Formel 1 in Barcelona:Feindliche Übernahme

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2:1 im WM-Kampf: Nach seinen Siegen in Bahrain und Portugal liegt Mercedes-Pilot Lewis Hamilton (re.) vorne, hat in Max Verstappen und Red Bull aber erstmals wieder richtig Konkurrenz. (Foto: Gabriel Bouys/dpa)

Das WM-Duell zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton belebt die Formel 1 und spitzt sich vor dem Großen Preis von Spanien zu: Red Bull wirbt weitere Ingenieure von Mercedes für seine Motorenentwicklung ab.

Von Anna Dreher, Barcelona

Die Höhepunkte? Max Verstappen saß sehr entspannt auf einem roten Sitz bei der Pressekonferenz, die Arme auf den Lehnen abgelegt, die Hände im Schoß. Bei der Frage wanderte sein Zeigefinger hoch zu seinem rechten Auge, als würde er erst einmal überlegen müssen, was er wohl am besten antworten sollte. Als hätte er dort einen unsichtbaren Knopf, den er durch Berührung aktivieren und so seine Erinnerungen abspulen kann. Aber Verstappen musste nicht lange nachdenken, da reichten Sekunden.

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Beim Großen Preis von Spanien wird der 23-jährige Niederländer am Sonntag (15 Uhr, RTL/Sky) zum 100. Mal für Red Bull starten. Und diese für sein Alter erstaunliche Zahl - ergänzt durch 22 Grand-Prix für das Schwesterteam Toro Rosso, das inzwischen Scuderia AlphaTauri heißt - bot einen Anlass, um ihn nach seinen Highlight-Rennen zu fragen. "Ich glaube, Nummer eins. Nummer eins bei Red Bull, das war ein guter Start bei diesem Team", sagte Verstappen und lachte hinter seiner Maske. Vielleicht amüsierte ihn das Understatement dieser Formulierung, vielleicht kamen nun tatsächlich Bilder bei ihm auf, die sich dort abgespielt hatten, wo er sich auch gerade befindet. 2016 kam er nach den 66 Runden auf dem Circuit de Catalunya als Erster ins Ziel und wurde so im Alter von 18 Jahren und 228 Tagen zum jüngsten Formel-1-Rennsieger der Geschichte. Hallo, hier bin ich!

So sehr wie noch nie kommt es in dieser Saison für Verstappen auf jeden einzelnen Punkt an

Und wie wichtig wäre es, wenn Verstappen nun zum Jubiläum ähnliches gelänge. Sein Können hat er längst und immer wieder bewiesen. Aber wirklich komplett wird so eine Rennfahrerkarriere eben erst, wenn man auch am Ende ganz oben steht, als Weltmeister. So sehr wie noch nie kommt es dabei für Verstappen auf jeden einzelnen Punkt an. Denn in dieser Saison lenkt er einen Wagen, mit dem er seinen größten Rivalen dauerhaft herausfordern könnte: Lewis Hamilton, der mit seinem Mercedes die vergangenen Jahre eine Symbiose eingegangen ist, die ihn seit 2017 zum Dauertitelabonnenten gemacht hat. Den Auftakt in Bahrain gewann Hamilton, Verstappen glich aus, bevor Hamilton wieder in Führung ging und in der WM-Wertung vor dem vierten Lauf mit 69 Punkten acht Zähler mehr als sein Verfolger hat.

"Ihr seht den engsten Kampf, den ihr seit einer Weile gesehen habt", sagte Hamilton, als auch er später in dem roten Lehnstuhl Platz genommen hatte. "Max leistet Außergewöhnliches. Er hat ohne Zweifel ein Auto und ein Team, mit dem Meisterschaften gewonnen werden können, und das dieses Jahr seinen Job durchziehen wird, wenn wir unsere Arbeit nicht erledigen." Der Druck auf den 36 Jahre alten Briten ist so groß wie seit langem nicht mehr - was ihn antreibt und anregt, aber keinesfalls verunsichert. Er wirkt tiefenentspannt. "Max ist erfahrener denn je und ganz klar hungrig, mehr Rennen und die Meisterschaft zu gewinnen", sagte Hamilton. "Also auf geht's, wir sind hier, um zu fahren!" Vor einer Woche in Portugal brachte ihn diese neue Herausforderung gar dazu, beiläufig von einem weiteren Jahr in der Formel 1 zu sprechen, wo sich doch seine jüngsten Verhandlungen bis kurz vor den diesjährigen Saisonauftakt gezogen hatten.

Bald auch Weltmeister? "Lasst uns das sportlich auf eine nette Art austragen", sagt Red-Bull-Pilot Max Verstappen zum Duell zwischen seinem Team und Mercedes. "Wir werden hart kämpfen, ebenso sie. Das ist gut für den Sport." (Foto: Handout/Reuters)

Die stärker entfachte Konkurrenz belebt die Formel 1, die sich gesehnt hat nach einem Duell auf Augenhöhe. Der Zweikampf ist das beherrschende Thema in Barcelona, einer Strecke, die traditionell eher Mercedes liegt als Red Bull. Die Königsklasse kreist dort mal wieder vor leeren Zuschauerrängen, auf der Haupttribüne gibt es statt Fans eine Bande im XXL-Format mit den Gesichtern der Hauptdarsteller, die für Abwechslung sorgen soll. Im Fahrerlager, zu dem nur noch Teammitglieder und übertragende TV-Sender Zugang haben, herrscht kein Trubel wie vor der Pandemie. Aber diese Ruhe sollte nicht mit Entspannung verwechselt werden, die Wortwahl wird schärfer.

Ob er bereit sei für einen Krieg zwischen den Teams? "Absolut" sagte Mercedes-Fahrer Valtteri Bottas. "Das wird ein epischer Kampf. Ich bin definitiv bereit, das ganze Team ist es." Der sonst durchaus forsch auftretende Verstappen hingegen bemühte sich, etwas Dampf aus der Sache zu nehmen. "Lasst uns nicht den Begriff Krieg verwenden", sagte er. "Lasst uns das sportlich auf eine nette Art austragen. Wir werden hart kämpfen, ebenso sie. Das ist gut für den Sport."

Verstappen hat sich in den ersten drei Rennen bereits um eine Pole Position und Punkte gebracht

Und das Feld des Duells erweitert sich: Am Donnerstag gab Verstappens Arbeitgeber bekannt, fünf ranghohe Ingenieure für die Abteilung Red Bull Powertrains, die sich um den Antrieb kümmert, abgeworben zu haben. Zuvor war bereits der bei Mercedes für die Mechanik zuständige Entwicklungsdirektor Ben Hodgkinson als Technischer Direktor geholt worden. Weil Honda Ende des Jahres die Formel 1 verlässt, muss sich das britisch-österreichische Team künftig selbst um seinen Motor kümmern. Das ausgegebene Ziel lautet, zum neuen Reglement 2025 Selbstversorger zu sein. Der für Red Bull schöne Nebeneffekt: Das eigene Projekt wird gestärkt, Mercedes als größter Konkurrent geschwächt. "Wir wissen, dass Erfolg nur erreicht werden kann, wenn die besten und cleversten Leute geholt, sie mit den richtigen Werkzeugen ausgestattet werden und dadurch eine Umgebung geschaffen wird, in der sie sich entfalten können", sagte Teamchef Christian Horner.

Das, was Red Bull mit Honda für diese Saison ausgetüftelt hat, hält Mercedes schon jetzt gut auf Trab. Verstappen aber hat sich in den ersten drei Rennen durch das Ausreizen der Streckenbegrenzung bereits um eine Pole Position und Punkte gebracht. Seine neu gezeigte verbale Contenance wirkt sich eben nicht auf seinen aggressiven Fahrstil aus. Was er in Barcelona damit erklärte, dass er sich nun mal nicht mit dem zweiten oder dritten Platz zufriedengebe und versuche, alles aus dem Auto rauszuholen. Dass er außerhalb des Cockpits ruhiger geworden ist, könnte hilfreich sein. Entscheidend aber wäre die Ruhe vor allem auf der Strecke. Viele Fehler darf Max Verstappen sich nicht erlauben. Den Titel, den er seit seiner Kindheit so unbedingt will, hat Lewis Hamilton bereits sieben Mal gewonnen.

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