Bayern-Trainer Flick:"Wir brauchen auf jeden Fall noch Verstärkung"

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Bayern-Trainer Hansi Flick. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Bayern-Trainer Hansi Flick treibt eine Sorge um: Ihm fehlt es angesichts vieler verletzter Spieler an Tiefe im Kader.
  • Der SZ sagt er, er denke "an mindestens zwei Spieler - auf jeden Fall einen für die Defensive und vielleicht auch für die offensive Außenbahn".
  • Flicks Hilferuf aus Doha wird gewiss auch den Sportdirektor Hasan Salihamidzic erreichen, der die Bedenken seines Trainers aber ohnehin kennt.

Von Christof Kneer, Doha/München

Im Moment könnte Hansi Flick eine Elf auf den Platz bringen, für die sich der FC Bayern in Meisterschaft und Champions League nicht genieren müsste. Im Tor stünde dieser Manuel Neuer, den sein neuer Vorgesetzter Oliver Kahn gerade so vehement gelobt hat, wie er früher Leute durchgeschüttelt hat. Vor Neuer könnten Pavard, Boateng, Alaba und Davies eine tadellose Abwehrkette bilden, im Mittelfeld könnten sich Kimmich, Thiago und Goretzka zu einem schönen Dreieck formieren, und die Offensivreihe davor wäre zwar etwas gewöhnungsbedürftig angeordnet, aber mei: Müller rechts vorne, Perisic im Zentrum und Coutinho links? Das kann man schon machen.

Selbstverständlich könnte man Müller auch durchs Zentrum stürmen lassen, und man hätte übrigens auch noch Tolisso, der ebenfalls fürs Mittelfeld tauglich wäre. Kimmich müsste dann nach rechts hinten weichen, Pavard nach innen und Boateng vielleicht auf die Bank, wo er dann neben ... ja, neben wem eigentlich sitzen würde?

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Joshua Zirkzee würde er da treffen, dazu Mickaël Cuisance, Lukas Mai und noch so ein paar Junge, einer heißt Bright Akwo Arrey-Mbi, der ist immerhin fast 17. Den findet Flick übrigens besonders vielversprechend, der werde wohl mal ein sehr Guter, sagt er. Überhaupt sei er "mit den jungen Spielern hier sehr zufrieden", sagt er.

Zum Rückrunden-Start drohen viele Ausfälle

Hansi Flick geht in Doha ans Telefon, am Nachmittag ist Training, und einer wie Flick freut sich ja immer aufs Training. Er hat sich im Laufe seiner Karriere auch mal in Funktionärsbüros verlaufen, umso mehr genießt er jetzt wieder den Reiz des Rasens, erst recht bei einem Verein wie dem FC Bayern, der auf diesem Rasen immer gewinnen will. Aber in die Freude, Cheftrainer beim sogenannten Rekordmeister zu sein, mischt sich bei Flick im Moment tiefere Sorge.

"Ich finde es gut, wenn sich Bayern München die höchsten Ziele steckt", sagt Flick am Telefon, "aber wenn man von ,pack mas' und ,voll angreifen' und allen möglichen Titeln spricht, braucht man auch einen Kader, der in der Tiefe genügend Substanz und Qualität besitzt."

Wenn Flick gerade aus Doha auf die Bundesliga schaut, sieht er Dinge, die ihm nicht so sehr gefallen. Er sieht seinen FC Bayern, auf dessen Verletztenliste ohnehin schon prominente Namen wie Niklas Süle (Reha nach Kreuzbandriss), Javi Martínez (Muskelbündelriss), Lucas Hernández (Aufbautraining nach Sprunggelenks-OP) und Kingsley Coman (Kapseleinriss im Knie) stehen, und er sieht, dass sich in Doha jetzt auch noch Serge Gnabry an der Achillessehne verwundet hat. "Sehr ernst nehmen" müsse man das, hat Flick schon gesagt, obwohl offenbar kein struktureller Schaden vorliegt. Womöglich werden die Bayern ihren Nationalspieler vorzeitig nach Hause schicken, fürs Rückrunden-Auftaktspiel bei Hertha BSC (19.1.) rechnet Flick nicht mit Gnabry. Wenn Flick im Geiste schon mal die mögliche Aufstellung für dieses Spiel durchgeht, dann sieht er auch, dass ihm in Berlin der gesperrte Joshua Kimmich (fünfte gelbe Karte) fehlen wird, immerhin könnte Robert Lewandowski nach seiner Leisten-OP zurückkehren.

Was Flick aber halt auch noch sieht aus Doha: Was die anderen so machen. Die mangelnde Tiefe im eigenen Kader fällt im Gegenschnitt erst recht auf, "gerade wenn man sieht, wie sich die Konkurrenz verstärkt hat", sagt er und kommt zu dem trockenen Schluss: "Mit dem aktuellen Kader sind wir bei dieser Verletzungssituation nicht optimal für die Rückrunde aufgestellt." Während Flick seine letzten Aufrechten durchzählt, haben sich die Dortmunder den europa-, welt-, vielleicht sogar universumweit begehrten Stürmer Erling Haaland gesichert, und der Tabellenführer Leipzig ist sowieso bekannt für seinen ausgewogenen Kader, in dem demnächst auch der verletzte Kevin Kampl zurückerwartet wird. Außerdem ist in Leipzig weiterhin der Außenverteidiger Benjamin Henrichs (AS Monaco) im Gespräch, den hätte Flick sich auch gut auf dem Münchner Trainingsplatz vorstellen können, aber von den zuständigen Stellen im Verein soll er angeblich nur erfahren haben, dass Henrichs nicht kommen werde.

"Wir brauchen auf jeden Fall noch Verstärkung", sagt Flick, "ich denke da an mindestens zwei Spieler - auf jeden Fall einen für die Defensive und vielleicht auch für die offensive Außenbahn. Durch die Sperre von Joshua Kimmich haben wir im Moment nur zehn etablierte Feldspieler für den Auftakt in Berlin zur Verfügung." Der portugiesische Außenverteidiger João Cancelo (Manchester City) wird weiter als Leih-Kandidat gehandelt, eine Winterverpflichtung von Leroy Sané gilt hingegen als unwahrscheinlich bis ausgeschlossen.

Wobei Sané, so gesehen, wunderbar passen würde: Er ist ja ebenfalls verletzt.

Flicks SOS aus Doha wird in Doha auch den Sportdirektor Hasan Salihamidzic erreichen, der die Bedenken seines Trainers aber ohnehin kennt. Flick muss aufholen, vier Punkte Abstand auf Leipzig sind es schon, ein nicht optimaler Start könnte den Rückstand sofort vergrößern. Flicks Rückrunden-Elf muss sofort funktionieren, im Moment hat der Trainer aber das Gefühl, dass die Decke in jedem Fall zu kurz ist, egal an welchem Ende er zieht.

"Und bei Lucas Hernández kann ich momentan noch nicht einschätzen, wann er dauerhaft einzuplanen ist", sagt Flick, "man muss auch berücksichtigen, dass er ein Jahr lang fast durchgehend verletzt war. Er wird seine Position noch finden müssen." Links hinten, wo der 80 Millionen teure Neue spielen könnte, hat Flick sich unverrückbar auf den jungen Davies festgelegt; links innen, wo Hernández vom Klub als fixe Größe eingeplant war, sieht Flick "im Moment ganz klar David Alaba als meinen Abwehrchef". Im Übrigen geht Flick auch davon aus, dass der Dauerwechselkandidat Boateng bleiben wird, Flick will ja mehr Spieler, nicht weniger.

Der leise Flick hat nicht gedacht, dass er mal Bayern-Trainer werden könnte. Jetzt, da er es geworden ist, will er seine Karrierechance nutzen, und wenn er dafür etwas laut sagen muss, dann macht er das auch.

© SZ vom 09.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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