Folgen des Düsseldorfer Relegationsspiels:Geister, die heranschweben

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Der Prozess läuft: Weil das erste Düsseldorfer Bundesligaspiel seit 15 Jahren vor leeren Rängen stattfinden soll, kämpft die Fortuna weiter gegen die verhängte Platzsperre. Im Verein rätseln sie, warum gerade das Derby gegen Gladbach so hart sanktioniert wird. Hoffnung auf eine Berufung könnte ein Urteil in einem ähnlichen Fall gegen den KSC bringen.

Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Die Anordnung der 44.683 Sitzschalen in der Fußballarena am Rhein folgt keinem farblichen Muster. Als das Stadion 2004 gebaut wurde, spielte Fortuna Düsseldorf noch in der dritten Liga. Weil Heimspiele vor leeren Rängen drohten, wurden viele bunte Sitze ohne optische Ordnung montiert.

Noch immer ist der Fall des Platzsturms beim Relegationsspiel zwischen Düsseldorf und Hertha BSC nicht ganz abgeschlossen. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Dadurch sieht es sogar im leeren Stadion ein bisschen so aus, als säßen Tausende in reichhaltig kolorierter Oberbekleidung auf der Tribüne. Ein optischer Trick, der sich am 1. September noch einmal für genau ein Spiel lohnen könnte.

"Pure Absicht", schimpft Levels

Am Abend dieses 1. September, einem Samstag, soll Fortuna Düsseldorf um 18.30 Uhr im heimischen Stadion gegen Borussia Mönchengladbach spielen. Es ist Düsseldorfs erstes Bundesliga-Heimspiel nach 15 Jahren und drei Monaten. Es ist das erste Bundesliga-Derby zwischen der Fortuna und Gladbach seit 15 Jahren und fünf Monaten. Düsseldorf und Gladbach liegen 30 Kilometer auseinander, es ist ein Derby der obersten emotionalen Kategorie.

Lange haben die Fans beider Klubs darauf warten müssen, doch wenn es nun so weit ist, sollen sie nicht ins Stadion dürfen. Wegen der Ausschreitungen, dem Sturm des Platzes beim Aufstiegsspiel zwischen Düsseldorf und Hertha BSC im Mai, hat das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) die Fortuna mit einem Heimspiel im leeren Stadion sowie 100.000 Euro Buße bestraft. Nun haben die Spielplaner festgelegt, dass dieses Heimspiel ausgerechnet das Derby gegen Gladbach sein soll. Warum nicht gegen Hoffenheim oder Freiburg?

Warum nicht gegen einen Klub, der weniger Fans mitbringt? Warum müssen sich jetzt auch die Fans der benachbarten Borussia bestraft fühlen? "Pure Absicht" wirft Düsseldorfs Profi Tobias Levels den Spielplan-Verantwortlichen in Frankfurt vor. "Dass es ausgerechnet das Derby treffen soll, ist bitter", sagt Ingo Krausen von Fortunas Fanklub-Dachverband.

"Geisterspiel" wird solch eine Partie im Volksmund genannt, weil eine unheilvolle Stille im Stadion herrscht, eine geisterhafte Atmosphäre. Doch das Niederrhein-Derby, hinter dessen Ansetzung ausgerechnet zum sanktionierten Fortuna-Heimspiel mancher Skeptiker einen Trick des Verbands zur Abwendung von Randale-Risiken vermutet, droht gleichwohl Geister zu wecken, die die Ordnungskräfte nur schwer bändigen könnten.

"Die meisten werden sich schon aus purem Protest auf den Weg machen", hat das Fanprojekt Mönchengladbach angekündigt und unheilvoll suggeriert, Fans könnten außerhalb des Stadion-Areals und in der Altstadt für Unruhe sorgen.

Stimmen zu Ausschreitungen im Relegationsspiel
:"Das war ein irreguläres Spiel"

Bestürzt reagieren die Verantwortlichen von Fortuna Düsseldorf auf die Fankrawalle während des Relegationsspiels im eigenen Stadion. Gegner Hertha BSC denkt über einen Protest nach - viel Lob bekommt indes Schiedsrichter Wolfgang Stark: Weil er es schaffte, die Situation zu deeskalieren.

Stimmen im Überblick

Bei der Düsseldorfer Polizei wirft man deshalb schon jetzt einen kritischen Blick auf das Spiel in zwei Monaten, gibt aber lieber keinen Kommentar ab, um die Angelegenheit nicht unnötig aufzuladen. Die örtlichen Beamten sind schließlich erfahren mit problematischen Fußballfans, die bloß der Altstadt wegen anreisen. Das ist samstags immer dann der Fall, wenn weitgereiste Fans von den Gastspielen ihrer Klubs aus Gelsenkirchen, Dortmund oder Leverkusen auf der Heimreise ihr nächtliches Vergnügen in der Altstadt suchen.

Sie wollen spielen - und zwar vor ihren Fans: Fortuna-Profis beim Trainingsauftakt. (Foto: dpa)

Am 1. September wird wohl, wenn das Zuschauerverbot bestätigt wird, eine surreale Atmosphäre in Düsseldorf herrschen. Als "schwer vorstellbar", empfindet Peter Frymuth die Situation. Der Vorstandsvorsitzende von Fortuna Düsseldorf findet das Strafmaß des DFB- Sportgerichts "wirtschaftlich wie emotional zu hoch". Durch den Wegfall aller möglicher Einnahmen entstünde der Fortuna ein Schaden in siebenstelliger Höhe. Der Jammer bei den Fans, die das Derby auf Großbildleinwänden anschauen sollen, wäre ein zusätzlicher Schlag.

Die Fortuna hat gegen das Urteil Einspruch eingelegt, der Termin für die mündliche Verhandlung steht noch nicht fest. Am Montag verhandelt das Sportgericht des DFB zunächst im Fall des Drittligisten Karlsruher SC. Das Urteil in einem ähnlichen Fall von Zuschauerausschluss wird den Düsseldorfern einen Hinweis auf die eigene Chance in der Berufung liefern.

Dass die Fortunen mit dem leeren Stadion ausgerechnet gegen Gladbach besonders hart bestraft werden sollten, mag Klubchef Frymuth nicht glauben. "Ich stelle da keinen kausalen Zusammenhang her", sagt er. Vor stadtweiter Trübsal an einem eigentlich erfreulichen Samstag im September graut ihm trotzdem schon jetzt.

© SZ vom 05.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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