Fifa-Zahlung an Irland:Ein bisschen Geld, dafür haltet ihr still

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Frankreich jubelt (im Hintergrund der "Handspieler" Thierry Henry), Irland ist entsetzt: WM-Relegation 2009. (Foto: AP)
  • Das Handspiel von Thierry Henry in der WM-Relegation war unfair, aber juristische Handhabe hatten die Iren keine.
  • Warum zahlte die Fifa dennoch fünf Millionen Euro? Wollte sie die Debatte um einen Video-Oberschiedsrichter abwürgen?
  • Auch der irische Verband muss unangenehme Fragen beantworten. Ist er bestechlich?

Von Thomas Hummel

Jetzt muss der Deutsche Fußball-Bund hoffen, dass beim Karlsruher SC schon alle im Urlaub sind. Falls beim KSC noch jemand im Dienst ist und ein wenig Bauernschläue mitbringt, dann dürfte das Fax geschrieben werden: Angesichts der offensichtlichen Fehlentscheidung des Schiedsrichters im Relegationsspiel vor dem späten Ausgleich des Hamburger SV beantragt der Karlsruher Sport-Club Mühlburg-Phönix e. V. als 19. Klub in die Bundesliga aufgenommen zu werden.

Es gibt ja nun einen Präzedenzfall von höchster Stelle. Die Iren durften 2010 zwar nicht als 33. Team mit zur Weltmeisterschaft nach Südafrika reisen. Sie erhielten aber als Kompensation fünf Millionen Euro vom Weltverband Fifa. Angeblich für den Bau des nagelneuen Aviva-Stadions in Dublin. Warum also nicht auch ein paar Milliönchen für den neuen Wildpark?

Die Meldungen aus dem Weltfußball in den vergangenen Tagen bestürzen, verwundern, verärgern. Es geht um kolossal viel Geld, es geht um Fernsehrechte und Korruption. Um das Fehlverhalten von Personen, um die merkwürdigen Strukturen der Fifa und um die Vergabepraktiken der WM. Doch in dem neuen Fall aus Irland geht es um etwas anderes: um das Spiel an sich.

Am 18. November 2009 kam es im Pariser Stade de France zum Rückspiel in der WM-Relegation zwischen Frankreich und Irland. Das Hinspiel hatten die Franzosen 1:0 gewonnen, Robbie Keane egalisierte für die Iren in Paris den Rückstand, es ging in die Verlängerung. Nach 103 Minuten flog ein Freistoß in den Strafraum, Thierry Henry stoppte den Ball mit der Hand, führte ihn noch ein zweites Mal mit der Hand, passte nach innen, wo William Gallas ins Tor zum 1:1 köpfelte. Der schwedische Schiedsrichter Martin Hansson gab den Treffer. Frankreich fuhr zur WM, Irland musste daheim bleiben.

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"Wir hatten das Gefühl, Anlass zu einer Klage gegen die Fifa zu haben, weil wir im Playoff wegen Henrys Aktion ausgeschieden waren", sagt nun John Delaney, Präsident des irischen Fußballverbands FAI, dem Radiosender RTE. Zunächst forderten die Iren eine Wiederholung des Spiels. Ebenso beantragten sie öffentlich, als 33. Mannschaft zur WM 2010 reisen zu dürfen. All das wurde von der Fifa abgewiesen mit dem Hinweis auf die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters, die im Nachhinein nicht revidierbar sei.

Im Hintergrund aber kam es zu einem Abkommen, wie nun bekannt wurde. Delaney erklärt: "Wir setzten uns donnerstags zusammen und hatten montags einen Deal, der von allen Parteien unterzeichnet wurde. Damit war die Sache erledigt." Der Weltverband bestätigt den Vorgang: "Die Fifa hat ein Agreement mit der FAI geschlossen, um jegliche Möglichkeit einer juristischen Klage abzuwenden", heißt es in einer Mitteilung.

Juristische Klage? Mit welcher Handhabe? Fehlentscheidungen der Schiedsrichter sind von allen Beteiligten seit jeher zu akzeptieren, ein Gang vor ein ordentliches Gericht wäre sinnlos gewesen. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach kommentiert: "Diese Dinge hat es im Fußball schon immer gegeben. Kein Verband dieser Welt hätte vor einem ordentlichen Gericht recht bekommen."

Der Verdacht liegt in der Luft, dass es sich hier um eine Art Schmerzensgeld handeln könnte. Hier gibt's ein bisschen Geld, dafür haltet ihr still. Henrys Handspiel feuerte 2009 auch die Debatte an, endlich einen Video-Oberschiedsrichter zu installieren, der solche Fehlentscheidungen im Handumdrehen korrigieren könnte. Doch die Fifa will den Videoschiedsrichter nicht. Kritiker unken, der Weltverband halte an ihm fest, weil man ohne ihn leichter Spiele in eine genehme Richtung lenken könne. Das "Abkommen" zwischen der Fifa und den Iren spielt den Kritikern nun in die Argumentation. Ohne irischen Druck wurde der Weltverband die Debatte 2009 schnell wieder los.

Es stellen sich noch weitere Fragen nach der nun öffentlich gewordenen Zahlung. Fünf Millionen Euro als Beihilfe für ein Stadion, das offiziell 410 Millionen Euro kostete und kurz darauf bereits eingeweiht wurde? Delaney nennt das Geschäft dennoch eine "sehr gute Vereinbarung für die FAI". Die Fifa sprach zuerst von einem Darlehen, das später abgeschrieben wurde. Die Iren widersprachen der Darstellung, sie nennen die Zahlung einen Vergleich.

Die Iren mussten sich im Zuge der Enthüllung gleich zweier Mutmaßungen erwehren. Erstens: Die FAI sei käuflich. "Die Abmachung der Fifa mit dem irischen Verband hat zu keiner Zeit einen Einfluss auf unsere kritische Haltung der Fifa gegenüber gehabt", schreibt der Verband. Zweitens wies Verbandschef Delaney kategorisch den Verdacht zurück, er habe sich selbst schmieren lassen.

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Delaney erzählte dann noch eine private Geschichte, offensichtlich um seine Abneigung zu Fifa-Chef Sepp Blatter zu verdeutlichen. Blatter habe ihn und seine Partnerin Emma kürzlich in Wien getroffen. "Er starrte sie sieben oder acht Sekunden lang an und sagte: 'Ich befürworte Ihre neue Freundin.' Ich forderte ihn auf, weiterzugehen, bitte weiterzugehen." Sepp Blatter ein Schwerenöter? Dem 79-Jährigen bleibt in diesen Tagen wirklich nichts erspart.

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