Fifa-Chef Infantino:"Mit Halbwahrheiten garniert"

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Bis hierhin und nicht weiter: Fifa-Präsident Gianni Infantino gibt weiterhin nur einen kleinen Teil seiner Milliardenpläne preis. (Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)
  • Fifa-Chef Gianni Infantino plant einen 25-Milliarden-Dollar-Deal namens "Trophy". Er beinhaltet umfassende Verkaufspläne von Rechten des Fußball-Weltverbands.
  • Die Hintergründe sind teils nebulös. Europas Vertreter stemmen sich gegen das Projekt, hinter dem saudische Interessen stehen sollen.
  • Seit Details im November aufflogen, versucht die Fifa, sich offener zu geben. Doch interne Papiere zeigen, dass Infantino die wahren Hintergründe offenbar seit Monaten verschleiert.

Von Thomas Kistner, München

Es wird eng für Gianni Infantino und sein 25-Milliarden-Dollar-Projekt namens Trophy, das derzeit die Fußballwelt irritiert. Nicht nur der Deutsche Fußball-Bund DFB stemmt sich gegen die umfassenden Verkaufspläne von Rechten des Weltverbands, die sich hinter dem Projekt verbergen, welches der Fifa-Präsident betreibt. Auch die organisierten Profiligen (WLF) bekräftigen ihre Ablehnung. Und die Einschätzung von Reinhard Grindel, dem DFB-Chef und Vorstandsmitglied in Fifa und Uefa, dass Infantino "unseriös" arbeite, teilen die Verbände Europas: Vorige Woche boykottierten sie bei Treffen in Katar das von der Fifa erwünschte Votum zu zwei neuen Turnierformaten. Nun zeigen interne Papiere, dass Infantino die wahren Hintergründe von Project Trophy offenbar gezielt seit Monaten verschleiert.

Im Zuge ihrer "Football Summit"-Treffen mit den 211 Nationalverbänden der Welt will die Fifa den Milliardendeal vorantreiben: eine reformierte Klub-WM und eine globale Nations League. Die ersten drei Gipfel fanden in Doha statt, geladen waren fast nur Fußball-Zwerge von Tonga bis Samoa ( SZ vom 15.12 .). Ihnen wurden Fragenkataloge mit rein sportlich-technischen Bezügen zur Abstimmung vorgelegt.

Doch Europas Vertreter spielten nicht mit. Sie wollen wissen, was das 25-Milliarden-Paket mit den auf Anonymität bedachten Investoren wirklich beinhaltet: Dass es nur um zwei so blasse Turnierformate gehen soll, wird bezweifelt. Also hielten sich die Europäer vom Votum fern und verwiesen auf die Uefa als Leitinstanz. Und Grindel sagte der SZ: "Ohne nähere Fakten zu kennen (...), ist es unseriös, nationale Verbände ganz allgemein abstimmen zu lassen, ob sie für oder gegen eine Klub-WM oder die Global Nations League sind."

Die Uefa will den Deal torpedieren

Damit verfestigt sich das Bild. Infantino hält um jeden Preis an Project Trophy fest, hinter dem auch saudische Interessen stehen sollen. Er nimmt sogar in Kauf, dass ihn eigene Vorstände öffentlich "unseriöser" Praktiken zeihen. Die Uefa indes will den Deal torpedieren: "Das fährt gegen die Wand", sagt ein hoher Repräsentant der SZ. Bewusst halten sich Europas Verbände, Ligen und sogar die Klubs von dem Schauplatz fern, den Infantino nun bearbeiten lässt: die neuen Turnierformate. Ohne Europa kann Infantino keinen Milliardenbewerb kompilieren. Wie farblos die aktuelle Klub-WM ist, zeigt sich just in diesen Tagen: Seit einer Woche läuft das Turnier in den Arabischen Emiraten, von der Fußballwelt wird es kaum wahrgenommen.

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Rechnen würde sich Project Trophy erkennbar nur, träte die Fifa umfassende Rechte ab. Und tatsächlich ist so eine stille Absicht dokumentiert: in einem geheimen "Term Sheet" zwischen der Fifa und den Investoren, einem Konsortium um den japanischen Tech-Konzern Softbank. Das Arbeitspapier hat Infantino Ende März sogar den Fifa-Hausjuristen vorgelegt. Marco Villiger und Jörg Vollmüller waren entsetzt. In einer 16-seitigen Expertise klapperten sie die Gefahrenstufen des Deals ab: vom Nieder- bis zum Untergang der Fifa.

Seit das Arbeitspapier im November aufflog, versucht die Fifa, sich offener zu geben. In einem Papier, das sie nun im Zuge der Fußball-Gipfel an die Verbände schickte, werden Details zu Project Trophy angeboten. Erzählt wird die Historie von Klub-WM und Nations League, wer wann und mit wem bilateral darüber gesprochen hat. Und dass die Uefa im Oktober 2017 der Fifa und den Verbänden "eine neue Idee" angetragen habe: die globale Nations League. Nur habe es leider zu den Finanzfragen keine Idee gegeben. Wie gut, dass kurz darauf, im Dezember 2017, plötzlich der britische Investmentberater "Centricus" anbot, Geldgeber für eine neue Klub-WM aufzutreiben. Man habe diese Firma mit Sondierungen beauftragt. Wochen später präsentierte sie einen angesehenen Investor, dem die Fifa auch gleich die neue Nations League auftischte. Wiederum kurz darauf, am 15. März, lag dann der Vorschlag für beide Turniere auf dem Tisch: Project Trophy.

War es so? Der Schweizer Compliance-Experte Mark Pieth kennt das Term Sheet und auch das jüngste Fifa-Papier an die Verbände. Er bewertet die Darstellungen der Fifa nach innen als "schönfärberisches, politisches Dokument, das mit Halbwahrheiten garniert ist". Es wäre nicht das erste dieser Art. Tatsächlich beinhalten die an die Verbände verschickten Unterlagen nämlich noch ein weiteres Dokument. Einen Brief, den Infantino am 17. April an die europäischen Fifa-Vorstände geschickt hatte - kurz, nachdem seine Hausjuristen Project Trophy ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt hatten. In jenem Brief legte Infantino den Uefa-Skeptikern die Dinge angeblich ganz offen dar: Es sei ja "wichtig, dass Sie ein klares Verständnis von den Vorschlägen haben, damit wir über den besten Weg für den globalen Fußball diskutieren und entscheiden können".

Zum klaren Verständnis fehlt allerdings die entscheidende Passage. Die liest sich im Arbeitspapier mit den Investoren so: Vorgesehen ist der Verkauf aller Digital- und Archiv-Rechte, Filme und Videos, Satelliten- und Netzübertragungen, Merchandising und Spielrechte, Produktionen in HD und 3-D-Format, Computerspiele, sowie "jedes andere Format, das noch weltweit entwickelt wird". Sogar letzte Zugriffsrechte "auf Inhalt und IP-Rechte an existierenden und künftigen Fifa-Turnieren, inklusive der Fußball-WM ab 2026" sind einbezogen. Diese Rechte, laut den Fifa-Justiziaren quasi der Gesamtbesitz, blieben den Investoren auch erhalten, falls sie feststellen sollten, dass Klub-WM und Nations League nicht so rentabel wie erhofft sind - aus denen dürfen sie dann bereits nach vier Jahren wieder aussteigen.

Pieth sieht "große Divergenzen" zwischen Infantinos Brief im April an die Uefa und dem kurz zuvor erstellten Arbeitspapier mit den Investoren. "Besonders fällt mir die Passage auf, wo es um Klub-WM und Nations League geht - und dann folgen die ominösen Sätze, dass im übrigen auch sämtliche Fifa-Rechte für alle künftigen Turniere betroffen" sind. Von diesen Rechte-Verkäufen stünde in Infantinos Brief an die Uefa-Vorstände kein Wort.

Könnte es sein, dass Infantino und die Investoren in den paar Tagen nach der vernichtenden Haus-Expertise einfach den Rechte-Verkauf, also den werthaltigsten Teil der Vereinbarung, wieder aus ihrem Arbeitspapier strichen? Nur, warum mussten dann die Topjuristen Villiger und Vollmüller gehen? Sie hätten Glanzarbeit geleistet und die Investoren überzeugt, dass diese auf ihr just vereinbartes, umfassendes Rechtepaket verzichten sollten - und trotzdem einen tollen Deal gemacht hätten.

Was die Verschleierung des Rechte-Ausverkaufts angeht, wirkt eine Passage entlarvend, die Infantino im Brief eher beiläufig erwähnt. Demnach sei mit den Investoren neben dem 25-Milliarden-Projekt noch eine weitere Milliarde vereinbart: für eine neue Plattform zur Verbreitung und Vermarktung "digitaler Inhalte (z. B. Archivmaterial), Merchandising sowie zur Verbesserung der Beziehung mit den Fans in aller Welt". Für diesen Geschäftsbereich aber sei allein der Fifa-Apparat zuständig: "Weil dies eine rein geschäftliche Entscheidung ist." So stünde es auch im Einklang mit den Reformen. Ist es so, wäre ein stiller Alleingang bis zum Rechte-Ausverkauf regelkonform?

Das will die Uefa nun wissen. Hinhaltetaktik, Ausweichmanöver und neue Strategien, die darauf abzielen, Europa gegen den Rest der Welt auszuspielen: Immer mehr spricht dafür, dass der Fifa-Boss den Deal mit seinen anonymen Geschäftspartnern braucht. Zuletzt ist er ja sehr oft nach Saudi-Arabien gereist, auch lässt er die Saudis gewähren im Zuge einer dreisten Fernsehrechte-Piraterie, die aus Riad gegen den katarischen Sender BeIn Sports betrieben wird. Und als er nach dem missglückten Votum letzte Woche in Doha vor die Presse trat, zog er flott ein anderes Thema hoch, das ihm unter den Nägeln brennt: Die Fußballwelt habe klare Präferenzen dafür, schon die WM 2022 in Katar von 32 auf 48 Teams aufzublähen.

Auch das spielt den Saudis in die Karten. Weil Katar ein Turnier dieser Dimension nicht allein stemmen kann, müssten die Nachbarländer einspringen; vorneweg Saudi-Arabien, das einen Boykott gegen Doha betreibt. Katars Cheforganisator Nasser Al Khater bremst jetzt den Fifa-Boss. Man werde die Machbarkeitsstudie der Fifa abwarten. Und er droht: "Wir erinnern daran, dass Katar den Zuschlag für eine WM mit 32 Teams erhielt. Am Ende entscheidet die Fifa gemeinsam mit Katar - und nur, wenn Katar zustimmt."

© SZ vom 19.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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