Bundesliga:Warum der Davies-Transfer wegweisend für den FC Bayern ist

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17 Jahre alt, sechs Länderspiele für Kanada, drei Tore: Alphonso Davies. (Foto: Darryl Dyck/AP)
  • Der FC Bayern verpflichtet zum 1. Januar 2019 den 17 Jahre alten Alphonso Davies.
  • Der Offensivspieler der Vancouver Whitecaps soll zehn Millionen Euro kosten - durch Bonuszahlungen könnte die Ablösesumme steigen.
  • Der Wechsel verdeutlicht die Transferstrategie der Münchner: Weil die besten Spieler Europas immer teurer werden, sucht der FC Bayern seine Spieler in der Nische.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Im Januar 2015 waren sie beim FC Bayern aufrichtig traurig. Sie hatten hartnäckig um einen Spieler geworben, mit der familiären Atmosphäre im Verein, dazu schon auch mit Geld. "Eine schöne Braut offensichtlich, und viele Bräutigame warten vor der Tür. Vielleicht sind wir ja der schöne Bräutigam", sagte Klubboss Karl-Heinz Rummenigge etwas schlüpfrig. Dann aber entschied sich Martin Ödegaard, damals 16 Jahre alt, für Real Madrid und gegen den FC Bayern.

Inzwischen sind sie in München nicht mehr ganz so traurig über die Absage, in Madrid konnte sich Ödegaard bisher nicht durchsetzen, zuletzt war er ausgeliehen nach Heerenveen. Abschrecken lassen haben sie sich davon nicht. Die Strategie, die sie im Januar 2015 noch eher beiläufig verfolgten, haben sie dreieinhalb Jahre später als neue Kernstrategie auf einem immer irrationaler werdenden Markt ausgemacht: das Werben um die größten Talente.

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"Er hat unterschrieben", sagte Rummenigge am Dienstag in Philadelphia, er werde "zum 1. Januar, wenn er 18 wird, nach Europa kommen und für den FC Bayern spielen." Er, das ist Alphonso Davies von den Vancouver Whitecaps, 17 Jahre alt, geboren im November 2000 in Buduburam, einem Flüchtlingslager in Ghana, als Fünfjähriger nach Kanada gezogen, seit Juni 2017 kanadischer Staatsbürger. Die nächste Wette des FC Bayern auf die Zukunft.

Auch vor Davies' Tür warteten mehrere sog. Bräutigame, darunter der FC Arsenal. Dieses Mal konnte sich der FC Bayern durchsetzen, geworben haben sie mit der familiären Atmosphäre im Verein, aber schon auch mit Geld. Zehn Millionen Euro wird Davies kosten, so ist es aus den USA zu vernehmen, wo der FC Bayern gerade eine Werbetournee absolviert, hinzu kommen wohl noch ein paar Bonuszahlungen; Davies wäre dann der teuerste Transfer in der Geschichte der amerikanischen Profiliga MLS. Doch die Ablöse ist es nicht, die diesen Transfer so bemerkenswert macht.

Davies' Körperbeherrschung erinnert an den Boxer Roy Jones jr.

Der Davies-Wechsel, am Mittwoch nach bestandenem Medizincheck in Philadelphia offiziell bestätigt, steht für die Strategie, mit der der FC Bayern langfristig mithalten will auf einem Markt, auf dem es sonst eher um Summen zwischen 60 und 222 Millionen Euro geht. Der Klub will nicht mitbieten im Poker um gestandene Nationalspieler, er will nicht gefangen werden in einer Spirale, in der selbst dieser stolze Verein mit seinem so prall gefüllten Festgeldkonto nicht seriös wirtschaften kann.

Mit dem Antritt des neuen Trainers Niko Kovac hat sich der Verein stattdessen daran erinnert, dass er seine besten Jahre immer dann hatte, wenn er ein Spielerverein war, ein Verein also, den über mehrere Saisons hinweg ein Stamm an Spielern geprägt hat. So war das 2001 beim Sieg in der Champions League, und so war es 2013 beim Sieg in der Champions League. Und weil die besten Spieler Europas immer teurer werden, sucht der FC Bayern seine Spieler in der Nische; allen voran sucht Chefscout Marco Neppe, der sich bestens im weltweiten Juniorenbereich auskennt.

In Philadelphia hat Kovac von der Technik und der Geschwindigkeit von Davies geschwärmt, auch auf den im Internet kursierenden Videoschnipseln ist ein Teenager zu sehen, der in seiner Körperbeherrschung ein wenig an den Boxer Roy Jones Jr. in seinen jungen Jahren erinnert. Dieser lebte in den 1990er-Jahren davon, dass er seinen Körper in kaum nachvollziehbare Winkel verbiegen konnte, und dann kehrte er mit einem Tempo zurück, dem kein Boxerauge mehr folgen konnte. Auch Davies verdreht und verrenkt seinen Körper im Dribbling gerne, ein paar Millisekunden später hat er alle Knochen sortiert, und schon hat er sich am Gegner vorbeigeschlungen. Den Linksaußen sehen sie im Verein als einen kleinen Robben, der von außen in die Mitte zieht. Vor dem gegnerischen Tor wirkt Davies dann eiskalt; in 20 Partien in der MLS hat er drei Treffer erzielt, in sechs Länderspielen drei.

In München soll Davies zunächst für die U23 in der Regionalliga Bayern spielen, trainieren wird er mit den Profis. Sein Vertrag ist bis 2023 gültig. Davies muss erst nachweisen, dass seine Tricks auch ausgebuffte mitteleuropäische Verteidiger überraschen. Davies ist ein trial-and-error-Transfer, keiner kann voraussagen, wie sich sein Körper und sein Spiel entwickeln werden. Doch es ist ein Risiko, das sie beim FC Bayern häufiger eingehen wollen - obwohl sie aus eigener Erfahrung wissen, dass es auch schief gehen kann. Den Dänen Pierre-Emile Hojbjerg holten sie als 16-Jährigen, als 19-Jährigen verliehen sie ihn, als 21-Jährigen verkauften sie ihn. 2016 kam der damals 18 Jahre alte Renato Sanches, für 35 Millionen Euro plus Bonuszahlungen; der Portugiese nimmt unter Kovac gerade seinen zweiten Anlauf.

Vor dem Davies-Transfer erinnern sie beim FC Bayern aber lieber an andere Beispiele. Joshua Kimmich kam als 20-Jähriger aus der zweiten Liga, er ist Stammspieler. Und sie erinnern an den Spätsommer 2015, als sie intern heftig diskutierten über die sieben Millionen Euro an Leihgebühr (sowie die Kaufoption in Höhe von 21 Millionen Euro), die sie an Juventus Turin überwiesen für einen 19 Jahre alten Nobody. Im Sommer 2018 sind sie ganz froh, dass sie damals die Wette auf diesen Kingsley Coman eingegangen sind.

© SZ vom 26.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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