Die Beiträge der Angeklagten beschränken sich weitgehend auf ein paar "Jas" - und eine kleine Korrektur von Wolfgang Niersbach zum Familienstand. Ganz am Anfang des Prozesses fallen diese Worte, als die Richterin die drei früheren DFB-Funktionäre fragt, ob die vorgelesenen persönlichen Angaben so zutreffen.
Ansonsten verbringen Niersbach, 73, Horst R. Schmidt, 82, und Theo Zwanziger, 78, den Tag weitgehend als stille Beobachter im Sitzungssaal I des Landgerichts Frankfurt. Aber dafür ziemlich oft kopfschüttelnd oder anders deutlich machend, dass sie gar nicht nachvollziehen können, was das alles hier soll. Und was die Staatsanwaltschaft ihnen vorhält.
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Am Montag hat in Frankfurt der große Prozess zur Fußball-WM 2006 begonnen - neun Jahre nach dem Bekanntwerden von dubiosen Millionen-Überweisungen rund ums "Sommermärchen". Stolze 24 Verhandlungstage sind vorerst angesetzt, bis in den Oktober hinein. Und doch könnte, dieser Eindruck verfestigt sich am ersten Verhandlungstag, die ganze Angelegenheit deutlich schneller vorbei sein.
Zwar gaben sich die beiden Seiten in der Sache ziemlich unversöhnlich. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, dass eine im April 2005 erfolgte Überweisung an den Weltverband Fifa über 6,7 Millionen Euro zu Unrecht als Betriebsausgabe angesetzt worden sei. Deklariert wurde die Zahlung damals als Beitrag zu einer später abgesagten WM-Gala. Tatsächlich floss das Geld von der Fifa weiter auf ein Konto des französischen Unternehmers Robert Louis-Dreyfus und wurde so ein Privatkredit getilgt, den dieser drei Jahre zuvor dem WM-2006-Chef Franz Beckenbauer gewährt hatte. Um insgesamt 13,7 Millionen Euro sei die Steuerlast für den DFB so verkürzt worden.
Alle drei Verteidiger geben sich zuversichtlich, dass die Sache mit einem Freispruch endet
Die Verteidiger der Angeklagten - und auch der Anwalt des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), dem in diesem Verfahren eine Geldbuße droht - hielten dagegen, dass diese Vorwürfe unsinnig seien. Es gebe keine Steuerhinterziehung, die Zahlung sei in jedem Fall eine Betriebsausgabe gewesen, und die angebliche Schadenssumme im Übrigen viel zu hoch, wie unter anderem Schmidts Verteidiger vorrechnete. Es gehe allenfalls um eine Verkürzung in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro, und nicht in Höhe von 13,7 Millionen Euro; die Staatsanwaltschaft habe unzulässigerweise hineingerechnet, dass dem DFB wegen dieser Affäre die Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Und alle drei Verteidiger gaben sich zuversichtlich, dass die Sache mit einem Freispruch endet.
Doch in diesen Disput mischten sich zwei prozessuale Fragen, die den Prozess vorzeitig beenden können. Wobei es durchaus pikant ist, dass beide Fragen in der jüngeren Vergangenheit schon einmal Thema zwischen den Prozessbeteiligten waren.
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Fast neun Jahre nach dem Auffliegen des "Sommermärchen"-Skandals beginnt der Gerichtsprozess zu den Millionenschiebereien rund um die WM 2006. Formal geht es um die Steuer, tatsächlich um viel mehr. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Das eine ist ein Antrag, den die Verteidiger von Schmidt und Niersbach eingebracht haben. Aus ihrer Sicht dürfte der Prozess gar nicht stattfinden, weil er einen Verstoß gegen Paragraf 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) darstelle. Demnach gilt der rechtliche Grundsatz "Ne bis in idem", nach dem man wegen derselben Tat nicht zweimal von einem Gericht abgeurteilt werden darf, auch länderübergreifend. Gegen das angeklagte Funktionärs-Trio lief wegen der 6,7-Millionen-Zahlung anno 2020 schon mal ein Verfahren in der Schweiz. Dort wurde ihm Betrug vorgeworfen, weil es die Aufsichtsgremien über den wahren Verwendungszweck der Zahlung getäuscht habe. Das Schweizer Verfahren verjährte allerdings nach wenigen Verhandlungstagen mitten im Prozess. Nun wollen Schmidt und Niersbach, dass das Gericht den Prozess in Frankfurt deswegen beendet.
Bemerkenswert ist jedoch: Unter Verweis auf genau diesen Paragrafen 54 der SDÜ hat die zuständige Frankfurter Kammer den Steuerprozess in Deutschland vor anderthalb Jahren schon einmal eingestellt - und wurde anschließend vom Oberlandesgericht mit deutlichen Worten überstimmt. Die übergeordnete Instanz machte klar, dass es sich bei den beiden Fällen um zwei verschiedene Taten handele: einen (angeblichen) Betrug im April 2005 einerseits und eine (angebliche) Steuerhinterziehung später andererseits. Deswegen stellt sich nun durchaus die Frage, warum das Landgericht auf den Antrag positiv reagieren sollte - mit der Gefahr, sich die nächste Schlappe einzufangen, diesmal vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Eine prozessuale Vorgabe, wann die Kammer über den Antrag entscheiden muss, gibt es nicht.
Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt - dann dürfen sich die Angeklagten selbst äußern
Und zugleich ist dort neben der SDÜ noch ein zweites Thema, das den Prozess abkürzen könnte: eine Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung. Dieser ermöglicht, dass der Prozess für einen Angeklagten gegen Zahlung einer Geldauflage und ohne Schuldeingeständnis endet. Allerdings setze er, wie die Staatsanwaltschaft betonte, einen "hinreichenden Tatverdacht" voraus, also wenn eine "überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung" bestünde. Vor wenigen Wochen hatten sich Niersbach und Schmidt mit der Staatsanwaltschaft bereits darauf verständigt - doch das Landgericht stimmte nicht zu, weil Zwanziger als dritter Angeklagter nicht korrekt in die Gespräche eingebunden gewesen sei.
Am Montag brachte die Staatsanwaltschaft diese Variante noch einmal ins Spiel. Die Verteidiger von Schmidt gingen auch sofort darauf ein, Zwanziger hingegen klang in einem Interview außerhalb des Gerichtes nicht so, als komme das für ihn in Betracht. Er habe den Eindruck, "dass die Vertreter der Anklage sehr wohl wissen, dass sie auf sehr dünnem Eis sind" und dass es für alle drei Angeklagten einen Freispruch geben könne und werde, sagte er; ihm sei "sehr viel sympathischer, wenn es zu der vom Gericht angekündigten Beweisaufnahme kommt". Grundsätzlich ist es auch möglich, dass das Verfahren nur gegen einzelne Angeklagte auf diesem Weg beendet wird.
Das Gericht erklärte, es verschließe sich solchen Gesprächen generell nicht, es sei jetzt allerdings nicht der richtige Zeitpunkt. Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt. Dann dürfen sich auch die drei Angeklagten selbst äußern; alle drei kündigten an, das zu tun. Danach ist erst einmal eine längere Pause angesetzt - und es kann durchaus sein, dass dann der Zeitpunkt gekommen ist.