FC Schalke 04:Eine Trophäe für den Vizemeister

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Naldo, Weston McKennie und Franco Di Santo feiern die Vize-Meisterschaft. (Foto: dpa)

In einer Liga, in der der erste Platz schon zu Beginn an den FC Bayern vergeben scheint, ist das kein abwegiger Gedanke. Die Schalker feierten den zweiten Platz jedenfalls wie einen Titel.

Kommentar von Philipp Selldorf

Ein Lied geht um in Gelsenkirchen und im Ruhrgebiet, im Sauerland und im Rest der Welt. Kein Stück der Hochkultur, sondern ein Volkslied, aber überaus raffiniert komponiert. Der Text geht so: "Wir brauchen keine Schale/ wir scheißen auf Pokale/ Deutscher Vizemeister - Essnullvier." Schalke-Fans haben es am Samstagnachmittag beim 2:1-Sieg in Augsburg gesungen, seitdem wollen viele Anhänger des Gelsenkirchener Klubs damit gar nicht mehr aufhören.

Sprachwächter bestehen zwar darauf, dass das Wort Vizemeister in Wahrheit nicht existiert, weil es im Fußball zum Meister einer Saison keine Alternative und auch keinen Stellvertreter gibt. Das ist aber ein kleinkarierter und vor allem vormoderner Einwand. Im Jahr 2018 ist "Vizemeister" in der Bundesliga ein weiterhin inoffizieller und imaginärer, doch schon längst wahrhaftiger Titel. Dass ihn die Schalker Spieler in ihrer Augsburger Umkleide ausdrücklich gefeiert haben, indem sie im Chor "Vizemeister, Vizemeister, hey, hey" grölten, das lag nicht bloß an der berauschenden Wirkung von Pizza, Bier und Schlagermusik: Sie hielten sich in diesem Moment tatsächlich für den zweiten Meister hinter dem üblichen Meister FC Bayern.

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Als er anregte, dem Vizemeister künftig eine Trophäe auszuhändigen, hat der Schalker Manager Christian Heidel bloß einen Scherz gemacht, so abwegig ist der Gedanke allerdings gar nicht für eine Liga, in der der erste Platz bereits vor dem ersten Spieltag vergeben zu sein scheint. Niemand vermag heutzutage zu versprechen, ob die Kinder, die jetzt einen Kindergarten besuchen, je einen anderen deutschen Meister als den FC Bayern erleben werden. Experten sind da skeptisch.

Nun wird überall diskutiert, ob dieses Schalke den Qualitätsanforderungen an einen Titelträger genügt hat. Ein gängiger Einwand besagt, dass die Schalker von der spielerischen Armut des gegenwärtigen Bundesliga-Fußballs profitiert hätten und lediglich durch eine Serie von Arbeitssiegen zu Ehren gekommen seien. Dieser Einwand beruht auf der deutschen Neigung zur Besserwisserei und legt moralische Kriterien an, wo Moral nicht viel verloren hat. Der nach italienischer Sitte "konkrete" Fußball des schlauen Trainers Domenico Tedesco kann nicht in Haftung genommen werden für die Probleme der kulturell angeblich höherwertigen Teams aus Dortmund, Leipzig oder Leverkusen.

Trotzdem trifft es natürlich zu, dass Schalke vor ein paar Jahren mit Spielern wie Raúl, Farfán, Huntelaar oder Draxler mehr brilliert hat. In dieser Saison heißt der Muster-Schalker nicht Naldo oder Leon Goretzka - sondern Daniel Caligiuri. Auf seine Weise war er der Philipp Lahm von Gelsenkirchen, weil er bei jeder Gelegenheit das Optimum aus seinen Möglichkeiten gemacht hat. Seine persönliche Wettkampfhärte wurde zum typischen Kennzeichen für Tedescos Vizemeister.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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