Infantinos Wiederwahl:Der skrupelloseste Seelenverkäufer des Fußballs

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Darf bei der Fifa weiterwerkeln: Gianni Infantino. (Foto: AFP)

Dem Fifa-Präsidenten geht es nur um sich selbst: Infantino würde dem Fußball, eiskalt lächelnd, jeden Schaden zufügen, solange er sich etwas davon verspricht.

Kommentar von Claudio Catuogno

Die Feststellung, es gehe im modernen Fußball doch nur noch ums Geld, ist längst alles andere als originell. Natürlich - um was denn sonst? Selbst der FC Liverpool, diese vermeintlich linke Erfolgsgeschichte aus dem Arbeitermilieu, hat nicht zuletzt deshalb die Champions League gewonnen, weil er vor der Saison den teuersten Innenverteidiger und den teuersten Torwart der Welt verpflichtet hat. Und wenn Klubs wie Real Madrid, Juventus Turin oder der FC Bayern in diesen Tagen die europäischen Wettbewerbe neu organisieren wollen, haben sie dabei vor allem eins im Blick: selbst noch reicher zu werden.

Auch der Schweizer Gianni Infantino, der sich am Mittwoch in seine zweite Amtszeit als Präsident des Fußball-Weltverbands Fifa hat wählen lassen, ist bisher vor allem mit Plänen - aus seiner Sicht: "Visionen" - aufgefallen, welche Millionen er hier verteilen will und welche Milliarden er dort einzunehmen gedenkt. Trotzdem läge man falsch, würde man Infantino bloß als besonders geschäftstüchtigen Vertreter seiner Zunft begreifen, als Funktionär, der die unumkehrbare Kommerzialisierung des Fußballs auf die Spitze treibt. Das, ja, Gefährliche an diesem Weltfußballpräsidenten ist: Auch Geld ist für Infantino Mittel zum Zweck. Infantino geht es nur um eines: sich selbst.

Infantino wiedergewählt
:"Heute liebe ich jeden"

Gianni Infantino wird per Applaus als Fifa-Präsident bestätigt - auch der DFB klatscht mit. Ein Grund für die Begeisterung: Der Weltverband ist so reich wie nie zuvor.

Nie zuvor hat ein Fifa-Präsident so offen erkennen lassen, dass er dem Fußball, eiskalt lächelnd, jeden Schaden zufügen würde, solange er sich selbst etwas davon verspricht. Die Fifa-Delegierten haben sich am Mittwoch in Paris erneut dem größten Narziss und skrupellosesten Seelenverkäufer des globalen Fußballbetriebs an den Hals geworfen.

Blatter war eitel und durchtrieben - Infantino ist anders

Ist das etwas Neues? Eitelkeit und Durchtriebenheit waren auch Sepp Blatter nicht fremd, Infantinos berüchtigtem Langzeit-Vorgänger an der Fifa-Spitze. "Eine Million, vielleicht etwas mehr" verdiene er im Ehrenamt, erzählte Blatter all die Jahre - tatsächlich war es ein Vielfaches. Und weil Blatter die Mitglieder der sogenannten globalen Fußballfamilie stets ungestört ihre krummen Geschäfte machen ließ, konnte er sich des Rückhalts bei Fifa-Wahlen sicher sein. Bis heute beteuert Blatter, von den leider korrupten Funktionären um ihn herum habe er nie etwas mitbekommen, er sei da wohl zu vertrauensselig gewesen.

Gianni Infantino ist anders: Er dreht das große Rad lieber selbst. Da wäre zum Beispiel sein 25-Milliarden-Dollar-Projekt: Monatelang erzählte er sogar seinen Vorstandskollegen, man müsse lediglich zwei neue Turnierformate erschaffen, schon würde ein - leider geheimer - Investor die Wahnsinnssumme auf den Tisch legen. Interne Dokumente legten dann jedoch nahe, dass Infantino in Wahrheit auch fast alle Fifa-Rechte an den Investor auslagern wollte. Er wollte die Fifa entkernen zugunsten einer privaten Firma, in der nicht nur der saudische Staatsfonds eine wichtige Rolle hätte spielen sollen. Sondern, genau: auch er selbst. Immerhin: Dieses irre Projekt haben ihm seine Vorstände ebenso versagt wie diverse andere Visionen.

Nun ist die Fifa im Prinzip nach demokratischen Regeln organisiert. Die Delegierten wählen den Präsidenten und wählen ihn im Zweifel wieder ab. Hat der Fußball also den Präsidenten, den er verdient? Ja und nein. Ja, weil zum Beispiel auch die servilen Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes nicht das Kreuz haben, Infantino die Stirn zu bieten. Auch sie applaudierten ihn in seine zweite Amtszeit. Und nein, weil Protest wenig ändern würde: Die Mehrzahl der Delegierten stammt aus Ländern, die gar keinen Fußballbetrieb haben. Aus Fürstentümern oder von Südseeinseln, auf denen es nicht mal einen Rasenplatz mit Flutlichtanlage gibt. Ob Infantino den Fußball verscherbelt, das kriegen sie gar nicht mit. Was sie mitkriegen, sind die gestiegen Überweisungen aus Zürich, formal "Entwicklungshilfe", aber wie diese Gelder verwendet werden, das will ja keiner so genau wissen. Über den Fifa-Präsidenten entscheidet eine Mehrheit, die von seiner Amtsführung gar nicht betroffen ist. Das ist der Konstruktionsfehler.

Die Schweizer Justiz schaut dem Treiben untätig zu

Das Hauptproblem ist trotzdem nicht, dass in Bhutan, Guam oder Vanuatu keiner so genau wissen will, was in der Zentrale in Zürich so vor sich geht. Das Hauptproblem ist, dass Infantino auch jene Fifa-internen Kontrollorgane, die seinen Vorgänger einst aus dem Amt hoben, unter seine Kontrolle gebracht hat. Frustrierte Kontroller, kritische Juristen, unabhängige Experten - sie alle sind einem großen Revirement zum Opfer gefallen. Und die Schweizer Justiz schaut dem Treiben seltsam untätig zu, obwohl Strafrechtler längst genug Anhaltspunkte für ungetreue Geschäftsbesorgung sehen.

Die Daueraffäre der Fifa ist längst auch eine Justizaffäre: Drei Mal verabredete sich Infantino mit dem obersten Ermittler der Schweiz, dem Bundesanwalt, zu geheimen Treffen - protokolliert wurde davon nichts. Und bezüglich des letzten Treffens, das zunächst bestritten wurde, lautet die amtliche Erklärung des Bundesanwalts nun tatsächlich: Er kann sich nicht mehr erinnern!

Der Fall Infantino weist längst über den Fußball hinaus. Er ist auch ein Lehrstück darüber, was passiert, wenn man mit einem modernen Autokraten auf Kuschelkurs geht. Der Chefermittler der Schweizer Justiz steht vor den Trümmern seiner Karriere. Gianni Infantino steht auf dem Höhepunkt.

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