Formel 1 in Brasilien:Böses Blut als Antriebsstoff

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Sind keine Freunde und werden es wohl auch nicht mehr werden: Red-Bull-Teamchef Christian Horner (links) und Toto Wolff, Motorsportchef bei Mercedes, hier bei einer gemeinsamen Pressekonferenz 2018. (Foto: Georg Hochmuth/dpa)

Die Rivalen der Rennbahn, Verstappen und Hamilton, steuern beim Großen Preis von Brasilien auf den nächsten Höhepunkt zu. Mindestens ebenso heftig wird im Hintergrund ein Duell zwischen zwei Teamchefs geführt.

Von Elmar Brümmer, Stuttgart

Für das Duell mit Ferrari vor ein paar Jahren, das dann nicht annähernd so heftig geführt wurde wie die aktuelle Auseinandersetzung mit Red Bull Racing, hatte sich Mercedes-Teamchef Toto Wolff einen Psycho-Trick beim ehemaligen britischen Langstreckenläufer Sebastian Coe abgeguckt. Jeder Mitarbeiter des Formel-1-Rennstalls sollte sich ein Foto von seinem Gegenüber bei der Scuderia besorgen, damit er den Gegner immer vor Augen habe.

"Es geht nicht darum, einen Feind anzuvisieren, sondern anzuerkennen, dass der Fight auf Augenhöhe stattfindet", referierte Wolff und erzählte auch, dass es für ihn persönlich schwer sei, die Ferrari-Oberen Sergio Marchionne und Maurizio Arrivabene so zu fixieren. Dann ergänzte der Österreicher: "Es fällt leichter mit den Kollegen von Red Bull Racing. Aber deren Bild klebt nicht bei mir im Spind, das würde mir keinen positiven Start in den Tag bescheren."

Ist die Mercedes-Dominanz endgültig vorbei?

Inzwischen kommt Wolff wohl nicht mehr darum herum, die Bilder von Red-Bull-Teamchef Christian Horner und von dem Berater Helmut Marko zumindest ständig vor seinem geistigen Auge zu haben. Denn das britisch-österreichische Konglomerat schickt sich an, nach sieben Jahren Mercedes-Dominanz selbst wieder die Macht zu übernehmen. So wie zu Anfang des vergangenen Jahrzehnts. Vor dem Großen Preis von Brasilien am Wochenende, dem vierletzten WM-Lauf, führt Max Verstappen nach drei Siegen in Folge die Formel 1 klar mit 19 Punkten Vorsprung auf Titelverteidiger Lewis Hamilton an. Und in der für die Rennställe noch wichtigeren, da lukrativeren Konstrukteurswertung ist Red Bull bis auf einen Punkt an den Abonnements-Champion Mercedes herangerückt.

Vor dem Rennen in der vergangenen Woche in Mexiko zeigte sich, dass die Auseinandersetzung der Bosse mindestens so heftig geführt wird wie die Duelle zwischen Verstappen und Hamilton auf der Piste. Der Trash-Talk, der schnell zu einem Crash-Talk wurde, zeigt auch, dass die beiden Manager nicht nur so verbissen sein können wie ihre Chauffeure, sondern dass sie mindestens so unterschiedlich sind. Das färbt ab auf die jeweiligen Rennställe - und natürlich auch die Rivalität. Böses Blut erscheint dabei gewissermaßen als eine Sonderform der erneuerbaren Energie.

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Teamchef Christian Horner ist meist ein leiser Mann, er ähnelt da sehr dem ehemaligen Zampano Bernie Ecclestone - dem er als Trauzeuge verbunden ist. Er agiert nach britischer Gutsherrenart, lebt auch so. Die einzige sichtbare Extravaganz des 47-Jährigen ist seine Ehe mit dem ehemaligen Spice Girl Geri Halliwell. Nach einer erfolglosen Fahrerkarriere hat er sich schnell als Manager von Fahrern wie David Coulthard etabliert und wurde Teamchef in der Nachwuchsklasse Formel 3000. Dort ereilte ihn 2005 der Ruf von Dietrich Mateschitz, innerhalb von fünf Jahren formte er aus dem Getränke-Rennstall ein Team, das Sebastian Vettel zum Weltmeister machte. Das Klima in Milton Keynes, beklagten einige Fahrer, sei nicht nur fordernd, sondern ebenso kalt.

Erst Mercedes - in Person von Toto Wolff - beendete damals die Serie von Red Bull und wurde seinerseits zum Titelabonnenten. Der Österreicher Wolff, zwei Jahre älter als Horner, kam als guter Sportwagenpilot, vor allem aber als noch erfolgreicherer Investor an die Spitze des Mercedes-Werksteams. Dort etablierte er als Tonangeber eine ganz neue Kultur im Rennstall, die im Zusammenspiel mit der überlegenen Hybrid-Technik zur Siegesserie führte. Das Leistungsprinzip und Menschlichkeit schließen sich für ihn nicht aus. Krisen löst Wolff, dessen schottische Gattin Susie Teamchefin in der Formel E ist, lieber nicht-öffentlich, gern auch mal am Küchentisch.

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Weshalb ein Interview Wolffs kürzlich in der Boulevardzeitung Daily Mail überraschte, in dem er in aller Deutlichkeit ein Crash-Szenario für die WM-Entscheidung ausmalte: "Wenn es zu dem Szenario des letzten Rennens in Abu Dhabi kommt und sie gegeneinander um den Titel fahren, wird derjenige, der vorne liegt, auf jeden Fall versuchen, dasselbe zu tun wie Senna und Prost." Sprich: dem anderen ins Auto fahren.

Wolffs Aussagen waren sicher nicht rein zufällig. Es ist wohl Interpretationssache, wie viel Frust dabei im Spiel war, und inwieweit es sich um einen Versuch handelte, den Gegner zu provozieren und zu verunsichern. Horner, selbst Experte in kleinen Nadelstichen, zeigte sich entsetzt: "Ich war enttäuscht über diesen Kommentar. Wir wollen keine Meisterschaft durch eine Kollision zwischen den Fahrern gewinnen. Von denen gab es dieses Jahr schon genug."

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Mehr als dieses Psychospielchen dürfte Horner aber Wolffs Charakterisierung als "Protagonist in einem Theaterstück" getroffen haben. Wolff will in Horners Schauspielerei die Ecclestonsche Handschrift von Racing und Seifenoper erkennen, "aber ich lasse mich da nicht hineinziehen", sagte er. "Es amüsiert mich, aber es berührt mich nicht." Dennoch war das Interview eine klare Abrechnung, wohl auch das Resultat der Anfeindungen und Anschwärzungen beim Automobilweltverband Fia. Die Rivalen schwärzen sich gegenseitig ständig an, damit der jeweils andere auch keinen kleinsten technischen Vorteil erlangen kann. Dass Verstappen jetzt relativ klar führt, verschärft die Animositäten noch.

Gegenspieler Horner versucht, das raue Klima so sportlich wie zynisch zu nehmen: "Wir alle wissen ja, dass Toto eine Menge zu sagen hat. Ich fühle mich sogar geschmeichelt. Denn wenn man sich die Definition eines Protagonisten anschaut, dann braucht es auch einen Antagonisten. Man könnte sagen, dass Toto diese Rolle vielleicht ganz gut ausfüllt." Er selbst scheint Gefallen am verbalen Duell gefunden zu haben: "Wir alle lieben doch diesen Wettbewerb. Ab und zu wird man dabei angefeindet, aber ich nehme das mit einer Prise Salz und manchmal sogar als Kompliment."

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