FC Liverpool:Klopp sucht das Feingefühl

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Fanliebling in Liverpool: Jürgen Klopp. (Foto: AFP)
  • Der Audi Cup beginnt, dabei trifft der FC Bayern am Dienstagabend auf den FC Liverpool.
  • Dort ist der deutsche Trainer bei den Fans unumstritten, doch große Transfers wollen ihm aktuell nicht gelingen.

Von Sven Haist, London

Die Spieler des FC Liverpool legten im Mannschaftsbus die Füße hoch. Eigentlich war das für die wartenden Fans das Zeichen, nach Hause gehen zu können. Was sollte es an diesem tristen Montagabend im Mai denn noch zu sehen geben? Nach Liverpools Erfolg beim Londoner Vorstadtklub Watford (1:0) hatten die Profis am Kabinenausgang die Anhänger bereits mit Autogrammen versorgt. Die Leute nahmen das Angebot gerne an, aber deswegen nun den Platz an der Absperrung aufzugeben und sich auf den Heimweg zu machen, fiel ihnen nicht ein. Weil sie primär gar nicht auf die Spieler gewartet hatten, sondern auf Jürgen Klopp, den Trainer.

Seit seiner Ankunft am Mersey im Oktober 2015 hat sich Klopp, 50, zur Hauptattraktion des ruhmreichen englischen Klubs entwickelt - auch wenn der zweimalige deutsche Meistertrainer seinem neuen Verein noch keine Meisterschaft bescheren konnte. Durch sein volksnahes Erscheinungsbild, mit zupackender Rhetorik und legerem Kleidungsstil gelingt es Klopp, die Menschen zu stimulieren. Egal ob sich sein Team auf fernen Kontinenten bewegt oder ob es, wie jetzt, Station macht in München bei einem Vorbereitungsturnier.

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Nach seiner titellosen Saison lässt Pep Guardiola bei Manchester City bisher für schätzungsweise 224 Millionen Euro Spieler holen. Konkurrent Mourinho meint, die Preise seien "total verrückt", bezahlt aber selbst 84 Millionen Euro für Romelu Lukaku.

Klopp füllt die emotionale Lücke

Für die Liverpudlians füllt Klopp die emotionale Lücke, die der Abschied der Identifikationsfiguren Steven Gerrard und Jamie Carragher hinterlassen hat. Beide Spieler kamen aus der Region - was auf keinen der aktuellen Leistungsträger mehr zutrifft. Das liegt auch daran, dass sich aus der Nachwuchsakademie bislang niemand unter Klopp an die öffentliche Wahrnehmungsgrenze spielen konnte. Stattdessen verpflichtete Liverpool jüngst Dominic Solanke, 19, Sturmtalent des FC Chelsea.

Generell fehlt Liverpool Feingefühl auf dem Transfermarkt. Im April strafte die Premier League das Vorgehen ab, einen Jugendspieler von Stoke City mit unlauteren Mitteln wegzulotsen. Dann endete das Werben um Innenverteidiger Virgil van Dijk vom FC Southampton mit einer öffentlichen Entschuldigung an den Konkurrenten. Und fast verzweifelt wirken jetzt die Bemühungen, den universellen Naby Keita trotz mehrmaliger Absage aus seinem Vertrag bei RB Leipzig herauszukaufen.

Der bisher einzige namhafte Zugang der Reds ist Mohamed Salah, doch im kostspieligen Preistreiben der englischen Topvereine für neue Spieler geht der Transfer fast unter. Der 42 Millionen Euro teure Außenangreifer von AS Rom erhöht die Variabilität in der Offensive, eine Lösung für die zentralen Angriffsprobleme ist er nicht. In der abgelaufenen Saison schaffte es kein Spieler Liverpools unter die besten zehn Torschützen der Premier League. Für den Brasilianer Philippe Coutinho, heftig umworben vom FC Barcelona, reichte es mit 13 Toren gerade mal für Platz 14. Selbst der abgeschlagene Absteiger Sunderland hatte einen treffsichereren Stürmer im Kader.

Wie zu Dortmunder Zeiten lässt Klopp einen arbeitsintensiven, rastlosen und emotionalen Fußball ausüben, der sich über die Gemeinschaft definiert. Diese spezifische Spielidee erschwert die Suche nach Verstärkungen. Sie schließt manche Spieler aus und schreckt andere ab. Die meisten der begabten Individualisten lassen sich nur bedingt überzeugen für diese strapaziöse Rennerei auf dem Platz.

Da wird die Teilnahme an der Champions League schnell zur Pflichtbedingung, um begehrte Profis für sich zu gewinnen. In den vergangenen sieben Jahren gelang das nur einmal - immerhin sorgt Rang vier zuletzt im Endklassement dafür, die Königsklasse im August über die Playoffs erreichen zu können. Für dieses Ziel verzichtete Liverpool im Gegensatz zur Konkurrenz auf eine ausgiebige Marketingtour rund um den Globus. Lediglich einen Kurztrip nach Hongkong absolvierte das Team, die obligate Reise nach Australien wurde schon kurz nach Saisonende erledigt.

In den Wochen bis zum Saisonstart am 12. August in Watford geht es für Liverpools Spieler auch darum, sich gegen drohenden Verschleiß zu wappnen. Durch die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb erhöht sich die Anzahl der Begegnungen für die Reds. Ohne weitere Verstärkungen des Kaders droht Liverpool ein ähnliches Leistungstief zum Jahreswechsel wie in den abgelaufenen Spielzeiten unter Klopp: 2016 gab es reihenweise Verletzungen, 2017 reihenweise Punktverluste.

An den ersten 41 Tagen 2017 gewann Liverpool gleich gar kein Spiel, letztlich vergrößerte sich der Rückstand auf Spitzenreiter Chelsea in der Rückserie von sechs auf 17 Punkte. Also war es wieder nichts mit der ersten Meisterschaft seit 1990. Dabei hatten die Fans im Herbst ernsthafte Hoffnungen gehegt - für einen Spieltag war der einstige Rekordmeister Tabellenführer.

Vor dem nächsten Anlauf erhält Liverpool nun Unterstützung von Aufsteiger Huddersfield Town. Dort trainiert David Wagner, ein langjähriger Freund Klopps - und der tippt gleich mal auf Liverpool als Titelträger. An Zuspruch und Beliebtheit mangelt es den Reds nicht.

© SZ vom 01.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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