Als sich die ersten Mitspieler längst durch den furchterregenden Stau rund um die Münchner Fußball-Arena quälten, stand Dante Bonfim Costa Santos, genannt Dante, noch in dem großen Durchgangsraum, der hinausführt zum Mannschaftsbus und den Autos. Der fröhliche Profi des FC Bayern München aus dem fröhlichen Ort Salvador da Bahia in Brasilien ist generell ein netter Gesprächspartner. Nach diesem ersten Saisonspiel aber trieb ihn wohl das schlechte Gewissen dazu, alles genau zu erklären.
Innenverteidiger Dante hatte wahrlich keinen fröhlichen Abend erlebt. Zuerst bekam er mehrmals Hinweise seines neuen Trainers, was er alles falsch mache. Dann überwand er seinen eigenen Torwart und verunfallte ein Eigentor. Es war eine ungewohnt zittrige Partie Dantes und so klang vieles nach Rechtfertigung.
Begleitet von diesem einnehmenden Dante-Lächeln sagte Dante: "Wir verteidigen ein bisschen anders." Die Innenverteidiger müssten viel häufiger Eins-gegen-Eins-Situationen bewältigen, "wir dürfen keinen Zweikampf verlieren, sonst sind wir in Schwierigkeiten." Er weitete dabei die Augen, spitzte die Lippen und stieß ein leises "uuuhhh" hindurch. Allein Dantes Mimik und Gestik verriet, wie gefährlich das alles war.
FC Bayern in der Einzelkritik:Eine Hymne für Franck Ribéry
Manuel Neuer jongliert mit dem Ersatzball und zeigt starke Reflexe, Dante erhält ständig Anweisungen und Franck Ribéry agiert so lausbubig, dass er Pep Guardiola gar nicht als Trainer braucht. Die Bayern beim 3:1 gegen Gladbach in der Einzelkritik.
Der FC Bayern, unbesiegbarer Triple-Gewinner der vergangenen Saison, hat mit dem neuen Wundertrainer Pep Guardiola das Auftaktspiel der 51. Bundesliga-Saison zu Hause gegen Borussia Mönchengladbach mit 3:1 gewonnen. Die Meinungsführer des Münchner Klubs inklusive Guardiola beteuerten danach, dass vor allem dieses Ergebnis zähle, weil es verhindere, dass gleich der Druck auf das neue Gebilde steige. Was man halt so sagt, wenn sich hinter den Zahlen eine teilweise irritierende Vorstellung versteckt hat.
Viel wurde geredet darüber, was der Katalane alles ändern würde beim überstarken FC Bayern. Und welchen der Triple-Gewinner er weh tun werde. Nun, eigentlich niemandem. Nach den Ausfällen von Thiago (krank) und Mario Götze (Aufbautraining) standen alle großen Namen auf dem Spielberichtsbogen in der ersten Elf. Alle, bis auf Javi Martínez.
Das war durchaus nachvollziehbar, weil der Spanier nach dem Konföderationen-Cup und verlängertem Urlaub erst kurz mit der Mannschaft trainiert hatte. Allerdings fehlte ja nicht nur der Spieler, sondern dessen Position gleich mit. Und war Martínez vor einem Jahr nicht für 40 Millionen Euro gekommen, um den Zauberfüßen da vorne eine Absicherung als Geleitschutz mitzugeben?
Pep Guardiolas erste Bundesliga-Formation verriet Mut und Angst zugleich. Angst, weil er offensichtlich erst einmal eine Debatte über missmutige Stars verhindern wollte. Mut, weil wohl noch nie eine Bayern-Mannschaft in der Bundesliga-Geschichte mit so vielen offensiv denkenden Spielern auf dem Rasen stand. Eine Dichte überschäumenden Talents mit Franck Ribéry, Arjen Robben, Thomas Müller, Toni Kroos und mit Mario Mandzukic sogar mit einem echten Neuner, einem Mittelstürmer. Das Spiel offenbarte alle Vorteile, die eine solche Formation bietet. Und alle Nachteile.
Der größte Vorteil: Es wird sich schwerlich eine Defensive finden, die den FC Bayern 90 Minuten lang stoppen kann. Allein Franck Ribéry und Arjen Robben wirbelten wie Irrwische über das Feld und stellten den Gladbachern unlösbare Rätsel. Das 1:0 erzielte Robben nach einem wunderbaren Pass von Ribéry (12.). Das 2:0 schoss fast Ribéry nach einem geistesgegenwärtig schnell ausgeführten Freistoß von Robben, Gladbachs Torwart Marc-André ter Stegen hielt zwar den Ball des Franzosen, doch den Abpraller versenkte Mandzukic (15.). Wenn Ribéry und Robben unterstützt von ihren Nebenleuten das Tempo anzogen, machte sich in der Abwehr der Borussia Panik breit.
Über die Vorzüge der Flügel-Dribbler sprach nach der Partie dennoch niemand in der Arena. Dass die beiden was können, weiß schließlich jeder. So gingen alle schnell zu den offensichtlichen Schwächen dieses neuen FC Bayern über. Etwa, dass Borussia Mönchengladbach elf Mal auf das Tor von Manuel Neuer schoss. An so viele Bälle dürfte sich der Torwart während der gesamten Rückrunde der vergangenen Saison nicht erinnern.
Pep Guardiola wirkte peinlich berührt, als er in respektablem aber noch unperfektem Deutsch sein erstes Bundesliga-Spiel analysierte. "Wir brauchen Zeit, es ist schwierig, es wird nicht einfach", sagte er, legte die Stirn in Falten und kratzte sich den Nacken. Er zollte dem Gegner Respekt: Wenn seine Spieler das Pressing nicht gut umsetzten, die Gladbacher beim Spielaufbau "Zeit zum Denken" hatten, dann hätten sie es sehr gut gemacht. Dann taten sich nämlich bei Guardiolas Mannschaft im Mittelfeld Lücken auf groß wie ein Schwimmbecken. Dort, wo einst Martínez alle Räume zulief und den Gegner stoppte, liefen die Borussen unbeschwert umher und erspielten sich etliche gute Möglichkeiten.
Gladbach in der Einzelkritik:Handballspieler Dominguez, Respekt für Herrn Kramer
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Es folgte die unvermeidliche System-Debatte rund um Guardiolas Idee, wie in Barcelona nur mit einem defensiven Mittelfeldspieler zu agieren, diesmal mit der Person Bastian Schweinsteiger. "Wenn man als Mannschaft jahrelang was anderes gemacht hat, ist es schwer, es reinzubekommen", sagte der bekennende Guardiola-Fan Philipp Lahm vorsichtig. Schon leicht kritisch äußerte sich Toni Kroos: "Das System ist einen Tick offensiver. Wir werden sehen, wem das zugutekommt. Tore haben wir auch letztes Jahr nicht zu wenige gemacht."
Vor allem zu Beginn der zweiten Halbzeit wogte das Spiel ungestüm hin und her, beide Teams entblößten das Mittelfeld, von taktischem Plan war nichts mehr zu sehen. "Wir müssen die Konter besser kontrollieren in den nächsten Spielen", erklärte Guardiola kleinlaut. Denn nach Dantes Eigentor zum 1:2 (40.) benötigten seine Bayern schon zwei Handelfmeter, um das Spiel zu entscheiden. Álvaro Dominguez brachte binnen zwei Minuten zweimal den Arm an den Ball, den ersten Strafstoß verschoss Thomas Müller noch, den zweiten verwandelte David Alaba (69.).
Guardiola geriet über diese ersten 90 Minuten derart ins Grübeln, dass er bereits Änderungen in Aussicht stellte. "Wir können gut spielen mit einem Sechser, aber auch mit zwei Sechsern. Mit einem Sechser gefällt es mir besser, aber ich muss mich auch den Spielern anpassen und vielleicht das System ändern." Also wieder mit Schweinsteiger und Martínez als Stabilitätszentrum auf der Doppelsechs?
Demnächst kommen Guardiolas Lieblingsspieler Thiago und der 37-Millionen-Euro-Mann Götze zurück, beide ebenfalls keine Abräumer-Typen, sondern im Geiste Offensivspieler. Das Gedränge um die vorderen Positionen dürfte an Fahrt aufnehmen und vielleicht bietet der Offensivtrainer Guardiola mit seinem Offensivkader dem Publikum ja einfach das größte Spektakel der Bundesliga-Geschichte - Kontertore der Gegner inklusive.
Der arme Innenverteidiger Dante jedenfalls, der nun hinten so häufig auf sich alleine gestellt ist, hat den Konkurrenzdruck in diesem Kader so formuliert: "Wenn ich sehe, wer auf der Bank ist", er weitete die Augen, spitzte die Lippen und ließ ein leichtes "uuuhhh" durchsausen.