BVB:Bosz stillt das Harmoniebedürfnis

  • Borussia Dortmund stellt nach der Entlassung von Trainer Thomas Tuchel dessen Nachfolger vor: Peter Bosz.
  • Der Niederländer steht für einen offensiven Fußball mit starkem Gegenpressing, der auch die BVB-Bosse anspricht.
  • Doch auch Bosz verlässt seinen früheren Arbeitgeber Ajax Amsterdam nicht im Besten.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die drängende Frage, wie sich der Nachname Bosz nun korrekt ausspreche, konnte Borussia Dortmunds neuer Trainer Peter Bosz schnell klären: Wie er sich selbst nenne, "Boss" oder "Bosch", beantwortete er in ziemlich holländischer Manier: "Peter!". Und den Nachnamen spreche man "Bosch" aus. Die Vorstellung des Nachfolgers des vergangene Woche beurlaubten Thomas Tuchel wirkte ansonsten locker, ohne dass der Neue allerdings den Mutterwitz seines Vor-Vorgängers Jürgen Klopp versprühte oder die windungsreiche Rhetorik seines Vorgängers Tuchel.

Über Fußball wollte noch keiner so recht sprechen bei der ersten Dortmunder Pressekonferenz des neuen Trainers, die erst kurz vorher angekündigt werden konnte, weil Bosz' bisheriger Klub Ajax Amsterdam am Dienstag erst gegen 12.30 Uhr die Freigabe unterschrieben hatte. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bedankte sich dementsprechend bei den holländischen Kollegen.

Beim OGC Nizza war es zuvor nicht gelungen, eine Freigabe für Wunschtrainer Lucien Favre zu bekommen. Wie manchmal der Zufall aber so spielt: Favres Berater, Reza Fazeli, der auch den Dortmunder Spieler Nuri Sahin betreut, ist zugleich auch für die Geschäfte von Peter Bosz zuständig. Und da Bosz ebenfalls auf der kurzen Kandidatenliste in Dortmund stand, war bald ein Treffen organisiert.

"Wir hatten gleich das Gefühl, dass da etwas zusammenwachsen kann", beschrieb Watzke die erste Tuchfühlung. Bosz selbst erklärte in gutem Deutsch: "Das Gespräch mit Watzke und Zorc hat mich überzeugt. Es dauerte ungefähr drei Stunden und es war so respektvoll miteinander, dass ich schnell wusste, dass ich das gerne machen würde." Sportchef Michael Zorc fasste vor allem zusammen, warum die Fußball-Philosophie des Ajax-Coaches "nicht unähnlich" sei "zu dem, was auch wir wollen". Frischer Offensivfußball sei das, attackierender Fußball, mit viel Struktur im eigenen Ballbesitz, mit starkem Gegenpressing und mit einer guten Balance auch auf der defensiven Seite des Spiels. Außerdem habe Bosz in Amsterdam bewiesen, dass er besonders "gerne auch junge Spieler einbaue und sie auch in wichtigen Spielen schon einsetze". Das decke sich, so Zorc weiter, "mit unserer Strategie".

Man hörte aus manchen Sätzen heraus, dass Übereinstimmung und Harmonie für Watzke und Zorc nach den Erfahrungen der vergangenen beiden Jahre mindestens so wichtig sind wie die sportlichen Aspekte. Zorc stellte ausdrücklich heraus, dass der neue Trainer auch bereit sei, mit Strukturen zu arbeiten, "die wir hier seit Jahren erfolgreich betreiben". Das war zuletzt unter Thomas Tuchel eher nicht so, der mit seinem Trainerstab offenbar wenig von dem übernehmen wollte, was man in Dortmund zur Hausordnung zählt.

Bosz rasselt mit zwei Ajax-Berühmtheiten aneinander

Über die Vergangenheit aber wollten weder Zorc noch Watzke reden - ebenso wenig wie Peter Bosz, der sich den bohrenden Fragen seiner niederländischen Landsleute entzog, warum er eigentlich nach nur einem Jahr bei Ajax schon wieder gehe. Auf schmutzige Wäsche hatte er offenbar keine Lust. Bosz spricht Englisch und Französisch, er hat es als Spieler auf acht Länderspiele für die Niederlande gebracht. Beim BVB, so Zorc im Scherz, habe er sich nur durch einen Umstand unbeliebt gemacht: Bei seinem kurzem Gastspiel für Hansa Rostock gewann Bosz gegen den BVB, damals noch mit Zorc als Spieler, mit 3:1.

Von Bosz erwarten sich Watzke und Zorc vor allem Einigkeit über die Zusammenarbeit. Dieser Vertrauensaspekt war zuletzt als vermisst gemeldet worden. Ausgerechnet bei seiner letzten und bisher wichtigsten Trainer-Station aber soll es auch bei Bosz heftig geknarzt haben. Obwohl sportlich als Zweiter der Meisterschaft (einen Punkt hinter Rotterdam) und Europa-League-Finalist ähnlich wie Tuchel in Dortmund sportlich erfolgreich, gab es in Amsterdam atmosphärische Probleme. Trotz des Erfolgs - vielleicht auch gerade deswegen - rasselte Bosz bei Ajax, so hört man, mit den Berühmtheiten Dennis Bergkamp (in seinem Trainerstab) und Edwin van der Sar (als Sportdirektor) so sehr aneinander, dass es gegen Saisonende schwer gewesen sein soll, noch miteinander zu reden. Das soll auch einer der Gründe sein, warum Bosz relativ einfach aus seinem Vertrag kam, angeblich für eine Abstandszahlung von rund zwei Millionen Euro.

Der aus Freiburg geholte Maximilian Philipp gilt schon als kleines Marco-Reus-Double

In Dortmund findet Bosz für seine Spielweise eine fast ideal ausgebildete Elf vor. Über Pfingsten hat der BVB außerdem eine Art Ersatzmann für den verletzten Marco Reus gefunden: Maximilian Philipp, 23, kommt vom SC Freiburg, dem der Verlust des U 21-Nationalstürmers mit 15 Millionen Euro Ablöse plus möglichen fünf Millionen an Erfolgsprämie versüßt wird.

Die Verletzung von Reus aus dem Pokalfinale kann sich, je nachdem, ob er konservativ oder mit einer Kreuzband-OP behandelt wird, über vier bis sechs Monate erstrecken. Philipp gilt, was seine Spielweise anbelangt, als kleines Double von Reus. Außerdem hat Dortmund bereits das Gladbacher Mittelfeld-Talent Mahmoud Dahoud, 21, geholt und den Leverkusener Innenverteidiger Ömer Toprak, 28. Was sich ansonsten im Kader tut, bleibt unübersichtlich. Auch Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang ist bisher nicht, wie er eigentlich angekündigt hatte, wegen eines Wechsels vorstellig geworden. Mario Götze wird dagegen zur nächsten Saison gesund zurück erwartet.

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