Bundesliga:Back to earth am Eiffelturm

  • Nationalspieler Jérôme Boateng könnte noch in dieser Woche zu PSG wechseln.
  • Der FC Bayern wäre laut Vorstandsboss Rummenigge bereit, den Spieler gehen zu lassen.
  • Dafür will er gerne James und Thiago behalten - und einen anderen Mittelfeldspieler abgeben.

Von Jonas Beckenkamp

In der amerikanischen Stadt Philadelphia werden die Menschen in diesen Tagen eine Reisegruppe kennenlernen, die es sonst eher selten in diese Gegend verschlägt. Der FC Bayern ist im Zuge seiner Marketing-Tour in die USA zu Gast, und ihn kennt man auch in "Philly". Wo es ein Oktoberfest ("Get ready for beer steins and bratwursts") gibt, ist den Menschen auch der FC Bayern ein Begriff. Fraglich ist nur, ob die amerikanischen Fans beispielsweise beim Testspiel in dieser Nacht gegen Juventus Turin bemerken, dass die Münchner gar nicht mit ihrem Elitepersonal zugegen sind.

Nationalspieler sind nämlich nicht allzu viele dabei, schon gar keine deutschen. Jérôme Boateng zum Beispiel erholt sich derzeit noch von den Strapazen der Fußball-WM, er sendete über seine Social-Media-Kanäle aber immerhin ein Lebenszeichen, das ihn beim Tanz-Workout in einem Kraftraum zeigt. Boateng ist aktuell so etwas wie die bayerische Königspersonalie, schließlich scheint gar nicht mehr so ausgeschlossen, dass er schon bald woanders tanzt und trainiert: in Paris, wo der neue Trainer Thomas Tuchel ihn offenbar gerne als Verstärkung hätte.

Boateng und die Bayern, diese Beziehung ist merklich abgekühlt in den vergangenen Monaten, und wie es aussieht, könnte der Gefrierpunkt sogar noch Ende dieser Woche eintreten. Ein Transfer des Nationalspielers zu Paris Saint-Germain hängt offenbar nur noch von den finanziellen Rahmendaten ab - wenn die Bayern eine ausreichende Entschädigung bekämen, wären sie bereit, ihn ziehen zu lassen. "Man muss jetzt mal in Ruhe abwarten, ob man am Ende des Tages eine Basis findet, die zu dem Transfer führt", erklärte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge am Dienstag in Philadelphia püntklich zum Ende des Tages (Ortszeit).

Er sprach sogar sehr konkret davon, dass eine "akzeptable" Ablösesumme gefunden werden müsse. Es bedürfe zunächst einer Einigung zwischen dem 29-Jährigen und PSG, zudem müssen sich der deutsche und der französische Meister verständigen. "Es gibt im Moment keinen direkten Kontakt zwischen den beiden Klubs", ergänzte Rummenigge noch. Er berichtete aber von einem Kontakt der Berater von Boateng mit den Pariser Verantwortlichen. Genügend Geld wäre sicherlich vorhanden, schließlich wird PSG fürstlich aus Katar alimentiert.

Thomas Tuchel hatte sich offenbar schon vor der WM mit seinem Wunschspieler aus München getroffen. Passend dazu forderte er unlängst Verstärkungen für seinen Kader, insbesondere in der Innenverteidigung, wo er neben den beiden Brasilianern Marquinhos und Thiago Silva lediglich das französische Talent Presnel Kimpembe zur Verfügung hat. Die Sport Bild berichtete von einem Meeting im Mai mit dem Ergebnis, dass beide Seiten an einem Transfer interessiert seien. Uli Hoeneß erklärte wiederum, dass Paris noch nicht an den FC Bayern herangetreten sei: "Wenn es ein konkretes Angebot gäbe, wäre ich unterrichtet. Das ist im Moment nicht der Fall." Gut möglich, dass sich dieser Kontakt aber just in dieser Woche anbahnt.

Dass sich die Sache hinzieht, könnte auch daran liegen, dass die Pariser erst ihre Probleme mit dem Financial-Fairplay-Regeln der Uefa in Griff kriegen müssen. Nach den Rekord-Einkäufen von Neymar (222 Millionen/FC Barcelona) und Kylian Mbappé (180 Millionen/AS Monaco) ist Frankreichs Meister bei den Fahndern verdächtig geworden - Berichten zufolge muss der Klub erst einen Transfer-Überschuss von 60 Millionen Euro erzielen, ehe er wieder neues Personal verpflichten kann.

Pavard kann Boateng ersetzen

Im Raum steht deshalb aktuell der Verkauf von Mittelfeldspieler Adrien Rabiot zu Juventus oder Barcelona. Die Bayern wiederum hätten mit Benjamin Pavard, der ziemlich sicher vom VfB Stuttgart kommt (die Frage ist noch, ob 2018 oder 2019), früher oder später Ersatz für Boateng. Auch Javi Martínez kann in der Innenverteidigung spielen. "Grundsätzlich haben wir auf der Position sowohl quantitativ als auch qualitativ genügend Spieler", sagte Rummenigge für den Fall eines Verkaufs.

Boateng steht in München eigentlich noch bis zum 30. Juni 2021 unter Vertrag. Allerdings deutete zuletzt einiges auf atmosphärische Störungen im Verhältnis zu Vorstandschef Rummenigge hin. Der sprach einst davon, Boateng müsse "ein bisschen mal wieder back to earth" kommen. Und vor der WM signalisierte Rummenigge, dass die Bayern bereit wären, Boateng abzugeben. Etwas über 50 Millionen Euro dürften es aus Bayern-Sicht schon gerne sein, um den Spieler back to earth an den Eiffelturm abzugeben.

Ein anderer Nationalspieler soll dagegen länger bei den Münchnern bleiben: James Rodríguez, der sich bei der WM im Einsatz für Kolumbien leicht verletzt hatte. Den aktuell von Real Madrid ausgeliehenen Mittelfeldmann wollen die Münchner über 2019 hinaus fest verpflichten. "Wir haben noch das eine Jahr den Leihvertrag. Und dann haben wir diese Klausel für 42 Millionen Euro, die wir - Stand heute - mit ziemlich großer Sicherheit ziehen werden", sagte Rummenigge in den USA.

Das Verhältnis zwischen Verein und Spieler sei wunderbar, man sei "sehr happy mit dem Spieler, der sehr glücklich bei uns ist". Dass aus dem Umfeld von James unlängst zu hören war, er würde nach dem Abschied von Trainer Zinédine Zidane gerne eine neue Chance in Madrid suchen, stört die Bayern offenbar ebenso wenig wie die anhaltenden Gerüchte um Heimweh bei Thiago.

Der Spanier wirkte zum Ende der vergangenen Saison mehrfach unglücklich, speziell über zwei Bank-Beorderungen in der Champions League gegen Real Madrid und im Pokalfinale. Nachdem sein Heimatverein FC Barcelona aber immer weniger an seiner Rückholaktion interessiert ist, wird wohl auch er in München bleiben. "Thiago ist ein wichtiger Spieler bei uns", bemerkte Rummenigge, "wir haben noch nie Gedanken geäußert, dass er den Klub verlässt. An der Geschichte ist nie etwas dran gewesen." Das unterscheidet Thiago doch recht deutlich von Arturo Vidal - auf die ungebündelte Energie des Chilenen wollen die Bayern offenbar zukünftig verzichten. Inter Mailand hat bereits Interesse ein einem Transfer bekundet.

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