FC Bayern testet gegen Barcelona:Zu allem fähig

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Pep Guardiola testet und überrascht mit neuen Ideen. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Stammelf oder ständige Austauschbarkeit? Beim 2:0-Testspielsieg des FC Bayern gegen Barcelona tüftelt Trainer Guardiola an seiner System-Radikalkur. Die Umstellung wird prominente Härtefälle mit sich bringen. In einer völlig neuen Rolle findet sich Philipp Lahm wieder.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Der Vergleich musste ja kommen. Jenes Wort, das mit "Kopfball" anfängt und mit "Ungeheuer" aufhört, machte die Runde, als in der Arena des FC Bayern längst die Lichter erloschen waren. Dabei ging es ausgerechnet um Philipp Lahm. Der zweitkleinste aller Triple-Sieger (nach Xherdan Shaqiri) sieht aus der Nähe immer noch aus wie ein Elftklässler - wer es gut mit ihm meint, nimmt ihm seine offizielle Körpergröße von 170 Zentimetern ab. Recht ungeheuerlich sind solche Maße im Fußball nicht, doch dieser Philipp Lahm ist neuerdings zu allem fähig.

Auch zu Kopfballtoren, die an einen besonderen deutschen Luftkämpfer erinnern. "Ich habe sicher nicht so viele Treffer mit dem Kopf erzielt wie Horst Hrubesch", sagte der Bayern-Kapitän nach dem unkomplizierten 2:0-Testspielerfolg gegen den FC Barcelona, "aber ich spiele derzeit etwas offensiver, da trifft man ab und zu." In der 15. Minute hatte Lahm nach Flanke von Franck Ribéry seiner glanzvollen Karriere dieses Novum hinzugefügt: ein Kopfballtor - sein erstes als Profifußballer.

Zur Figur des Abends hätte es der Nationalverteidiger aber auch ohne dieses Statistik-Schmankerl gebracht, denn Trainer Pep Guardiola setzte ihn erneut in ungewohnter Rolle ein. Lahm, der ständige Außen-Allrounder, tauchte wie schon im Probespiel gegen Gladbach im Zentrum auf. Falls es noch eines Beweises für Guardiolas Radikalkur des Bayern-Systems bedurfte, hier war er: Lahm agierte neben Tempomacher Thiago im Mittelfeld und er schlug sich sehr ordentlich.

Steueraffäre des Bayern-Präsidenten
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Der Bayern-Präsident gibt sich zuversichtlich: Am Rande des Testspiels gegen den FC Barcelona äußert sich Uli Hoeneß zu seiner Steuerangelegenheit. Er glaubt, "dass es eine gute Lösung gibt".

"Ich habe keine Probleme mit dieser Position. Aber meine Stärken sehe ich eher als Rechtsverteidiger", sagte Guardiolas erklärter Lieblingsspieler zurückhaltend. Lahm als Zepterschwinger im Zentrum? Denkbar ist diese Variante, auch wenn der Coach wohl nur ein paar Rochaden für seinen Hinterkopf probt. Ihm sei klar, dass "Lahm kein Mittelfeldspieler" sei, gab Guardiola zu, "aber wir mussten zuletzt viel umstellen und Philipp ist einer, der überall gut ist: in der Abwehr, in der Mitte und vorne". Lahm mit noch mehr Kopfballtoren im Sturm - das wäre mal eine richtige Revolution.

Dass Lahm selbst gerne umschulen würde, ist unwahrscheinlich. Sein Plädoyer fiel eindeutig aus: "Ich glaube, wir haben im Mittelfeld genügend andere, die geeigneter sind als ich." Damit liegt der 29-Jährige so falsch nicht, denn was würde dann aus Toni Kroos, Thiago, Javi Martínez oder Bastian Schweinsteiger werden, die alle als Stammelf-Kandidaten in Frage kommen? Überhaupt Stammelf? Befindet sich dieser Klub nicht längst im Zeitalter der andauernden Austauschbarkeit? Gegen Barças B-Formation gab Kroos den Organisator vor der Abwehr, die in Abwesenheit von Martínez aus Jérôme Boateng und Dante bestand.

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Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Zumindest Kroos sieht in dem Gedränge um die paar Mittelfeldplätze kein Problem: "Es schließt sich doch nicht aus, eine Art Stammelf zu haben und trotzdem zu rotieren." Er selbst war davon bisher kaum betroffen. Fest steht aber: Einige wird es immer erwischen, die Bank der Bayern ist mittlerweile so edel besetzt wie bei keinem anderen Klub in Europa. Und irgendwann greift auch der verletzte Mario Götze wieder ein.

Diesmal saß dort draußen auch Schweinsteiger, der nach seiner Sprunggelenk-OP erstmals wieder ein paar Minuten mitmischte. Selbst den großen Chef der vergangenen Triple-Saison könnte die Guardiolisierung des Systems aus der ersten Elf spülen. Noch gibt er sich deswegen entspannt, auch wenn er etwas irritiert anmerkte, dass auf Fragen zur Wunschelf des FC Bayern sicher "kein Spieler antworten sollte".

Und weil dieser Benefizkick gegen Barcelonas brave Verlegenheits-Auswahl sportlich ohnehin kaum Antworten lieferte, blieben noch Taktikfragen zur Offensive. Dort wirbelte recht ansehnlich das Trio Ribéry, Thomas Müller und Arjen Robben - und zwar in stetem Positionswechsel. Ob das so bleibt, wollte zumindest Müller nicht vorhersagen, schließlich sei er "kein Hellseher. Wie die Stammelf dann aussieht, wird sich zeigen."

Auch Uli Hoeneß äußerte sich, der Präsident, um den es in den vergangenen Wochen so still geworden war. Sicher müsse Guardiola darauf achten, dass er es mit der Rotation nicht übertreibe, sagte Hoeneß nach dem Spiel: "Ich kann mich gut erinnern, dass Pep Guardiola in Barcelona auch nur in bestimmten Situationen rotiert hat. Das wird natürlich auch die große Kunst sein, diese große Anzahl von Superspielern bei Laune zu halten."

Ansonsten zeigte sich Hoeneß begeistert von Guardiolas Arbeit. "Ich kenne ihn ja schon etwas besser", holte der Präsident aus: "Ich muss ehrlich sagen, ich bin total begeistert. Er ist ein lockerer Typ, der sehr zielstrebig arbeitet, der auf eine lockere Art und Weise die Spieler sehr unter Druck setzt. Das Ergebnis sehen wir im Moment auf dem Platz."

Dass sich noch manches ändert, dürfte besonders Mario Mandzukic hoffen. Der Kroate zeigte nach seiner Einwechslung gewohntes Engagement als offensiver Gegenpresser - und belohnte sich schließlich mit dem Treffer zum 2:0 (87. Minute) für seine Mühen. Guardiola wird auch das aufmerksam verfolgt haben.

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