch noch einiges arbeiten und alles optimieren."

Mit dem Sieg, das war schnell klar, würde er an diesem Nachmittag nichts zu tun haben. Dafür waren die Ferraris zu schnell und auch der Red Bull von Sebastian Vettel. Den einzig verlässlichen Referenzwert, um einen Rennfahrer zu beurteilen, liefert stets der Teamkollege. Im Vergleich zu Rosberg sah Schumacher zunächst nicht gut aus. Auf den ersten neun Runden war der Jüngere schneller. Der Abstand zwischen den beiden Mercedes-Bewegern wuchs auf 4,3 Sekunden. Das ist kein gewaltiger Abstand. Aber weil Schumacher der Ruf vorauseilt, seine Rennstall-Partner vom Start weg in Grund und Boden zu fahren, ist er doch erwähnenswert.

Partner auf Augenhöhe

"Ich muss erst meinen Rhythmus finden", hatte Schumacher während des Wochenendes oft wiederholt; ab Umlauf zehn hatte er ihn gefunden. Fortan zeigte die Rundenzeit-Tabelle: Mal war Schumacher schneller, mal Rosberg. Es war eine ausgeglichene Partnerschaft auf Augenhöhe, die nach den Boxenstopps auch auf den Plätzen fünf und sechs im dichten Aufeinander ausgetragen wurde. Formel-1-Fahren - das ist nicht nur Gas geben, Lenken und Bremsen.

Bei den Boxenstopps wird es zum echten Teamsport. Obwohl das Nachtanken entfällt, lässt sich hier - mit einer geschickten An- und Abfahrt - immer noch viel gewinnen. Für Rosberg wies die Uhr beim Stopp 24,295 Sekunden aus, für Schumacher mehr als eine Sekunde weniger (23,160). Der Erfolg in dieser Kategorie ging eindeutig an den Routinier, der im Ziel beinahe etwas gelangweilt klang.

Schumacher nannte die Kolonnenfahrt "die Odyssee, die wir erwartet hatten": "Am Boxenstopp kannst du was machen, nachher fährst du halt wieder hinterher, weil du nicht überholen kannst." Körperlich habe er keine Probleme gehabt. "Das", sagte Schumacher, "war sogar ganz locker. Das liegt an den Reifen, die es nicht zulassen, schnell zu fahren." Seine Höchstgeschwindigkeit an diesem Tag? 306,1 km/h.

Im Video: Bei seinem Comeback-Rennen in Bahrain belegt Rekordweltmeister Michael schumacher Rang sechs. Seine Fans waren trotzdem begeistert.

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© SZ vom 15.03.2010/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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